"DEBITISMUS ist keine Theorie oder Lehre. Sondern reine Beschreibung, was sich ergibt, sofern Schulden existieren."

Silke, Dienstag, 24.09.2019, 16:21 (vor 1669 Tagen) @ trosinette3316 Views
bearbeitet von Silke, Dienstag, 24.09.2019, 17:21

2. SCHULDEN sind dabei URSCHULD, SCHULDEN EX NIHILO, KONTRAKTSCHULDEN, RELIGIÖSE SCHULDEN.
3. Alle Schulden können akzeptiert werden oder nicht.
4. Sie können getilgt/abgearbeitet werden oder nicht.
5. URSCHULD kann akzeptiert und/oder abgearbeitet werden, d.h. Eltern oder Verwandte/Bekannte ziehen einen Säugling auf. Sie können ihn auch töten bzw. sich selbst überlassen (strafbewehrt). Eigener URSCHULD kann man sich entledigen durch Verweigerung der Nahrungsmittelaufnahme bzw. durch Suizid (nicht strafbewehrt).
6. SCHULDEN EX NIHILO sind von einer Macht (Stärkerem, Staat) aufgezwungene Schulden ohne vorangegangene Kontrakte, Steuern, Abgaben z.B. Man kann sie verweigern (strafbewehrt).
7. KONTRAKTSCHULDEN kann man eingehen oder nicht. Sind sie eingegangen (Papier, Urkunde), kann man sie erfüllen (Termin usw.) oder nicht (Bankrott).
8. RELIGIÖSE SCHULDEN kann man auf sich nehmen oder nicht (Glaubensfrage).
G.O. passiert, sobald Kontraktschulden repudiiert oder nicht nach Papier bzw. Urkunde erfüllt werden (zumeist Kettenreaktion). Sonst üblicher kapitalistischer Prozess. Daher DEBITISMUS = KAPITALISMUS (ohne Kapital, auch "Humankapital" keine Kontraktschuldenaufnahme möglich).
Also alles ganz simpel + Gruß!"
http://www.dasgelbeforum.de.org/mix_entry.php?id=160680&page=0&order=time&c...

und:

Zivilisation', 'Kultur', Gewalt ; Forums-Gejaule

Lieber Schneider,

es tut zwar wie immer nichts zur Sache,

Doch, doch...
"Und wenn im Debitismus alles vorfinanziert wird, dann kann am Anfang nur ein [Leistungs]versprechen stehen,
Das "Versprechen", das am Anfang steht, lautet: "Erfüllst Du Deine Dir auferlegten Zahlungen/Leistungen, verzichte ich auf Sanktion."
@dottore
Das dürfte für Urschuldner, Abgabeschuldner, Kontraktschuldner wie auch religiöse Schuldner gleichermassen zutreffen.

aber:
Ich habe mich nie bemüht, den Debitismus zu verstehen.

Doch, doch...
"Mit Synonymen widerlegt niemand den Hauptpfeiler des Debitismus, die Urschuld."
@Zara
"Der Kapitalismus ist Debitismus. Das ganze Wirtschaften geschieht nur zu diesem Zweck:
Erstens die Nachfrage wieder einzufangen, die man vorfinanziert hat.
Zweitens jemand dazu zu bringen, dass er seinerseits so viel Schulden macht, dass die Vorfinanzierung dieser Nachfrage realisiert wird.
Debitismus heißt: die alten Schulden durch immer neue Schulden zu bedienen."
@dottore
Das hast auch du, liebes Schneiderlein schon lange begriffen.

Das bringt mir
nicht besonders viel,

Doch,doch...
"Wirtschaften ist keine moralische Veranstaltung. Debitismus ist die Betrachtung von Ursache und Folgen des Schuldendrucks. Wer den nicht hat (weder Urschuld, noch Abgabenschuld, noch Kontraktschuld usw.) ist entweder nicht geboren oder tot."

so wie es dem Suchtkranken nicht viel bringt, wenn er
den hoffnungslosen Versuch unternimmt, zu verstehen, was in seinem
verkorksten Gehirn vorgeht.

Doch, doch...
Ich kenne viele trockene Alkoholiker.
Die Sucht ist nicht die Grundkrankheit.
Süchtig sein ist nur ein Verhalten.
Wer die tieferen Ursachen bei sich und für sich verstanden hat wird trocken.
Dazu muss man nicht zwingend, "ganz unten" ankommen, wenn man seinen Grips bemüht und einen kompetenten Therapeuten findet.

