Der Mensch und sein Zustand
Hallo Morpheus,
der Begriff 'Mängelwesen Mensch' ist von Arnold Gehlen geprägt und beschreibt die evolutionär-biologische Unfähigkeit des Menschen (seinen 'Mangel' im Unterschied zu Tieren), allein durch seine gegebenen Eigenschaften in einer bestimmten Umwelt zu überleben. Er ist ein unfertiges, unvollkommenes Wesen, das (im Gegensatz zu Tieren, denen instinktsicher ihr Überleben in ihrem gegebenen Lebensraum möglich ist) einer 'Zucht, Selbstzucht und Erziehung' bedarf, die sein Überleben sichern. Dadurch ist er gezwungen, sich eine übergeordnete Natur, eine Kultur zu schaffen, die es ihm ermöglicht zu überleben. Und dadurch auch die Möglichkeit schafft, in (fast) allen Lebensräumen (dieser Erde) zu überleben.
Das zur Erklärung des Begriffs 'Mängelwesen Mensch'. Sicherlich unvollständig und nur kurz angerissen, aber für unsere Diskussion hoffentlich einigermaßen tauglich. Der Mensch ist autark nicht lebensfähig, er bedarf seiner eigenen Kulturentwicklung, für diese braucht er aber Anleitung und Führung. Das ist der Hintergrund von Häuptling und Indianer. Und Medizinmann.
Da Du ja selbst geäußert hast, daß Du nicht ein 'Zurück-in-die-Steinzeit'-Szenario möchtest, sondern auf der gegenwärtigen 'Kultur'- (besser:'Zivilisations'-) Stufe bleiben bzw. sogar darüber hinaus möchtest, gehe ich davon aus, daß Du auch an der Verstädterung und der weiteren Entfremdung des Menschen von der Natur zu Gunsten seiner übergeordneten Natur nicht zweifelst.
Und jetzt sind wir bei der 'Unbeschränkbaren Freiheit' und dem, was die Allermeisten darunter verstehen: nämlich sich selbst, ihr Ego und ihre eigenen kleinen Möglichkeiten des 'Kulturschaffens' negativ auszuleben, weil eine tatsächliche, reale, aktive Rückkopplung mit ihren eigenen Handlungen gar nicht mehr statt findet. Die 'Zucht, Selbstzucht und Erziehung' wurde aktiv deaktiviert; was übrig bleibt, ist ein atomisiertes und egoistisches Einzelmenschlein, das jegliche Verantwortung scheut. Die Anpassungsregulierung durch Werte, Traditionen, Sitten und Bräuche wurde systematisch abgeschafft. Deshalb kann ich Deine Hoffnung auf die Konsensfreunde nicht teilen.
Du sprichst von Konsens, aber eigentlich meinst Du das Ideal von Max Stirner: Der Einzige und Sein Eigentum. Das mag ich auch gern, aber leider funktioniert das nicht in Gemeinschaft. (Und eigentlich war das damals nur Stirners Antwort auf die aufkommende Unart des Kommunismus, muß auch mal gesagt sein). Und alles andere, was der (theoretische) Anarchismus geboren hat, hat nie den Praxistest erfahren. Vom praktischen Anarchismus ist das Beste, das mir bekannt ist, die CNT/FAI in Katalonien 1936/37. Aber auch das ging (wenn auch teilweise aufgrund äußerer Umstände) in die Hosen.
Ich bin Agnostiker, deshalb möchte ich keiner 'göttlichen' Ordnung das Wort reden. Aber in meiner Vorstellung einer gerechten Welt hat Alles und Jeder seinen Platz. Und ich beziehe da durchaus mit ein, daß manche aufgrund von o.a. keinen Platz in der Entscheidungsfindung haben können (aber durchaus in einem angemessenen Leben). Ich bin kein Befürworter der Mehrheitsfindung. Da sind mir Schillers Worte näher: Zähle nicht, sondern wäge.
Da ich aber nur für mich selbst spreche, ist das nicht von großer Relevanz.
Du hingegen, der da aufstachelt
" />, solltest Dir doch noch ein paar Gedanken zur menschlichen Grundverfaßtheit machen, meine ich.
Gruß
Bergamr
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Ehrlich schade für die Heimat! Endgültig verloren seit Sommer 2015 ...