COVID Update (2): Aktuelle Beobachtungen, Schlussfolgerungen, offene Fragen

Diego2, Freitag, 03.04.2020, 16:47 (vor 1455 Tagen)8785 Views

Hier meine persönlichen Beobachtungen der letzten Woche, zudem Wiedergabe von Gesprächen mit Kollegen und von online verfügbaren Quellen. Alle Beobachtungen und Schlussfolgerungen sind selbstverständlich persönlich, frei nach Oblomow... kann ich mich auch irren. Der Text wurde mit Siri diktiert, Fehler bitte ich zu entschuldigen.

Meiner Meinung klärt sich jetzt das Bild, selbst die mangelhaften die Zahlen lassen sich besser interpretieren.
Erkenntnis ist ein dynamischer Prozess und kann sich unter Einbezug neuer Informationen und Zahlen modifizieren.

1. Krankheitsbild
Bilaterale interstitielle Lungenentzündung (die natürlich nicht alle positiv getesteten entwicklen.)
Mittlerweile habe ich von mehreren Kollegen gehört, dass das Hauptproblem bei der Beatmung sei, dass die Patienten viel länger als üblich an den Maschinen liegen. Normalerweise ist eine Beatmung oft eine zeitlich auf einige Tage oder eine Woche begrenzte Maßnahme. Das Problem ist also nicht, dass zu viele Patienten beatmungspflichtig werden, sondern dass diejenigen, die es sind, für zwei oder drei Wochen die Plätze belegen und für anderen Patienten blockieren. Damit muss man jetzt alle anderen Daten und Zahlen ganz anders interpretieren.

2. Aktuelle Lage im Großraum Basel
Hintergrund Information circa 450.000 Einwohner, täglich 40.000 Grenzgänger aus F und D, die hier arbeiten.

COVID Referenzspital Baselland:
Hier hat man sicherlich im Gesundheitswesen sehr großzügige Maßnahmen in der Deutschschweiz angekündigt, Referenzspital, wo bist zu 300 Betten und 60 Beatmungsplätze etabliert werden sollten.
Man hat jetzt intern festgestellt (aber nicht öffentlich gemacht), dass man für mehr als 20 beatmete Patienten kaum genug ausgebildetes Personal für den Schichtdienst hat. Außerdem hat sich herausgestellt, dass die für die Beatmungen notwendigen Narkose Medikamente limitiert sind, um eine größere Anzahl zu beatmen. Schon bei der aktuellen Auslastung dürften diese in absehbarer Zeit nicht mehr ausreichen und auf andere Medikamente umgestellt werden. Auf der Normalstation sind etwa dreiviertel der Patienten positiv, die übrigen in Abklärung. Die meisten Patienten haben Atemwegsprobleme, es gibt aber auch einen Teil (etwa 15%), Die zwar positiv sind, aber in erster Linie andere Probleme (Herzerkrankung, Demenz) haben, in einen Krankenhausaufenthalt notwendig machen beziehungsweise im Vordergrund stehen (Also eher mit Covid als an Covid erkrankt).

Freitag vor zwei Wochen: 15 positive Patienten auf Normalstation und sechs Beatmete.
Freitag letzte Woche: 58 auf Normalstation. 8 Beatmete.
Heute morgen: 64 auf Normalstation. Zusätzlich 18 auf der ips beatmet.

Baselstadt
Freitag vor 2 Wochen:
Total ca 40 Personen stationär. Insgesamt 6 Personen benötigen Intensivpflege.
Freitag vor einer Woche:
Total sind dies 74 Personen stationär. Insgesamt 8 Personen benötigen Intensivpflege.
Montag:
Total sind dies 79 Personen. Insgesamt 12 Personen benötigen Intensivpflege.
Dienstag:
Total sind dies 105 Personen. Insgesamt 15 Personen benötigen Intensivpflege.
Freitag:
115 Personen. Insgesamt 17 Personen benötigen Intensivpflege.

4. Tessin und Schweiz
Hintergrund etwa 350.000 Einwohner, circa 80.000 Grenzgänger aus Italien,

https://www.corona-data.ch
Seit knapp 5 Tagen rückläufige Zahlen für (Covid) Hospitalisationen.

