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Silke, Freitag, 02.11.2018, 03:42 (vor 1974 Tagen) @ helmut-16378 Views

Lieber helmut-1,

„Woher kommt der Hammer und woher die Schmiedekunst um sein eigenes
Glück überhaupt schmieden zu können...
...Potentialverleihung von außen.“

Nun ja, man muss sich vor Augen halten, dass es immer drei Sorten von
Leuten geben wird:

- Den Amboß, der allem standhält, was von oben kommt
- Das Werkstück, das geschmiedet (gebogen) wird (und sich letztlich
biegen lässt, wenn es nicht dabei bricht)
- Den Hammer, der mit Wucht draufhaut

Schau Dich um, und Du wirst jeden Tag in Deinem Umfeld jemanden finden,
den Du nach diesem Muster einsortieren kannst.

Die Leute werden durch ihr knallhartes Umfeld geschmiedet, ausgerichtet und standardisiert wie das arme Werkstück.

Das mit der Potentialverleihung von außen stimmt nur zur Hälfte. Klar
muss der herabsausende Hammer dieses Potential haben. Es kommt aber auch
das genetische Potential dazu, das der Amboß in sich hat. Denn hätte der
kein Potential, sondern wäre aus Weichholz, dann könnte der beste Hammer
nichts schmieden.

Das Bild bringt imho. nicht so gut weiter.

Mein Prof. erzählte mir immer: „1/3 Gene, 1/3 Sozialisation, 1/3
aktuelles soziales Umfeld“.

Ansichtssache. Das zweite und dritte Drittel ist oftmals kongruent,
zumindest überschneidet es sich mehrfach. Deshalb teile ich das anders
ein: 50% Genetik, 50% Umwelt. Mit allen Tieren, mit denen ich es zu tun
hatte, und insbesonders der Pflanzenwelt, hat sich diese Erkenntnis bei mir
geprägt.

Bei in Sippen lebenden Tieren sind die Sozialkontakte das wichtigste und nicht die Gene. Leute mit Trisomie 21 schaffen heute sogar Abitur und Studium weil es ihnen im Gegensatz zu früher zugetraut wird.

Der Ohnmächtige ist und bleibt ohne entsprechende Potentialverleihung
erst einmal ohnmächtig, egal wieviel er agiert.
Ich muss lernen, probieren und mich auseinandersetzen wenn ich etwas
erreichen will.

Diese beiden Sätze sind gegensätzlich. Nur den zweiten Satz
unterschreibe ich, weil diese Einstellung dazu führt, mein persönliches
Potential aufzudecken/zu erkennen, um es letztlich zu fördern.

Ich kann nur lernen, probieren und mich auseinandersetzen, wenn mir dafür Potenzial verliehen wird.
Kasper Hauser wurde erst Potential verliehen, dann geraubt und dann wieder verliehen.

Der Ohnmächtige bleibt solange ohnmächtig, solange er sich passiv
verhält und sich lieber mit Computerspielen beschäftigt, als kritische
Infos im Net anzuklicken.

Ich würde fragen, warum er Computer spielen muss und ihm ein besseres Angebot machen, wenn ich die Kapazitäten dafür hätte.
Das wird von der Fachwelt für interessierte Leute in epischer Breite in den letzten Jahrzehnten dargelegt.
Bekommt ein Jugendlicher ein interessanteres Angebot als daddeln, dann nimmt er das wahr. Wer bietet ihm das in unserer Wohlstandsverwahrlosung?
Erwachsene, die verstanden haben, dass den verletzlichen und verunsicherten Jugendlichen gute Angebote gemacht werden müssen von den sich weise wähnenden Erwachseneren oder von reiferen Gleichaltrigen.

Ein Beispiel aus meinem Umfeld:
Da kannte ich eine Frau, die war total übergewichtig, - denke, da hat bis
zu den 200 kg nicht mehr viel gefehlt. Ich dachte mir, wofür ist denn die
gut,

Du merkst schon, dass du wieder einmal abwertest und Menschen als Objekte behandelst (hast du übrigens eine Idee warum allein in diesem Faden drei Frauen?).

die braucht doch einen Transportroller (Möbeltransport), wenn sie zum
Einkaufen geht.

Was für ein Spruch...

Irgendwann bin ich bei dieser Familie in der Wohnung
gewesen. Da bemerkte ich eine ganze Reihe von Kunstgegenständen,
gewissermaßen Kleinkunst in Handarbeit aus den verschiedensten
Werkstoffen. Neugierig fragte ich, von wo man sowas kaufen kann. Von mir,
sagte die Frau, das habe ich gemacht.

Ich war platt, ehrlich gesagt. Da hockt die gute Frau auf ihrem
gewichtsresistenten Doppelstuhl und fabriziert mit ihren Wurstfingern
Dinge, wo mir die Augen vor Bewunderung rausgefallen sind. Wieder dachte
ich an den einfachen Bauern aus Siebenbürgen, der mir immer gesagt hat,
dass jeder für etwas gut ist.

Wie wäre es, wenn du einen Menschen zuerst wertschätzt, weil er ein Mensch ist und dann seine Leistung bewunderst oder kritisierst und möglichst überhaupt nicht abwertest?

Menschen geben sich meist aus Selbstschutz der Überzeugung hin, sie
machen alles richtig und besser als andere Menschen weil sie besser als
andere Menschen sind.
Ein souveräner Mensch braucht das nicht.

Mag sein. Den Wink mit dem Zaunpfahl habe ich schon verstanden. Obwohl ich
versuche, das zu vermeiden, muss ich dabei zwangsläufig meine eigene
Wenigkeit betrachten.