Man muss den Debitismus nicht verstehen.

So wie man weder von Gravitation noch von Heliozentrik wissen muss.
Wer allerdings eine Sonnenfinsternis voraus berechnen kann ist klar im Vorteil, wenn er seine Schlacht kurz davor beginnt und dem Gegner verkündet, er werde ihn besiegen, so wie jetzt die Dunkelheit die Sonne besiegt.
Der Feind wird demütig nieder knien und den Kampf vermeiden.
Möglicherweise unterbleibt ein Gemetzel.
Der Kompetentere gewinnt die Schlacht und nicht der Schläger.
Auf lange Sicht gewinnt immer nur Kompetenz.
Das kann für alle Beteiligten irgendwie eine bessere Situation sein als das Hauen und Stechen.

Man darf aber nicht den Fehler
machen, den Debitismus nicht todernst zu nehmen, nur weil man ihn in seinem
"wieso, weshalb, warum" nicht abschließend verstanden hat.

Todernst. So ist es.
Es geht beim Debitismus um nicht weniger als um Leben oder Tod.
Kannst du nur einen sehr begrenzten Zeitraum über deine Urschuld nicht mehr bedienbar halten fallierst du überschuldet.
Das nennt sich Tod.

Angst vor dem Sterben / Debitismus
http://www.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=380087
verfasst von dottore, 29.04.2007, 17:26
-->Hi chiron,

Basiert nicht der Debitismus letztlich auf der Angst vor dem Tod,

Ja.

oder habe ich da was falsch interpretiert.

Nein. Vielleicht etwas differenziert:
1. Wir denken nicht ständig an den Tod, insofern ist die"Angst vor dem Tod" kein permanenter Zustand, wiewohl er im Laufe des Lebens (Alterns) generell zunehmen dürfte. Wie die allgemeine Risikoscheu.
2. Es wäre vielleicht besser gewesen, nach der "Angst vor dem Sterben" zu fragen. Dabei kommt es darauf an, wie man sich dieses individuell vorstellt (siehe die vielfältigen Aussagen aus Geschichte, Literatur usw., sich einen"plötzlichen Tod" zu wünschen, also ohne die Pein des Sterbens durchleiden zu müssen).
3. Letztlich geht es also um den (individuellen) ultimativen Termin, der hier in diesem Thread schon intensiv und mit guten Argumenten/Beispielen behandelt wurde.
4. Im debitistischen Ablauf spielt der Termin die entscheidende Rolle. Ohne das Bewusstwerden des Termins (im wesentlich nur dem menschlichen Bewusstsein inne seiend, auch wenn es bei Tieren"Todesahnungen" geben soll, die aber wohl eher in den"Instinktbereich" gehören, der - wiederum - auch im menschlichen Organismus nicht verschwunden ist) kein Bewusstsein der Tatsache, dass der Termin nicht nur feststeht, sondern stetig "näher" kommt.
5. Zum Termin zählt die Sanktion, ohne die dieser nicht zu definieren ist. Nehmen wir das Phänomen der"Urschuld", so ist zu beobachten, dass das Näherkommen des Termins nicht nur rationalisiert, sondern physisch erlebt/gespürt wird.
6. Diesem Erlebnis/Gefühl auszuweichen, ist sozusagen"normal". Der Einzelne (Mensch) beginnt, mit bewussten ("rationalen") Handlungen, diesem Näherkunft-Gefühl (immmer deutlicher erlebte Mini-Sanktionen, die sich bis zum finalen Termin verstärken, auch wenn sich kurz vorher zumeist ein"Wurschtigkeitgefühl" einstellt, ein"Sich-Fügen", ein"das-Unvermeidlich" akzeptieren, sogar mit Schmerzminimierung usw.) zu entgegnen, sollen dazu dienen, den Sterbe-Prozess hinauszuschieben.
7. Man überlässt sich seinem - bei Untätigkeit unabwendbaren und schmerzlichen - Sterbeprozess nicht einfach, sondern lässt sich etwas"einfallen", den damit verbundenen individuell ultimativen Termin immer wieder zu vertagen. Man lebt nicht"in den Tag hinein" in der Hoffnung, die Nacht würde einen schon von selbst satt machen und den Durst verscheuchen, sondern beginnt mit "aktivem" Handeln, tagsüber dagegen zu steuern.
8. Dieses Handeln, über Generationen tradiert und verfeinert (= steigende Produktivtität bei der Urschuldbewältigung) ist das Basis, von der aus sich alles Weitere ableitet: Zunächst Teilung der Produktion im Stamm, dann Teilung der Arbeit in Staatssystemen.
9. Im Stamm bleibt es bei der Urschuldbewältigung in mehr oder minder kollektiver Form. Insofern ist dort die Angst vor dem Tod weniger thematisiert als vielmehr die Angst vor dem, was mit den Überresten post mortem geschieht (Grab- und Ahnenkulte in vielerlei Gestalt).
10. Beim Staat (mit Abgaben, Untereigentum, Geld, Zins usw.) wird es schwieriger, da im"Idealstaat" jeder und allein für sich und seine indidviduelle Entfernung vom Sterbeprozess selbst verantwortlich wäre. Da auch Staaten Stammes- oder kinship-Strukturen nicht ausmerzen können (Familie, Nachbarn,"gens","natio") ergibt sich dort in immer neuen Wellen eine Rückwendung zu und Appellation an Stammesstrukturen ("Wir-Gefühl","Sozialstaat", usw.).
Danke für die Frage + Gruß!"

