Götterdämmerung einer Generation - das Spiel ist aus

Miesepeter, Samstag, 22.08.2020, 16:08 (vor 1341 Tagen) @ Odysseus4052 Views
bearbeitet von Miesepeter, Samstag, 22.08.2020, 16:43

So können sie ein je nach Talent erfülltes Leben im Rahmen der Möglichkeiten führen, im Debitismus, aber auch im Sozialismus, in bitterarmen Naturvölkern, als Sammler und Jäger wie als Staatsbediensteter.


Je nachdem, was die immer gleichen psychopathischen Kreise an Spielräumen zulassen. Im jetzigen Betrachtungszeitraum der Lebenden sehr glücklich für die jetzt 80ig jährigen gelaufen, Pech für die jetzt 20-40 jährigen - das wird noch der reine Horror. Für die dazwischen wird das gewohnte Leben oft nicht bis zum Ende finanzierbar sein und etliche werden ihre Kinder und Enkel bachab gehen sehen.

Die jetzt 80ig jährigen hatten das Glück, ihr Leben in den Kondratieff-Zyklen Frühling, Sommer und Herbst zu verbringen. Die Generationen davor hatten nicht so ein Glück, die Geschichte vergibt keine Abos auf glückliche Zeiten.

Die die jetzt 20 jährigen werden Winter, Frühling und Sommer erleben, wenn sie den Winter überleben. Kein Grund, in Mitleid zu vergehen. Die heute 50-jährigen sind schlechter dran, denn ihnen steht nur noch der Winter bevor, the 4th turning.

Die Ideologen und ihre Soldaten (Grüne,Linke,LGBT, Altparteien etc.) werden nur benutzt und merken es nicht, wie sie die mächtigen Kreise auf ihrem Stratego-Feld verschieben.

Das gilt für Liberale, Christdemokraten, Nationalalternative und Anarchokapitalisten nicht minder, es ist auch nicht neu, so geht das seit Jahrtausenden.

Wie ich schon anmerkte, hast du dir alles für deine Passivität und Nabelschau schlüssig zurechtgelegt.
Es sieht aber ganz danach aus, dass ein Kampf im Gange ist, wo wenige Prozent der Menschheit den Rest für Jahrhunderte entmenschlichen, entseelen und versklaven könnten.
Ein Teil davon ist, dass die Region, wo das Zusammenleben in Frieden und mit Wohlstand am weitesten entwickelt war, nachhaltig zerstört werden muss - das alte Europa. Mir ist das groß genug meinen bescheidenen winzigen Teil im Kampf dagegen einzubringen. Wie man sich ob seines Literatustudiums einreden kann, das sowieso alles unausweichlich vorbestimmt sei und danach sein Leben ausrichtet - das ist nicht meins.

Ich will hier ein wenig vom Neoliberalismus plaudern, oder die Ideologie, welche auf dem Stratego-Feld während des letzten Sommers und des Herbstes ausgerufen war und seine eigenen Jünger hatte. Ich erinnere mich, als sie eine junge Blüte war, wiederentdeckt nach langer Vergessenheit, strahlend vor Frische und Versprechen für die Zukunft, und begierig genossen von den jungen Menschen, die nach Freiheit strebten. Ich war einer davon, und lauschte Hayek, Mises, Martin, und meine kognitive Dissonanz lösste sich auf und ich ward glücklich, wie viele andere auch. Womöglich erkennst auch Du Dich wieder. Der Neoliberalismus - das war das grosse Ding meiner Generation - damals noch ohne den "Neo" Vorsatz. Langsam beginnend am Auslauf der sechziger Jahre, wurden tolle Dinge errungen: Das Fernsehen hat nicht mehr nur 2 Kanäle, die um 23:00 Sendepause haben, an den Grenzen in Europa wird man nicht mehr angehalten und das Auto durchsucht, Franzosen und Deutsche sprechen und handeln miteinander, als sei es das Normalste der Welt, die Anzahl der Unternehmen und Selbstständigen ist explodiert, ebenso wie das Angebot, der Lebensstandard (der tatsächliche Lebensstandard, nicht der gefühlte), der Ostblock löste sich auf und trat uns bei, am Ende sogar die ganze Welt.

Leider, leider, die geschichtliche Uhr steht nicht still, und auch dies Fest der Freiheit, es war nur ein Traum. Muss man heute niemand mehr erklären, denn während alles das soeben Gelesene durchaus stattfand - es zeigt halt nur die Sonnenseite, nicht aber die Rückseite. Auf der Rückseite befinden sich Entkernung der Nationalwirtschaften, Zerstörung der Volksgemeinschaften, ja der Gemeinschaften aller Art, die Ausdifferenzierung wirtschaftlicher Macht bis hin zur Aristokratisierung (Freiheit erlaubt das, auch Oligarchen sind frei), die - von allen Neoliberalen der 60er und 70er herbeigeträumte - Zerstörung staatlicher Regulationskompetenz, die Flutung mit Armutsflüchtlingen, die immer weitere Ausbreitung des debitistischen Schuldendruckwirtschaftens u.v.a.m.

Heute, am Beginn des Winters, überlagert längst die Rückseite in der Wahrnehmung die Vorderseite, niemand kann sich mehr an den Sommer erinnern. Der Zyklus geht in sein Schlusskapitel. Ebenso wie der Sozialismus nicht mehr aufrechterhaltbar war, so ist nun auch der Neoliberalismus an dem Punkt angekommen, an dem er unter seiner eigenen Last zusammenbrechen wird.

