Von den freundlichen Nomaden und den lieben Landwirten

Miesepeter, Donnerstag, 06.05.2021, 11:41 (vor 1086 Tagen) @ Beo22242 Views
bearbeitet von Miesepeter, Donnerstag, 06.05.2021, 11:47

_ 0) Jagen und Sammeln; Nomadentum;
_ 1) Seßhaftwerdung; Übergang zur Landwirtschaft (Ackerbau, Viehhaltung) und Vorratshaltung;
_ 2) Arbeitsteilung zwischen Jagen, Sammeln, Landwirtschaft, Handwerk (auch Befestigunsgbau) und Heilkunde (Schamanismus); Entstehung von Schenkungswirtschaft;
_ 3) partielle ÜBERPRODUKTION von Nahrungsmitteln sowie von handwerklichen Erzeugnissen; TAUSCHHANDEL mit benachbarten Stämmen; Entstehung von Tauschwirtschaft;
_ 4) Entwicklung von Schifffahrt sowie von Fernhandel (= Tauschhandel); allmähliche Etablierung von sog. "Naturalgeld" (Edelmetalle, Salz, Weizen u.a.m. = alles Handelsgut);
_ 5) Bildung der ersten STADTSTAATEN (Priester-/Königreichen); Erfindung der Sklaverei (durch kriegerische Stämme) sowie von erzwungenen Steuer- & Tributabgaben (in Naturalien), von Buchhaltung sowie von Kredit; Entstehung von Berufshändlertum;

Wo sich Seßhaftigkeit, Landwirtschaft und Vorratshaltung ausbilden, entsteht gleichzeitig Eigentum und die Notwendigkeit, dieses Eigentum zu verteidigen.

Selbst heutzutage, nach 10.000 Jahren Kulturgeschichte, gibt es noch immer Konflikte zwischen nomadisierenden Kulturen und sesshaften Kulturen um das von den sesshaften Kulturen erwirtschaftete Produkt. Es ist also nicht davon auszugehen, dass während der neolithischen Revolutionsphase plötzlich auf einen Schlag alle Nomaden sesshaft wurden. Diejenigen, die Landwirtschaft betrieben, mussten folglich lernen, ihr Produkt zu verteidigen, gegen Nomaden, die auch gerne ernten wollten, was die Sesshaften gesät haben.

Mit der Sesshaftwerdung einher geht also der Zwang zum Aufbau einer Verteidigungswirtschaft. Waffen müssen hergestellt werden, Kämpfer müssen ausgebildet werden, schnell werden sich entsprechende Spezialiserungen herausbilden. Diese Dinge müssen unterhalten ("finanziert") werden, schon ist die erste "Steuer" entstanden. Kommt noch Befestigungsbau hinzu, benötigt es bereits tiefgehende Spezialisierung, und selbstverständlich ein Zwang an alle Mitglieder des sesshaften Clans, zum Unterhalt dieser Strukturen beizutragen. Dies geschieht zwangsläufig bereits in Phase 1, nicht erst in Phase 5.

Ebenso wird es sich mit der Sklaverei verhalten. Wenn ein Nomadenstamm die Produkte eines sesshaften Stamms aberntet und sich nicht durch gutes Zureden vertreiben lässt, wird es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommen. Dabei werden entweder:

1) Die Nomaden in ausreichender Anzahl getötet, um diese zu vertreiben oder
2) Die Nomaden ausgerottet (evtl bis auf die Frauen, welche dann versklavt werden)
3) Die Sesshaften ausgerottet
4) Die Sesshaften am Leben gelassen, unter der Bedingung, dass sie ihr Produkt teilen (vulgo: "Tribut")

Es gibt nicht den geringsten Grund anzunehmen, dass in einer Zeit, in der es zu Beginn unzweifelhaft mehr Nomaden als Sesshafte gegeben haben muss (Übergang Phase 0 zu Phase 1), in allen Konflikten es immer zu einem Sieg der Sesshaften kam, und diese dann auch noch davon absahen, zb Frauen als Beute zu übernehmen (was zb bei den weitgehend nomadischen Ureinwohnern des amerikanischen Kontinents noch im 19. Jh absolut Usus war).

Auch die Tatsache, dass die Sesshaften zu immer gewaltigeren Anstrengungen zur Verteidigung des usurpierten Eigentums gezwungen waren ("Befestigungsbau") lässt darauf schliessen, dass sie keineswegs in jedem Konflikt als Sieger vom Schlachtfeld gingen, und auch für eine "Schenkungswirtschaft" braucht man nicht wirklich Befestigungsanlagen. Hätte man stattdessen nicht besser das Produkt an die Nomaden verschenkt und sich an ihrem Lachen erfreut, zumal man ja doch "partielle Überproduktion" zu verschenken hatte?[[lach]]

Gruss,
mp


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