und:

"Gewiss, es ist spannend, immer neue, noch wahnwitzigere Zahlen zu entziffern, aber das Bestaunen des Schiefen Turms zu Pisa sagt nichts darüber aus, wann er denn nun fallen muss.
Damit wir uns ernsthaft mit dem auseinandersetzen können, was auf uns zukommt, müssen wir jetzt die Theorie von Schuld und Überschuldung geben.
Das, was ich den Debitismus nenne.
Debitismus ist die Lehre von der Totalität der Schuld. Es gibt nichts auf der Welt – und schon gar nichts in der Wirtschaft -, das sich nicht auf einen Schuldvorgang, eine Verschuldung, eine Schuld zurückführen ließe. Alles, was sich in der Welt ansonsten abspielt ist immer nur ein Auseinandersetzen mit der Schuld: Wird die Schuld akzeptiert, wird sie verdrängt, wird sie gezahlt, wird sie vor sich hergeschoben und so weiter.
Zwei Grundformen der Schuld sind zu unterscheiden:
1.Die Urschuld, (lat.culpa)
2.Die Paktschuld.(lat.debitum)"
„Aufwärts ohne Ende“ S.101
Paul C.Martin

Das ist richtig.
Die Abgabeschuld (census) und die religiöse Schuld ist IMHO ein Derivat der Urschuld.

Wie immer
Liebe Grüße [[zwinker]]
Silke

PS.
"Die Vorstellung, das Wirtschaften sei von einem "Privatgeld" unterlegt (Gold) oder unterlegbar (Gogos) ist ganz einfach falsch.
Wir alle haben uns geirrt.
Die Realität ist nicht:
Wirtschaften -- Geld, Preis und Zins -- Macht -- >Abgaben -- weiter Wirtschaften.
Sondern:
Macht -- Abgaben -- Geld -- Wirtschaften mit Geld und Preis und Zins."
(Zitat: Debitismus Seite 30) http://www.dasgelbeforum.de.org/sammlung/Debitismus-PCM.pdf

"Unsere Wirtschaft (siehe PCM"Krisenschaukel") kann nur durch permanente Nettoneuverschuldung am Leben gehalten werden, da der Kapitalismus ein Kettenbriefsystem ist ("Debitismus" - also ausschliesslich durch SCHULDENDRUCK vorangetrieben).
Der Schurke im Spiel sind nicht die Spekulanten, sondern der STAAT. Was der noch drauf hat, werden wir sehen, wenn's gekracht hat (Hoover bat damals 1929 die Radio-Sender, flotte Musik zu spielen).
(...)
Es ist und war immer das selbe und wir werden es wieder erleben und erleiden müssen."
http://www.dasgelbeforum.de.org/ewf2000/forum_entry.php?id=1385