Eine lange Einleitung, um zu einer rhetorischen Frage zu kommen: Glaubst Du ernsthaft, dass jetzt, in dieser historischen Stunde, eine Rückkehr zu den Sonnentagen des Sommers möglich ist? Dass die Antwort auf all die Probleme, die unsere Generation und der Neoliberalismus auch geschaffen haben, und die nun durchbrechen mit der Kraft der ersten Kristallnächte und die letzten welken Blätter von den Bäumen fegen, dass diese Antwort mehr Liberalismus sein wird?

Es gibt kein Zurück in der Geschichte, nur ein Vorwärts. Der Winter wird kommen, und der Liberalismus wird fallen. Allein strittig ist, was bzw wer wird ihn ersetzen, und meine Vermutung ist, dass hinter allen konkurrierenden Kandidaten wieder die selben Strategen sitzen, die seit jeher wissen, dass man alle Pferde im Rennen besitzen muss, um sicher zu gewinnen.

Für (West-) Europa ist momentan die Ökologische Erneuerungsbewegung in der Pole Position, und so wie in den 70er und 80er Jahren die jungen Menschen sich nach Liberalismus sehnten und ihn letztendlich bekamen (=unter Lenkung selbst herbeiführten), so träumen die jungen Menschen heute in Grün und Bunt. Der Neoliberalismus wird sie nicht aufhalten, er ist zu alt und welk. Der Versuch, ihnen eine harte Variante des Neoliberalismus entgegenzusetzen, ist in Europa bisher gescheitert. Vielleicht wird noch etwas Neues aus dem Zylinder gezaubert, um die Unzufriedenen aufzusammeln und den Wettbewerb der Systeme anzuheizen. Auch ein grünes Reich braucht (kontrollierte) Gegner, um sich an ihnen reiben zu können und die Kräfte zu konzentrieren.

Wie dem auch sei: Das Spiel des bürgerlichen Liberalismus ist aus. Seine Zeit wird wiederkommen, in 2-3 Generationen. Bis dahin aber werden andere Prioritäten gesetzt werden.

Meine Meinung dazu ist: sich dagegen zu stemmen, ist so sinnlos, wie 1988 in Leipzig seine Lebensenergie aufzuwenden, um die Rückkehr zum Sozialismus der 60er Jahre zu erreichen.

Ja, es werden Einzelne kommen, und sie werden die Energien und Träume der Bevölkerung kanalisieren, so wie das immer geschieht. Aber diese werden in eine neue Zeit führen, nicht zurück in die alte, sie werden vielmehr das Alte zerstören, um das Neue zu schaffen.


Du weist ganz genau, dass professioneller Umgang von Beginn an gefehlt hat.

Ja und Nein. Unter Extremsituationen in unbekannten Sachlagen werden Fehler gemacht. Das geht jedem so.

Unprofessionell hingegen ist, dass auch heute - 6 Monate später - immer noch kein durchprofessionalisierter Umgang erfolgt, und die institutionellen Träger es nicht schaffen, in zügiger Arbeit ausreichende Strukturen zu schaffen, welche die Parameter komplett vermessen und dann Stück um Stück eine klare, überzeugende Beherrschung der einzelnen Lageparameter erzwingen.

Das aber wundert mich nicht: das ist heutzutage eher Normalfall als Ausnahme. Nicht nur in dieser Regierung, auch die Europäischen Wirtschaftsunternehmen, oder ihre Armeen, oder ihre Intellektuellen - you name it - sind heute kaum noch in der Lage, ihre Kräfte zu konzentrieren und mit plötzlichen, grösseren realen Herausforderungen in überzeugender, umfassender Manier fertig zu werden.

Jeder Nachfolgeregierung wird es nicht anders ergehen.

Mit wem der politischen Führungskräfte würdest du denn noch etwas besprechen wollen??
Gerade die letzten Monate waren in Punkto Arroganz der Macht geradezu überschießend.
SIE haben Objektivität und Ausgewogenheit komplett aus den Augen verloren.

Da gebe ich Dir Recht, aber nur eingeschränkt. Denn man muss auch in Länder wie Spanien oder GB schauen. Wenn die Deutschen schon Objektivität und Ausgewogenheit komplett aus den Augen verloren haben, wie soll man dann noch das bezeichnen, was in diesen Ländern veranstaltet wird?

Keine Regierung wird mit dem Problem so umgehen können, wie sich das ein energischer Unternehmertyp so vorstellt, dass Probleme angegangen werden. Auch nicht, wie sich ein Akademiker sich das im Hinblick auf die Wissenschaftlichkeit und Datentransparenz vorstellt. Dazu sind wir in Europa - und nicht nur hier - einfach nicht mehr in der Lage. So wie wir auch mit 500 Millionen Bürgern kein konkurrenzfähiges Betriebssystem für Computer entwickeln und durchsetzen können, die Aussengrenzen unserer Länder nicht vor illegaler Einwanderung schützen können, wir können nicht mal die Agenten und Agitateure des Imperiums aus unseren eigenen Parteien oder Protestbewegungen raushalten und deren Übernahme verhindern. Was sag ich, wir können ja nicht mal billigen 3-lagigen Mund-Nasen-Schutz produzieren!

Das, lieber Odysseus, ist die Realität, in der wir uns befinden. Wir sind nicht in den 70er oder 80er Jahren. Wir können es nicht, und wenn wir es können wollten, dann müssten wir es erst wieder lernen. Wir sind in der modernen Welt heute dort, wo die Ostdeutschen 1991 waren. Die Zeit ist an uns vorbeigezogen, hat uns überholt als wir mit 100 Fernsehkanälen, Urlauben per Billigfliegern, Auslagerungen kompetenter Tätigkeiten in alle Welt und der Champions League beschäftigt waren. Jetzt stehen wir da mit offenem Mund und staunen, wie uns jedes komplexe Problem gesellschaftlich überwältigt.

Es wird ein langer Winter.

Gruss,
mp


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