Deine These: netzunabhängige Leitung mit Atomstrom aus Frankreich?

paranoia, Die durchschnittlichste Stadt im Norden, Dienstag, 19.10.2021, 16:45 (vor 920 Tagen) @ Martin3244 Views

Hallo Martin,

Das ist klar, dass die zunehmende Versorgungsunsicherheit allerlei Investitionen auslöst. Ich habe mich aber gerade für Baden-Württemberg schon gefragt, warum man keine netzunabhängige Leitung mit Atomstrom aus Frankreich in die Industriezonen von Karlsruhe oder Stuttgart verlegen kann. Der Wettbewerb in der EU müsste das doch möglich machen.

Dein Vorschlag eines isolierten Inselnetzes funktioniert leider nicht!

Der Kern unseres Netzbetriebs besteht darin, dass die Angebotsseite, also die Kraftwerke, auf die Nachfrager, also Industrie und Private, dynamisch reagiert, so dass die Netzfrequenz sich nicht zu weit von 50 Hertz entfernt, weil dann zahlreiche elektrische Geräte kaputtgehen bzw. abschalten.

Beispiel:

Der WM-Halbzeitpfiff ertönt und mindestens 40 Mio. Einwohner in Deutschland stürmen auf's Klo um dem Druck der Blase nachgeben zu können. Danach geht es in die Küche und dem Kühlschrank wird der beliebte germanische Zaubertrank entnommen. Sekunden später merkt die Temperaturregelung des Kühlschranks, dass es zu warm geworden ist und schaltet den Kompressor ein.

Zwei Minuten nach Abpfiff springen 40 Mio. Kühlschränke an mit vielleicht 100W Leistung an.
Wie aus dem nichts bremsen 40 Mio. x 100 W = 4000 Mio. W = 4000 MW (Megawatt) zusätzliche Leistung die Generatorwellen der europäischen Kraftwerke im Verbundnetz und die Netzfrequenz geht herunter, denn in der Netzfrequenz spiegelt sich die Drehzahl der Generatoren wieder.

Es gilt:
Ein Ungleichgewicht von 1500-2000 MW führt zu einer Frequenzveränderung von 100 mHz.

Theoretisch würde die Netzfrequenz jetzt also auf 49,8 Hz und Alarm ausgelöst werden. Doch dazu kommt es nicht - meistens.:-D
In Hannover-Herrenhausen schaltet das Batteriekraftwerk in Sekundenbruchteilen von Nehmen auf Geben um. Zwar liefert es nur 5 MW von 4000 MW, die benötigt werden, aber in ganz Europa nehmen Kraftwerke in unterschiedliche Geschwindigkeit die Erzeugung auf und die Gefahrensituation wird abgewehrt.

Wenn nun die von Dir genannten Industriezonen exklusiv von einem französischen Kernkraftwerk versorgt würden, könnte das in seiner Charakteristik starre Kernkraftwerk nicht schnell genug auf die Lastschwankungen der Verbraucher reagieren.

Der Digger (Forist Knappe) müsste den Industriezonen noch ein oder mehrere Gaskraftwerke verkaufen, damit die Netzfrequenz dieses exklusiven Inselnetzes stabil bliebe und vielleicht wäre das trotzdem noch nicht ausreichend.

Der Wert unseres europäischen Verbundnetzes besteht darin, dass alle angeschlossenen Kraftwerke für die eine Frequenz arbeiten. Einer für alle, alle für einen. Nirgendwo sonst gibt es dieses Ausmaß von Solidarität in Europa.

Die Integration von nicht immer prognostizierbaren Energiequellen wie Wind und Photovoltaik schafft Probleme und erhöhten Regelungsbedarf. Der Regelungsbedarf kann mit Gaskraftwerken (und dem dafür benötigten Gas!!!) befriedigt werden.
Gaskraftwerke, die von einstmals hohen Strompreisen um die Mittagszeit leben konnten, sind aber dank Photovoltaik unrentabel geworden.

Gruß
paranoia

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Ich sage "Ja!" zu Alkohol und Hunden.


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