"Also muss das System, um weiter bestehen zu können, immer neue Schulden machen, bzw. jeder Schuldner muss einen Nachschuldner finden, der sich seinerseits verschuldet und dann einen weiteren Nachschuldner suchen muss (Für Gewinne gilt das selbe). Der Kapitalismus ist also ein "Debitismus", der vom Zwang zur immer neuen Verschuldung und der Angst der Schuldner, keine Nachschuldner zu finden, vorangetrieben wird (Werbung ist z.B. nichts anderes als der Versuch, andere zum Schuldenmachen zu überreden; Märkte sind nichts anderes als Orte, wo man Nachschuldner zu finden versucht). Alles ausführlichst in meinen Büchern, zuletzt "Die Krisenschaukel" erklärt. Bisher konnte meine "Theorie" nicht widerlegt werden (vgl. dazu die St. Galler Dissertation von Daniel Stelter "Die Gefahr einer deflationären Depression", S. 103 ff.), muss daher nach dem Popper-Kriterium als richtig anerkannt werden
(Falsifikationsprinzip)."

PPS.
"Urschuld ist kein Ereignis, sondern ein Prozess, abgezinst auf heute.
Alle Bilanzen sind immer ausgeglichen. Und dennoch enthalten die einzelnen Bilanzen Guthaben und Schulden."
@dottore

Urschuld, kurz dazu
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=109435
verfasst von dottore, 28.06.2009, 14:36
Hi Sokrates,
Debitismus ist der Versuch, anhand der historischen Entwicklung (Stammesgesellschaften --> Staaten) das Phänomen der Schuld zu enträtseln:
1. Urschuld allgemein, ob Staat oder nicht Staaten. Es ist eine Schuld sich (und den Seinen) gegenüber. Wird sie nicht laufend abgetragen, tritt das physische Ende sein.
2. Abgabenschulden. Von Gebieteroberern (die als "Kriege" durch die gesamte Geschichte ziehen) von den auf den eroberten Territorium Lebenden sanktionsbewehrte Leistungen abzufordern (Extern: Tribute), intern (Steuern).
3. Kontraktschulden, die zinsbewehrt sind. Werden sie nicht geleistet (Überschuldung) = Ausscheiden des Schuldners. Also, was wir das heutige "normale" Wirtschaften nennen.
4. Religiöse Schulden (Opfer).

Ich versuche seit einiger Zeit, mich dem Gedankengebäude des
Debitismus’ zu nähern und ich muss gestehen, es fällt mir schwer.

Details wären willkommen, da sich jede Interpretation verbessern läßt.

A) Welchen „Anspruch“ erhebt der Debitismus eigentlich?

Eine Interpretation des wirtschaftlichen Ablaufs seit des mesopotamischen Antike.

Stimmt die
folgende Aussage?

Der Debitismus liefert die bisher beste Theorie zur Erklärung unseres
derzeitigen Wirtschafts-Systems und sieht das wiederholte Auftreten von
Krisen und den endgültigen Zusammenbruch des Systems nach einer gewissen
Zeit als unausweichliche Folge seines grundlegenden, naturgegebenen und
daher alternativlosen Funktions-Prinzips.

Grundsätzlich ja. Naturgegeben ist dabei nichts. Jeder kann den Hungertod wählen, es muss nicht zu Eroberungen konnen (Stämme zu weit voneinander entfernt), es gibt kein Recht auf Kredit und keinen Kontraktverschuldungszwang.

B) Von welchen „Tatsachen“ geht der Debitismus aus, was sind sozusagen
„Axiome“ der Theorie und als solche nicht durch die Theorie erklärbar?

Von historischen Tatsachen - ein weites Feld und vielfach diskutiert.

Wie lauten die wichtigsten Axiome?

Handelt es sich z.B. bei den folgenden Aussagen um solche Axiome?

1) Der Zweck des Wirtschaftens besteht für den Einzelnen darin, Gewinn in
Form von Geld zu erzielen.

Nein, sondern Schuldendeckungsmittel zu beschaffe bzw. kalkulierte in realisierte Gewinne zu verwandeln. Dies setzt gesamtwirtschaftlich sog. "Nachschuldner" voraus. Der Debitismus (Kapitalismus) ist ein Kettenbrief.

2) Geld, das so wie heute üblich überwiegend als Buchgeld oder in Form
von Banknoten existiert, kann nur „funktionieren“ (Kaufkraft-stabil
sein), wenn es sich dabei um eine umlauffähig gemachte, durch belehntes
Eigentum gesicherte, Verschuldung handelt.