Jetzt erstmals statistisch nachweisbare Übersterblichkeit von über 65-jährigen in der Schweiz. «Anhand der wöchentlichen Todesfallzahlen können Perioden mit Übersterblichkeit erkannt werden. In Woche 12, bis und mit 22. März, liegt die Zahl der Todesfälle in der Schweiz etwas über der normalen Zahl, Ausdruck der gegenwärtigen Pandemie.
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/sterblic...


6. Oberelsass
Hintergrund circa 750.000 Einwohner, zwei Große Krankenhäuser in Mulhouse und Colmar.

Montag:
Schon 135 Beatmungspflichtige aus dem Oberelsass «exportiert»
https://www.lalsace.fr/sante/2020/03/30/carte-ou-les-patients-alsaciens-atteints-du-cov...

Dienstag:
In den ersten beiden März Wochen statistisch nachweisbare Übersterblichkeit von 38%, in der dritten Märzwoche von 73%.
https://www.insee.fr/fr/information/undefined/fr/information/4470857#tableau-figure1_ra...

Donnerstag
In den letzten 4 Tagen rückläufige Zahl der (Covid) Notaufnahmen.
https://www.lalsace.fr/edition-mulhouse-thann/2020/04/02/accalmie-depuis-quatre-jours-a...

7. Paris:

Dienstag:
Paris sind alle 870 Beatmungsbetten voll, 38 sollen «exportiert» werden
16h37 : 38 malades vont être transférés hors d'Île-de-France
L'Assistance publique-Hôpitaux de Paris (AP-HP) a indiqué ce mardi que 38 malades seraient transférés en TGV dès demain.
Le directeur général de l’AP-HP, Martin Hirsch, n’a pas souhaité préciser la destination de ce convoi, mais a souligné qu’avec 870 malades du Covid-19 en réanimation, «le nombre de patients tangente le nombre de lits disponibles» dans le centre hospitalier universitaire francilien.
https://www.dna.fr/france-monde/2020/03/31/coronavirus-macron-attendu-dans-une-usine-de...

8. Auffälligkeiten und Entwicklungen in der letzten Woche anhand der offiziellen Zahlen

Die öffentlich verfügbaren Zahlen sind meines Erachtens nur mit großen Problemen zu interpretieren.
A. Die Gesamtzahl der infizierten ist praktisch am wenigsten zu verwerten, da man die Dunkelziffer der nicht getesteten nicht kennt, die Auswahl der getesteten nicht kennt und die Anzahl der wirklich erkrankten unter dem positiv getesteten nicht separat aufgeführt wird.
B. Die Gesamtzahl der im Krankenhaus aufgenommen in positiv getesteten wird nicht von allen Ländern beziehungsweise Kantonen publiziert, gibt allerdings ein Anhalt für die Belastung des Gesundheitswesens. (Problematisch bleibt allerdings, dass auch hier nicht unterschieden wird zwischen an Corona erkrankten und Corona positiven mit anderen Erkrankung).
C. die Anzahl der beatmeten Patienten gibt auch einen guten Anhalt, vielleicht sogar den besten Anhalt über die wirkliche Belastung des Gesundheitswesens. Allerdings werden diese Zahlen nicht systematisch erfasst.
D. Anzahl der Toten, Wird systematisch publiziert. Hier gelten allerdings die gleichen Einschränkungen wie bei A & B.
E. Die Übersterblichkeit gibt wahrscheinlich am besten Auskunft über die wirkliche Gefährlichkeit und Bedrohungslage durch das Virus.

Zunächst einmal müssen wir die jetzt erstmals statistisch nachweisbare Übersterblichkeit im Elsass, in der Schweiz der über 65-jährigen und in Spanien und Italien zur Kenntnis nehmen.
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/gesundheitszustand/sterblic...
https://www.insee.fr/fr/information/undefined/fr/information/4470857#tableau-figure1_ra...
https://www.euromomo.eu

Auch wenn die offiziellen Daten und Todesdaten mit Vorsicht zu genießen sind, fällt in Italien, Österreich und der Schweiz auf, dass die maximale Anzahl der neuen Fehler etwa zwischen 20. und 22. März aufgetreten sind, danach fallen die Zahlen. In diesen drei Ländern fallen auch etwa ab dem 27-29. März die offiziellen Todesraten.
https://www.worldometers.info/coronavirus/