Das passiert mir auch, wenn ich in Not gerate.
Wenn ich angegriffen werde und meine Verteidigung und meine eigene Wertschätzung versagt gehe ich in die Abwertung des Gegenüber um mich zu schützen. Das schwankt nach Umständen und Befindlichkeit.

Ich weiß, das ich nicht alles richtig mache und auch so manches in der
Vergangenheit verbockt habe. Der Unterschied: ich gebe dafür nicht anderen
, - oder der „Gesellschaft“ - die Schuld, sondern suche die Schuld bei
mir. Und oft werde ich auch fündig. Denke, dass ich das auch in meiner
Betrachtung unter Beweis gestellt habe:

https://www.gegenfrage.com/wir-haben-versagt/

Wer ohne Schuld ist werfe den ersten Stein. Ich werfe keinen Stein gegen dich.
Wenn ich meine Texte aus früherer unglücklicher Zeit lese werde ich ganz still.

Jetzt zur unterschiedlichen Bewertung: Ich (für meine Person) kann mir
erlauben, Fehler und Fehlentscheidungen zuzugeben, weil ich weiß, welche
bleibenden Meilensteine ich auf meinem Lebensweg gesetzt habe.

Unbedingt.

Einfacher
gesagt, - nur derjenige, der weiß, dass er was kann, kann sich erlauben,
Fehler zuzugeben.

Jeder kann Fehler zugeben. Menschen sind fehlerbehaftete Wesen.

Derjenige, der sich unsicher ist, was er drauf hat, wird
immer versuchen, seine Fehler zu verbergen oder bei anderen zu suchen.

Dann muss er erst einmal gestärkt werden in der Überzeugung, dass er etwas drauf hat. Dadurch kann er auch gemachte Fehler eher einräumen und man muss nicht sinnlos herumzanken.

Für mich hat der Spruch eine gültige Bedeutung: Wer arbeitet, macht
Fehler. Wer viel arbeitet, kann auch viele Fehler machen. Wer nicht
arbeitet, macht keine Fehler.

Ja. Lieber etwas nicht ganz so gut machen als es garnicht zu machen, wenn es gemacht werden muss.

Durch Entwertung anderer kann ich mich aufwerten wenn ich ein
Selbstwertproblem habe.
Das ist in einer aus debitistischen Zwängen heraus die Menschen zunehmend
überfordernden Leistungsgesellschaft immer weiter verbreitet.

Mag ja zutreffen, aber wenn ich das konsequent ablehne, Kritik an
irgendetwas zu üben und alles als von Gott gegeben hinzunehmen, dann
befinde ich mich in der Ideologie der Waldorfschulen und werde niemals
erreichen, dass sich etwas nach vorne bewegt.

Eins von meinen Enkeln geht in den Waldorfkindergarten und ich hoffe sehr, dass es mit der Waldorfschule auch klappt. Der Vater ist Lehrer in einer Gesamtschule und wird dort vor allem von den Kindern sehr geschätzt.
Den Rest an Potential bekommen die Enkel von uns und von allen, die wir mit einbinden, so wie die Eltern von Andre Stern oder die Freilerner nur mit dem Unterschied dass wir auch verschiedene und mehrsprachige Kindergruppen pflegen.

Nur fundierte (und nicht
beleidigende) Kritik – egal ob es Sachen oder Personen sind - kann einen
Fortschritt resp. einen Kurswechsel bewirken.

Ich sehe meine Möglichkeiten zum Kurswechsel in meiner Wohnung und meinem Wohnort. Die Zeit des umfangreicheren Engagements und der Weltverbesserungsversuche ist vorbei.

Will ich meinen Machtstatus ändern brauche ich zusätzliche
Potentialverleihung von außen.

Das sehe ich ganz anders. Ich muss mein Potential erkennen, aufdecken,
verfügbar machen und dann entscheiden, ob ich das Zeug dazu habe (manche
nennen das auch Courage), das umzusetzen.

Ich setze mein Potenzial ein und habe dadurch einen gewissen Machtstatus.
Will ich diesen ändern muss ich mich nach Machtzession umschauen - netzwerken.

Nehmen wir mal die Gegenden in der Moldau, die ich besucht habe. Potential
genügend vorhanden. Fruchtbarer Boden, gesunde und kräftige Leute,
brauchbare klimatische Verhältnisse, etc. Was machen die Leute auf dem
Dorf: Sitzen am Nachmittag in der Sonne, statt irgendwas neben den
armseligen 5 Krautköpfen und 10 Zwiebelpflanzen in ihrem Garten
anzubauen.

Ok.

Arm? Keine Potentialverleihung von außen? Nein, - sie antworten mir mit
der Gegenfrage: Wofür brauche ich das? Es ist eine Form der Genügsamkeit,
die wir schon lange nicht mehr kennen.

Ich weiß, was du meinst. Genügsamkeit gefällt mir sehr gut.

Der braucht kein Radio, keinen TV,
erst recht keinen PC, und ist glücklich mit seiner Ziege, die im
Wohn/Schlafzimmer in der Ecke auf dem Stroh liegt.

Warum auch nicht...Wer seine Urschuld minimieren kann muss sie weniger bedienen. Der Porschefahrer muss halt wie verrückt rödeln um damit fahren zu können.

Aber er leidet auch
nicht unter der hohen Stromrechnung, weil er sowieso, wenns dunkel wird,
ins Bett geht und für Notfälle eine Kerze hat.

Das halte ich für eine gesündere Einstellung zum Leben, als einen Hightech-Dauerrausch.

Liebe Grüße
Silke


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