"Genau" ist was anderes

Taurec ⌂, München, Dienstag, 02.06.2020, 21:32 (vor 1417 Tagen) @ Tempranillo2645 Views
bearbeitet von Taurec, Dienstag, 02.06.2020, 21:51

Hallo!

Spengler werfe ich vor

- Das Faustische auf eine Weise zu definieren, die mit Goethes Dramatischem Gedicht nicht das Geringste zu tun hat.

Goethe ist allerdings nicht sakrosankt. Spengler darf das Faustische im Rahmen seiner Philosophie getrost so bestimmen, wie es innerhalb dieser Philosophie schlüssig ist.
Im übrigen würde mir eine Gegenüberstellung der entsprechenden Literaturzitate und Deine Interpretation derer entgegekommen, um hier vernünftig ansetzen zu können und ausschließen, daß ein Mißverständnis vorliegt oder inwiefern dieses vorliegt.

- Demokratische Verfassungen als volkstümlich zu bezeichnen, was eine bösartige Lüge darstellt.

"Volkstümlich" in mindestens lockerem Zusammenhange mit Demokratie kommt im Hauptwerk eigentlich nur an drei Stellen vor. Die anderen Werke habe ich nicht durchsucht, aber als Kritiker bist Du natürlich in der Bringschuld an belegenden Zitaten.

Die drei Stellen:

"Die Vollendung seines politischen Taktes beweist dieser kleine Kreis, der keinerlei öffentliches Recht besaß, in der Handhabung der von der Revolution geschaffenen demokratischen Formen, die wie überall das wert waren, was man aus ihnen machte. Gerade was in ihnen gefährlich werden konnte, sobald man daran rührte, das Nebeneinander zweier sich ausschließender Gewalten, ist mit vollkommener Meisterschaft und schweigend so behandelt worden, daß die höhere Erfahrung stets den Ausschlag gab und das Volk stets überzeugt blieb, die Entscheidung selbst und in seinem Sinne herbeigeführt zu haben. Volkstümlich und doch von höchstem geschichtlichen Erfolg, das ist das Geheinmis dieser Politik und die einzige Möglichkeit der Politik überhaupt in allen solchen Zeiten, eine Kunst, in welcher das römische Regiment bis jetzt unerreicht geblieben ist." (S. 1072)

Bezug auf Rom, dessen Form des Regierens Spengler als sowohl "volkstümlich" als auch elitär bezeichnete in dem Sinne, daß das "volkstümliche" Element nicht den Ton angab, sondern lediglich eine scheinbare Gewalt war.

"Aber die Form der regierenden Minderheit entwickelt sich vom Stand über die Partei hinaus unaufhaltsam weiter zur Gefolgschaft von Einzelnen. Das Ende der Demokratie und ihr Übergang zum Cäsarismus äußert sich deshalb darin, daß nicht etwa die Partei des dritten Standes, der Liberalismus verschwindet, sondern die Partei als Form überhaupt. Die Gesinnung, das volkstümliche Ziel, die abstrakten Ideale aller echten Parteipolitik lösen sich auf, und an ihre Stelle tritt die Privatpolitik, der ungehemmte Machtwille weniger Rassemenschen." (S. 1125)

Der Fortgang der Geschichte vom Zeitalter der Geldherrschaft und der Demokratie zum Cäsarismus. Die demokratische Form der Partei, die für die Parteianhänger über Ideologien, Gesinnung und abstrakte Ziele definiert wird, verliert ihre Bedeutung und verschwindet. Als "volkstümlich" versteht Spengler hier, was die Masse mit der Partei und der Demokratie verbindet, das aber, wie wir und auch Spengler wußte, mit dem eigentlichen Sinn der Demokratie nichts zu tun hat.