Was für eine "Eigentum" beleiht die ZB, wenn sie Staatstitel hereinnimmt? Offenbar das Eigentum späterer Generationen.

3) Es liegt in der Natur der Sache, dass eine nicht beglichene Schuld im
Laufe der Zeit immer größer wird und daher die Forderung von Zinsen durch
den Gläubiger rechtfertigt.

Dabei handelt es sich um Strafzinsen (Mesopotamien 33 bzw. 50 % bei nicht erreichtem Abgabensoll). Um die daraus folgende logische Überschuldung aus der Welt zu schaffen, gab es Erlassjahre (clean slates, novae tabulae).
Gruß!

Und:

Urschuld, Danke vielmals und Antwortversuch
http://www.dasgelbeforum.net/forum_entry.php?id=109627
verfasst von dottore, 29.06.2009, 16:27
Hi moneymind,

ich erlaube mir mal, einige Gedanken dazu zu posten (eine fertige Theorie kann ich leider nicht bieten):

1. Urschuld allgemein, ob Staat oder nicht Staaten. Es ist eine Schuld
sich (und den Seinen) gegenüber. Wird sie nicht laufend abgetragen, tritt
das physische Ende sein.

Natürliche Bedürfnisse (nach Essen, Trinken, Schutz vor Wind + Wetter etc.) - "Schulden >gegenüber sich selbst" sind trivial und erklären nichts, da sie in jeder Gesellschaft zu allen >Zeiten existieren und natürlich auch befriedigt werden.

Es geht nicht darum, Bedürfnisse zu befriedigen. Denn diese sind viel zu umfangreich, werden außerdem zusätzlich „geweckt“ (Werbung usw.) und sagen letztlich aus, dass der gesamte Kosmos aller Güter als „Bedürfnis“ in Frage kommt. Mir ging es beim Schuldbegriff nur darum, ihn als etwas zu definieren, das durch Zeitablauf anwächst. Auch kann die Schuld nicht nur individuell, sondern auch kollektiv getilgt werden.

Jeder hat natürliche Bedürfnisse (s.o.), aber gerade in Stämmen nimmt ihre Befriedigung nicht den Hauptteil der Zeit der Stammesmitgliedern in Anspruch. Siehe Sahlins, "The Original Affluent Society".

Essen, Trinken usw. nimmt niemals die ganze Zeit eines Individuums in Anspruch. Sahlin ist im übrigen nicht zu widersprechen, auch wenn die Frage bleibt, wie es konkretn von der Überfluss- zur Mangelwirtschaft gekommen ist.

"Bedürfnis" erscheint mir auch ein treffenderer Begriff für materielle Grundbedürfnisse als "Schulden gegenüber sich selbst". Warum und woher die Fixierung auf "Schuld", worin besteht der Erkenntniszuwachs, wenn man diesen Begriff so dehnt?

Gedehnt ist der Begriff „Bedürfnis“. Die Urschuld ist dabei die Basis der bekannten Bedürfnispyramide.

Ich sehe darin keinen Erkenntniszuwachs, sondern die Überstülpung eines Begriffs über etwas, das mit "natürliche materielle Grundbedürfnisse" klarer und eindeutiger beschrieben wäre.

„Natürliche“ Grundbedürfnisse changieren von Gemeinschaft zu Gemeinschaft und sind extrem verschieden. Ein Almbauer tilgt sie anderes als ein Fischer.

"Urschuld gegenüber sich selbst" schafft aus meiner Sicht nur unnötige Unklarheiten, ohne Erkenntniszuwachs zu bringen.

Es geht nicht nur um „Urschuld gegen sich selbst“ (siehe oben die Klammer). Wie gesagt: Sie wächst per Zeitablauf und kann von jedermann zugunsten jedermanns getilgt werden.

2. Abgabenschulden. Von Gebieteroberern (die als "Kriege" durch die
gesamte Geschichte ziehen) von den auf den eroberten Territorium Lebenden
sanktionsbewehrte Leistungen abzufordern (Extern: Tribute), intern
(Steuern).

Abgabensysteme ohne sakrale Zentralinstanz sind mir - abgesehen vom Realsozialismus - nicht bekannt (ich bitte um Gegenbeispiel).

Sakrale Zentralinstanzen setzen üblicherweise einen „Hauptgott“ oder „Alleingott“ voraus. Dem widerspricht der in fast allen frühen Gemeinschaften zu beobachtende Pantheon (selbst die wenig friedliebenden Hethiter kannten 1000 Götter, der Hinduismus mehrere Hunderttausend, usw.).

