Von Armut weit und breit nichts zu sehen

Otto Lidenbrock, Nordseeküste, Dienstag, 12.12.2023, 11:57 (vor 139 Tagen) @ Joe684884 Views

Von Armut kann aber überhaupt keine Rede sein, partiell sicherlich, aber in der breiten Masse kaum. Ich lebe in einer Gegend, wo es kaum Industrie gibt und auch keine sonstigen großen Arbeitgeber. Die Wirtschaft hier wird dominiert von Import- und Exportgeschäft in den Häfen, vom Umschlag von Containern und Fahrzeugen.

In den vergangenen Jahrzehnten "brummte" dort das Geschäft, die Umschlagszahlen stiegen Jahr für Jahr und mit ihnen auch die Zahl der Arbeitsplätze. Im Hafen wird gut bezahlt, wer da seine Schichten fährt, verdient für hiesige Verhältnisse richtig gutes Geld und benötigt dafür noch nicht einmal herausragende Qualifikationen. Selbst die vergangenen drei Jahre haben dieses Bild nicht nachhaltig eintrüben können.

Was hier in meiner Umgebung in den letzten zehn, fünfzehn Jahren an Wohnbebauung aus dem Boden gewachsen ist, lässt mich immer wieder mit offenem Mund dastehen. Es sind Wohnsiedlungen in einer Pracht entstanden, wie ich sie mir in meiner Jugend nicht mal hätte erträumen können. So gut wie jedes Einfamilienhaus sieht aus wie ein Modell aus "Schöner Wohnen": Groß, fast protzig, teilweise mit Säulen vor dem Eingang, glänzende Dachziegel, teurer Klinker, hübsch vom Profi gepflasterte Einfahrten und angelegte Gärten, schmiedeeiserne Zäune. Dabei beschreibe ich hier nicht irgendwelche besonderen Einzelstücke, sondern quasi die "Norm", unterhalb dessen gibt's kaum was zu sehen, und wir reden hier von Hunderten auf diesem Niveau!

Und ich übertreibe nicht. Wenn ich mir das kümmerliche Häuschen, das sich meine Eltern vom Munde abgespart haben, dagegen anschaue, verstehe ich mittlerweile die Welt nicht mehr.

Von Armut kann ich beim besten Willen nichts erkennen, das ist auch der Grund, warum die Bevölkerung dem, was gerade in Deutschland passiert, so gleichgültig gegenüber steht.

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"Eine Gesellschaft befindet sich im vorübergehenden oder finalen Verfall, wenn der gewöhnliche, gesunde Menschenverstand ungewöhnlich wird."

William Keith Chesterton


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