"Aber es kennzeichnet allerdings den Weg der Demokratie, daß die Urheber volkstümlicher Verfassungen niemals die tatsächliche Wirkung ihrer Entwürfe geahnt haben, weder der Schöpfer der 'servianischen' Verfassung in Rom noch die Nationalversammlung in Paris." (S. 1131)

Im vorgenannten Sinne ist "volkstümlich" hier, was die Ideologen und Demokratiegläubigen als Sinn der Demokratie begreifen, weil sie nicht unter die Oberfläche zu den eigentlichen Verhältnissen vordringen. Die "Urheber volkstümlicher Verfassungen", sind die weltfremden Sophisten, die mit hehren Idealen die Welt neu ordnen wollen und vermeinen, eine Verfassung "vom Volk für das Volk" zu schaffen. In diesem verächtlichen Sinne verwendet Spengler den Begriff "volkstümlich". Es ist, was der Masse schmeichelt. Als gewiefter Manipulator und Lenker der Masse muß man natürlich "volkstümlich" erscheinen und diejenigen lenken, die an die "volkstümlichen Ideale" glauben.

Spenglers Gedanken sind durchaus vielschichtiger, als was Du ihm zum Vorwurf machst, der eher in dem von mir vermuteten Sinne ein grundsätzliches Mißverständnis darstellt. Die Demokratie ist "volkstümlich", was aus Spenglers elitärer Warte aus aber eher negativ erscheint, denn das Volk kann nie aus eigenen Stücken herrschen, stets nur scheinbar, von oben gelenkt.

- Eine 850 Seiten starke Unterwerfungsapologie verfaßt zu haben.

Hier fehlen begründende Zitate, die diesen Vorwurf über ein bloßes Vorurteil hinausheben.

- Mit seinem an keinerlei Bedingung geknüpften Plädoyer zugunsten von Imperialismus und Krieg unseren Todfeinden, Angloamerika, Hochfinanz, Großkapital und Eliten in die Karten zu spielen, für deren Interessen er Deutsche zum Kanonenfutter machen wollte.

Zitate bitte! Das ist dermaßen entstellt, daß ich nicht mal wüßte, nach welchen Schlüsselbegriffen ich in seinem nicht 850, sondern 1195 Seiten zählenden Werk suchen müßte.

- Die sich hyänenhaft zusammenrottenden und gemeinsam über ihr jeweiliges Opfer herfallenden, von Macht- und Geldgier beherrschten Demokraten (Drumont) als *Herrennaturen* bezeichnet zu haben.

Das ist allerdings wahr, wobei Du selbst hier "Herrennaturen" unberechtigertweise und in natürlich nicht von Spengler begriffenem Sinne als sittlich irgendwie hochwertiger zu verstehen scheinst, weswegen Herrannaturen als Hintergrundmächte der Demokratie Dir wohl ein Widerspruch sind.

Spengler:
"Die Demokratie würde in den Köpfen und auf dem Papier geblieben sein, wenn unter ihren Verfechtern nicht echte Herrennaturen gewesen wären, für die das Volk nichts als Objekt und die Ideale nichts als Mittel waren, so wenig sie sich dessen oft bewußt geworden sind." (S. 1130)

"Herrennaturen" sind Machtmenschen, die sich nicht durch Sentimentalitäten und Ideale verblenden lassen, sondern die Natur der Dinge (des Menschen und der Geschichte) begriffen haben, um sie nach ihrem Sinne zu gestalten. Über die moralische Qualität derer Ziele ist dadurch noch nichts gesagt.
Natürlich können wir auch künftig nicht etwa durch Demokratie sondern nur durch andere Herrennaturen "gerettet" werden, die für die ihnen anheimfallende Bevölkerungen andere Ziele hegen als die Demokraten.

Geschichte wird immer durch Machtmenschen gemacht, auch in der Demokratie. Daß Du Spengler dies von Deinem moralisierenden Standpunkte aus vorwirfst, spiegelt Dein entstellendes Mißverstehen seines Werkes wider.

Damit habe ich Euch fünf sehr genau umrissene Angriffsflächen gegeben, die Ihr nutzen hättet können, um mir wenigstens in einem Punkt nachzuweisen, daß ich falsch liege.

Das sind keine "sehr genau umrissenen Angriffsflächen", sondern verzerrte und unbegründete Vorwürfe, die lediglich unter dem Vorwand angeblicher Gedanken Spenglers Deine eigenen Urteile transportieren.

Gruß
Taurec

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„Es lebe unser heiliges Deutschland!“

„Was auch draus werde – steh’ zu deinem Volk! Es ist dein angeborner Platz.“


Weltenwende


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