In denen stehen aber die Abgaben fast immer im Dienst der Religion (Rituale, sakrale Architektur, Versorgen der Wissenschaftler- und Priesterkaste etc.).

Zweifellos. Nur müssten dann die Phänomene der machtausübenden Herrscher und ihrer Herkunft geklärt werden (Palast ungleich Tempel), der „Priesterkönige“ und deren Versorgung sowie der jeweils „leitenden“ Kaste. Auch ist zu fragen, wie, wo und warum die „Religion“ expansiv geworden ist, da die Religions-„Diener“ selbst nicht zum Schwert gegriffen haben – jedenfalls nicht in der Frühzeit.

Rein ökonomische Motive sind nicht bestimmend, sondern der Religion untergeordnet.

Die Tempel (siehe noch Agrigent) waren oder mutierten zu Schatzhäusern mit der „Cella“ als Tresor. Der Reichtum vieler Tempel war legendär: In Lokri finanzierte der Tempel die Stadtmauern, Cäsar plünderte den Juno-Tempel, der Reichtum des jüdischen Tempels, teils behoben durch Pompeius, vollends dann durch Titus erstaunte bei dessen Triumphzug sogar die verwöhnten Römer.

Ich bitte um ein Gegenbeispiel für diese These (mir fällt keines ein).

Dass bei Tempeln (Tempelbanken) ökonomische Motive (Thesaurierung) eine Rolle gespielt haben, ist vielfach belegt.

Aus irgendeiner Urschuld kann man Abgabenschulden nicht erklären.

Aus der des unterwerfenden Stammes. Sie zwangen die Unterworfenen zu Abgaben (römischer Tribut an die Gallier, Karthago an Rom, Griechenland an Rom, überhaupt die gesamten römischen Provinzen, usw.) Die Eroberer ließen für sich arbeiten, einschließlich der an den Palästen angesiedelten Staatswerkstätten.

Man kann natürlich mit Oppenheimer spekulieren, daß Nomadenvölker seßhafte Völker überfallen und dann eine Zentralinstanz "erfinden".


Diese Zentralinstanz ist der „Staat“ mit Hierarchien usw. (man denke an die Kriegszüge Hamurappis).

Dafür hätte ich dann aber gern konkrete empirische Beispiele und Belege, und ich wüßte nicht, woher die kommen sollten, gilt doch die Staatsentstehung meineswissens bisher als völlig unverstanden (auch bei van Creveld).

Was ist mit Sparta? Sie waren eingewandert und unterwarfen Messenien als erstes, woraufhin sich ein spartanischer „Staat“ bildete – mit Doppelkönigtum und entsprechenden Abgaben.

Wozu also eine Hypothese, die auf dem Hintergrund der eigenen Vorüberlegungen und -Annahmen zunächst plausibel erscheint, als Tatsache verkaufen?

Nehmen wir die Eroberung Britanniens (später Siziliens) durch die Normannen.

Von Marx her wissen wir ja, in welche Falle wir zu tappen drohen, wenn wir eine historische Entwicklung, für die wir keine empirischen Belege haben, einfach spekulativ so erklären, daß wir unsere eigenen unerkannten, vorgefaßten Grundannahmen bestätigen (bei Marx: Geschichte = Höherentwicklung durch automatische Ausdifferenzierung der Arbeitsteilung und des Tauschs, also Sozialevolutionismus, ausdrücklich inspiriert von Darwin).

Ich habe versucht, einige Beispiele zu bringen.

Das Tauschparadigma hat die gesamte Ökonomie auf die falsche Fährte geschickt - was allerdings in mancher Hinsicht durchaus eine nützliche Verkennung der Realität war.

Da ist sicher was dran, wie jedes mainstream-Lehrbcuh ausweist.

Statt Vorannahmen auf die Geschichte zu projizieren und die sich dann so zurechtszuschneidern, wie man es für seine Theorie eben braucht,

Sorry, aber es gab keinerlei Vorannahmen – von der Vielfalt der mesopotamischen Quellen war ich selbst völlig überrascht. Siehe Hudson (sinngemäß): Der erste Eigentümer war der Herrscher selbst.