Gleichzeitig sieht man (soweit erkennbar) einen Rückgang der neu notwendigen stationären Aufnahmen im Tessin seit etwa 5-6 Tagen (https://www.corona-data.ch), dasselbe wird aus Mulhouse im Oberelsass berichtet. https://www.lalsace.fr/edition-mulhouse-thann/2020/04/02/accalmie-depuis-quatre-jours-a...
Todeszahlen hinken wahrscheinlich 1 Woche und Beatmungszahlen wahrscheinlich zwei Wochen hinterher.

9. Ich habe lange über die Basler Anomalie nachgedacht. Warum tritt die Erkrankung extrem gehäuft in einer Region (dörliches Elsass) auf, in benachbarten Regionen (städtisches Basel) wesentlich weniger stark. Die plausibelste Erklärung kann eigentlich meines Erachtens nur darin bestehen, dass die Ausbreitung im öffentlichen Raum nicht so gefährlich ist, wie bislang vermutet oder postuliert. Es gibt Virologen, die meinen, dass die überwiegende Anzahl der Infektionen im häuslichen Rahmen stattfindet (Ausnahme längere engere Kontakte im Fußballstadion, Techno Party, Après Ski Party, Karneval, Öffentlicher Verkehr?). Hierbei beachtlich ist, dass die durchschnittliche Haushaltsgröße in Frankreich und im Elsass bei etwa 2,2-2,3 Personen liegt. Viele ältere Menschen leben wie in Italien noch mit ihrer jüngeren Familie (oft in Einfamilienhäusern) zusammen. Die durchschnittliche Haushaltsgröße in Basel-Stadt liegt bei etwa 1,8 Personen, es gibt viele Einpersonenhaushalte. Und dazu würde die weitere Anomalie in Heinsberg passen. Obwohl die beiden zuerst berichteten Personen sehr aktiv im Karnevalsverein und im Kindergarten tätig waren, zeigt sich bislang keine massive Ausbreitung in NRW. Passend dazu wären auch die grössere Personenanzahl in Italien und Spanien (durchschnittlich 2,5 Personen pro Haushalt) und die dort wesentlich grössere Durchmischung der Generationen. Ich habe keine Statistiken gefunden, wie viele Menschen in Europa in Altersheimen, in der Grossfamilie oder allein leben.

Vorläufige Schlussfolgerungen (Irrtum vorbehalten):

A. Europaweite Häufung einer COVID positiven bilateralen interstitiellen Pneumonie.
B. Katastrophale Zustände in Norditalien, Spanien und Elsass mit einhergehenden Übersterblichkeit, was eine Überlastung und des Gesundheitswesens und eine nicht zu ignorierende Mortalität anzeigt.
C. Die Explosion testpositiver «Fälle» geht nicht (überall) und auch. nicht im zeitlichen Verzug mit der prognostizierten Explosion von stationären Aufnahmen, Beatmungen, und «offiziellen» Todesfällen einher. Dei testpositiven Zahlen haben allein keinen Aussagewert. Trotz vermehrter Testung sind aber selbst die mangelhaften Zahlen seit einer Woche zT. Rückläufig (Tessin, Elsass).
E. Die prognostizierte europaweite Katastrophe wird ausbleiben, wenn sich der Trend dieser Woche bestätigt. (Man sollte aber bitte trotzdem die Lage in den unter B genannten Orten nicht verharmlosen, die Nachrichten nicht als Fake-News abtun, auch insbesondere in Paris dürfte es noch ungemütlich werden können. Eine echte Entspannung erwarte ich auch nicht schnell im Elsass.)
F. Die ökonomischen und politischen Folgen dürften zumindest in DACH eine grössere Herausforderungen und Belastung als die gesundheitlichen sein sein, wenn sich der Trend dieser Woche bestätigt.
G. Sollte die These zur Haushaltsgrösse und vornehmliche Ansteckungen im engen Familienkreis korrekt sein, sind die kompletten Ausgangsbeschränkungen als übertrieben zu betrachten sein. Längerer engerer Kontakt sollte dennoch zu vermeiden sein.

Gruss diego


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