Wie viel ist persönliche Empirik im Vergleich zu fundierter Statistik wert?

Miesepeter, Donnerstag, 13.08.2020, 14:07 (vor 1352 Tagen) @ bolte3901 Views
bearbeitet von Miesepeter, Donnerstag, 13.08.2020, 14:59

Hi,

also ich habe in meinem erweiterten Umfeld 5 erkrankte Personen:

1. Freund eines Freundes, ca. 50, Ausgang: Intensivstation, verstorben
2. Ehepaar 5 Häuser entfernt, ca. 70, Ausgang: beide Krankenhaus, er beatmet auf Intensivstation, überlebt, Spätfolgen
3. Angestellte im Betrieb, ca.50, Syptomatisch, in Quarantäne, Ehemann auch erkrankt

Im Vergleich kenne ich niemanden, nicht nur über die letzten 12 Monate, sondern über die letzten 40 Jahre, welcher wg Grippe gestorben oder auch nur im Krankenhaus behandelt worden wäre.

Welche Aussagekraft aber hat das? Die Gruppe meines erweiterten Umfelds ist zu klein, um statistisch ernsthaft relevant zu sein. Das dürfte bei den meisten anderen Menschen nicht anders sein.

Das Tönnies-Experiment, ebenso wie das Diamond Princess-Experiment vorher, sind da schon relevanter, die Kohorten sind gross genug und klar definiert. Noch besser aufgearbeitet allerdings ist eine dänische Studie, die eine Kohorte von ca 9500 Infizierten über den Krankheitslauf verfolgt und klassifiziert.

Diese kommt zu folgendem Schluss:

We identified 9,519 SARS-CoV-2 PCR-positive cases of whom 78% were community-managed, 22%
were hospitalized (3.2% at an intensive care unit) and 5.5% had died within 30 days. Median age varied
from 45 years (interquartile range (IQR) 31-57) among community-managed cases to 82 years (IQR 75-
89) among those who died. Age was a strong predictor of fatal disease (odds ratio (OR) 14 for 70-79-
year old, OR 26 for 80-89-year old, and OR 82 for cases older than 90 years, when compared to 50-59-
year old and adjusted for sex and number of comorbidities). Similarly, the number of comorbidities was
strongly associated with fatal disease (OR 5.2, for cases with ≥4 comorbidities versus no
comorbidities), and 82% of fatal cases had at least 2 comorbidities. A wide range of major chronic
diseases were associated with hospitalization with ORs ranging from 1.3-1.4 (e.g. stroke, ischemic heart
disease) to 2.2-2.7 (e.g. heart failure, hospital-diagnosed kidney disease, chronic liver disease). Similarly,
chronic diseases were associated with mortality with ORs ranging from 1.2-1.3 (e.g. ischemic heart
disease, hypertension) to 2.4-2.7 (e.g. major psychiatric disorder, organ transplantation). In the absence
of comorbidities, mortality was relatively low (5% or less) in persons aged up to 80 years.

Die Studie, die eine gute Beschreibung des verallgemeinert beobachtbaren Krankheitsverlaufs mit diagnostiziertem Virus liefert, wäre aber auch erst dann wirklich aufschlussreich, wenn sie der beschriebenen Kohorte über den gleichen Zeitraum ebenfalls eine Kontrollkohorte und deren Hospitalisierungs- und Todesraten gegenüberstellen würde, mit Personen, bei denen kein Virus nachgewiesen wurde.

Es ist allerdings auch nicht davon auszugehen, dass eine solche Statistik ebenfalls eine ähnliche Höhe der Todesfälle für alte Patienten mit Vorerkrankungen zeigen würde (zb: 50% aller über 90-ig Jährigen versterben über den Beobachtungszeitraum von 1 Monat).

Andererseits ist der Median der Verstorbenen mit 82 Jahren höher als die durchschnittliche Lebenserwartung in Dänemark.


Diese Daten und Beobachtungen kann man nun sicher unterschiedlich werten, insbesondere im Hinblick auf die Frage, welche epidemiologischen Massnahmen und Einschränkungen gerechtfertigt sind, um diese Infektion einzudämmen. Ich vermute auch, dass dies im Schnitt von 30-Jährigen anders bewertet wird als von 80-Jährigen.


Gruss,
mp


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