(sicher eine verständliche, aber nicht unter jedem Gesichtspunkt sinnvolle Vorgehensweise) ziehe ich es vor, zunächstmal einfach nur Abgabensysteme und eigentumsbasierte Systeme (die nur auf Abgabensysteme basieren können, diese aber gleichzeitig zurückdrängen und negieren) in mehr Detail vergleichend zu untersuchen (mithilfe einer Begriffsbildungsstrategie à la Marx).

Das können wir sehr gern versuchen.

Also auch die Abgabensysteme genauer zu untersuchen,

Sie werden laufend untersucht (vgl. Nissen et al. in Berlin).

nicht nur durch eine durch ökonomistische Vorannahmen geprägte selektive Perspektive (à la Marxscher Materialismus), sondern indem man versucht, dem Phänomen und der Rolle der Religion in diesen Systemen näher auf die Spur zu kommen.

Ich halte die Rolle der Religion für subsidiär. Sie diente den Legitimationszwecken der jeweils Herrschenden.

Das führt (mich) dann auf das Gebiet der vergleichenden Mythologie (comparative mythology) und Religionswissenschaften ... zu Leuten wie Eliade, Jung, Campbell, DeSantillana/von Dechend, dem Traditionalismus (Evola, Schuon, Guenon etc.);

Sehr wichtige Hinweise ohne Frage. Vielen Dank. Nur wenn man Mythologien vergleichen will, dann tut man genau das, was man will: sie vergleichen.

auch die Perspektive katastrophistischer Interpretationen der Religionsentstehung scheint mir dabei einen Blick wert. Ist aber ein schwieriges Gebiet, die vergleichende Methode scheint mir der beste Leitfaden zu sein. Insofern versuche ich da, mir erstmal anzuschauen, was bisherige nach der vergleichenden Methode arbeitenden Forscher schon gemacht haben, und auch deren Vorannahmen vergleichend anzuschauen.

Ein sehr wichtiger und guter Rat. Die katastrophistische Interpretation halte ich gegenüber der ökonomischen für nachrangig: Auflösung der frühfeudalen Strukturen, wie z.B. die Ausgrabungen am Van-See ergeben haben, wo der gesamte Waffensaal zusammenkrachte und damit die Macht verschwand (minoische Kultur vermutlich ähnlich).

Nicht einfach, aber eine faszinierende Spielerei.

Ja, wir stehen noch lange nicht am Ende der Interpretationen.

Daß wir für jedes System seine eigene Theorie brauchen, wußte Marx schon, und Heinsohn/Steigers Leistung sehe ich gerade darin, diese Begriffsbildungsstrategie aufzugreifen (Bezug auf Wirtschaftsethnologie etc.). Abgabensysteme kommen dabei aber bei H/S viel zu kurz (bestenfalls wird noch ein wenig Marc Bloch zitiert).

Einverstanden. Mir ist ohnehin nicht klar, wie das berühmte „Eigentum“ besichert war, was der Fall gewesen sein muss, um den bekannten Eigentumsprozess zu starten.

3. Kontraktschulden, die zinsbewehrt sind. Werden sie nicht geleistet
(Überschuldung) = Ausscheiden des Schuldners. Also, was wir das heutige
"normale" Wirtschaften nennen.

4. Religiöse Schulden (Opfer).

Haben m.E. als "mimetische Handlungen" nichts mit "Urschuld" oder irgendwelchen natürlichen Bedürfnissen zu tun, sondern eher mit "magischem" Denken und sind m.E. ökonomisch überhaupt nicht zu erklären.

Wie entwickelt sich dann aus der Magie die Ökonomie? Ernten mit entsprechenden Abgaben lassen sich wohl kaum „verpriestern“.

Sondern eher psychologisch (interessante Ansätze dazu finde ich bei Sorensen: "A Cognitive Theory of Magic", bei G.E.R. Lloyd: "Demystifying Mentalities" und "The Revolutions of Wisdom" und ggf. Anregungen auch bei Forschern, die sich dafür auf Piagets Entwicklungspsychologie berufen, z.B. G. Oesterdiekhoff).

Dass Psychologie eine Rolle spielt, ist keine Frage. Der (für mich) einfachste psychologische Effekt ist die Erkenntnis, dass angedrohter oder tatsächlicher Waffeneinsatz produktiver ist als die Magie zu Hilfe zu nehmen.

(...)

Herzlichen Gruß zurück!"


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