Ok, lass uns das jetzt nochmal sortieren.

Naclador, Göttingen, Mittwoch, 25.09.2019, 15:27 (vor 1672 Tagen) @ nereus2399 Views

Hallo nereus,

Hallo Naclador!

Du schreibst: 1. braucht das Kind nicht "moralischen Input", sondern
Wärme, Nähe und Nahrung, es benötigt Hilfe bei der Urschuldbedienung,
weil es noch nicht für sich selbst sorgen kann. Es benötigt
Vorfinanzierung.

Ja und, was begründet diese Vorleistung?
Die Überzeugung der Mutter (Eltern) daß dieses Kind überleben soll.
Warum läßt sie es nicht einfach sterben?
Weil vermutlich dann ihr Gewissen heftig klopfen könnte.

Klar soweit, aber wir sprachen von der Schuld des Kindes, nicht von der Schuld der Eltern. Der Wunsch nach dem Überleben der eigenen Nachkommen gehört natürlich zur Urschuld der Eltern, jedenfalls, wenn sie "normal" veranlagt sind. Du kannst hier also argumentieren, dass den Eltern durch Moral eine Urschuld entsteht. Die Eltern haben aber auch ohne Moral eine Urschuld zu bedienen.

2. Und warum wäre es sonst tot? Weil es seine Urschuld nicht bedienen
kann.

Na prima.
Wer hätte das gedacht? [[zwinker]]

Das Problem ist hier wiederum nicht, dass man mit dem Begriff nicht
umgehen könnte, sondern dass er zu solchen Missverständnissen führt, wie
Du sie hier gerade demonstriert hast.

Dann laß mal hören.
Zunächst zum Sündenbegriff.

Diese Auffassung wiederum finde ich problematisch. Denn das würde
bedeuten, der ausgesetzte Säugling hat den Hungertod verdient, weil er die
Sünde begangen hat, seine Urschuld nicht zu bedienen.

Bester @Naclador, ich habe Dich bislang für einen vernünftigen Menschen
gehalten und ich möchte gerne, dass dies so bleibt.
Aus einem umfassenderen Sündenbegriff kann man doch nicht den Tod des
Säuglings ableiten. Was ist denn das für ein Schmarren?

Wie gesagt, wir sprachen von den Schulden des Kindes. Wir können gern sagen, dass die Eltern ihrem Kind Vorfinanzierung schulden, und eine Verweigerung dessen dann eine Sünde wäre, wenn's beliebt. Tatsache ist aber, dass selbst Ameisen ihren Nachwuchs vorfinanzieren, und das tun sie nicht aus moralischen Gründen, sondern weil alle Ameisen, die darauf verzichtet haben, ausgestorben sind.

Man macht also aus der thermodynamischen Zwangsläufigkeit eine
moralische Verfehlung. Neudeutsch würde man von "Victim Blaming" sprechen.

Das ist in etwas das Niveau, daß sich schon bei den Debatten mit @Silke
auftat, als die 250 m Yacht vor Nizza und andere „Kleinigkeiten“ als
Urschuld-Bedarf verkauft wurden.
Deine thermodynamische Zwangsläufigkeit ERFORDERT von uns Menschen
entsprechendes Handeln und da schwingt zwangsläufig mehr oder weniger
Moral mit.

Eben nicht. Das hat nichts mit Moral zu tun, sondern mit Selbsterhaltungstrieb.


Stimmt für Verträge, stimmt wahrscheinlich auch für Abgaben, aber
nicht für Urschuld. Das ist der Kern unserer Auseinandersetzung hier.

Die Urschuld war, in der von @Silke angestoßenen, Debatte nicht die
Urschuld sondern die SCHULD. Und was darunter fällt, hatte sie
aufgelistet.
Ich zog nur die Urschuld als Beispiel heran.

Urschuld ist aber gerade DAS Beispiel einer Schuld, für die Moral unerheblich ist.

Dass wir moralische Wesen sind, würde ich nicht ungeprüft für alle
Menschen unterschreiben wollen.

Nein, für alle wohl nicht, aber die Masse will in Frieden leben, möchte
halbwegs ungestört sein Erdendasein fristen und läßt sich in der Regel
auf zahlreiche Kompromisse ein, zu denen auch Verträge und Steuern
gehören.

Buchhaltung ist ein sekundäres Phänomen. Sie sagt nichts über die
tatsächliche Verschuldung aus, sondern beschreibt nur unsere Art, mit
Schulden umzugehen.

Jetzt wird der Hund in der Pfanne verrückt!
Die Buchhaltung sagt nichts über die Verschuldung (deren tatsächliche
Höhe) aus? [[hae]]
Warum wird denn dann Buchhaltung betrieben?
Nur um einfach mit ihr umzugehen?
Kann ich mit der Buchhaltung auch im Park spazieren gehen oder ihr eine
Ohrfeige verpassen, wenn mir danach ist?

Jetzt wird es unsachlich. Die Gesamtverschuldung eines Menschen wird niemals buchhalterisch erfasst werden können. Die Buchhaltung betrachtet ausschließlich Kontraktschulden und Abgabenschulden.

Wenn die Buchhaltung (Kontostände, Belege, Bestellungen, Rechnungen u.a.)
nicht die tatsächliche Verschuldung repräsentiert, was repräsentiert
denn dann die tatsächliche Verschuldung?

Für die Gesamtverschuldung eines Lebewesens existiert keine formale Repräsentation.

Aber nicht nur Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Menschen, sondern
auch die Abhängigkeit des Einzelnen von Energiequellen und Entropiesenken.

Grrrh! [[motz]]

Mit wem hast Du Deinen Energieliefervertrag abgeschlossen?
Mit der Windkraftanlage Nr. 28 irgendwo in einem Höhenzug in Hessen oder
hast Du den Vertrag mit einem Transformator und 1,28 km Erdkabel
geschlossen?

Es geht nicht um Strom. Der ist Luxus und hat nichts mit meiner Urschuld zu tun. Es geht um chemische Energie in Form von Nahrung. Die muss ich irgendwo her nehmen. Meistens schließe ich heute Kontrakte dafür ab, ich kann aber auch den Apfel vom herrenlosen Baum pflücken.

Diese Abhängigkeiten werden in unserer modernen Welt in der Regel über
Menschen via Vertrag geregelt.
Völlig frei von diesen Dingen bist Du auf einer einsamen Insel im
Südpazifik, wo der Einsiedler unter (oder auf) Palmen sein Dasein
fristet.
Da es dort keine 2. oder 3. Person gibt, kann es dort auch keine Verträge
geben, keine Abgaben usw..
Nur die Urschuld ist übrig geblieben.
Doch die allein begründet noch keinen Debitismus.

Nein, das tut sie alleine nicht, aber sie ist eine Schuld, für die ich keine Moral brauche, und das war der Anfangspunkt unseres Disputes.

mfG
nereus

Viele Grüße,
Naclador

--
"Nur die Lüge benötigt die Stütze der Staatsgewalt. Die Wahrheit steht von alleine aufrecht."
Thomas Jefferson


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