Verantwortungsvolle Gewalt und verantwortungslose Gewalt

Mephistopheles, Donnerstag, 14.05.2020, 22:51 (vor 1436 Tagen) @ Taurec7818 Views
bearbeitet von Mephistopheles, Donnerstag, 14.05.2020, 22:56

Wenn also Staaten fallen und entstehen, dann geht es immer um diese Balance zwischen Recht und Gewalt; dem Gewaltmonopol, das für alle gilt, also dem Staatsrecht, und dem Recht des Stärkeren, die beim Fallen sich als instabil -und beim Entstehen sich als notwendig erwiesen hat;

Gewalt ist der einzige Grund (im Sinne von Ursache) und Begründung für das Recht. Ohne vorausgehende Gewalt kein Recht. Gibt es einfach nicht. Nirgendwo.

Es existiert nun die verantwortungsvolle Gewalt und die verantwortungslose Gewalt. Verantwortungsvolle Gewalt ist jede Gewalt, die der Gewalttätige auf eigenes Risiko anwendet (Skin in the game würde Nassim Taleb sagen). Verantwortungslose Gewalt ist jede Gewalt die einer im Auftrag anwendet. Und nur darum geht es bei beim Rechtsstaat: Man möchte die verantwortungslose Gewalt eindämmen.

Recht und Gewalt sind keine Gegensätze, sondern nahezu deckungsgleich. Auch "Gewalt" ist wie das Wort "Krieg" durch die modernen Moralismen entwertet und vernegativiert worden. "Gewalt" von "walten" ist schlicht die Fähigkeit, etwas zu tun, und es auch zu tun. Recht und Gewalt sind immer in Balance, weil sie identisch sind. Die Frage ist allein, ob die "Rechteinhaber" und Gewaltausübenden im Sinne des Volkes handeln. Dessen können sie aber nicht (nachträglich) gelehrt werden. Es muß ihnen als Teil der Prägung in der Kultur, durch Tradition und Erziehung in dieser Tradition von Kindesbeinen an beigebracht werden. Sollten heute noch solche Menschen vorhanden sein, müssen sich auch diese, wie es die herrschenden Usurpatoren taten, den Staat erst gewaltsam, durch Ausübung ihres Naturrechts des Stärkeren, aneignen, um dann für das Volk, dem sie sich verpflichtet fühlen, Recht zu setzen. Sollten die neuen Herrscher ebenfalls entarten, hat das Volk keine andere Möglichkeit, als aus sich heraus eine neue Elite zu bilden und die Herrscher gewaltsam zu entthronen.

Und somit kann man auch nicht von diesem kollektiven Balanceakt schließen, dass kein Individuum einen langen Frieden ertragen kann. Sonst hätten sich wohl nie Individuen zu einem Staat zusammenschließen wollen. Ein langer Frieden muss also irgendwie im Menschen als Wille zum Frieden angelegt sein. Denn in seinem Streben nach Glück ermöglicht ihm nur der Frieden Lebensgenuß. Nur ist die Vorstellung vom Lebensgenuß, wie vom Frieden, unterschiedlich, eben individuell; und so sind es auch die Motive des Handelns, die das eigene Wohl mit dem Wohl des anderen abwägen muss, will es kein Wohl auf Kosten des anderen suchen. Wenn doch, was bekanntlich nicht selten vorkommt, dann muss das Recht die Gewalt in die Schranken weisen.


Ich meine, es hinreichend dargelegt zu haben. Hier nochmal kondensiert:

1. Der "kollektive Balanceakt" ist keiner, sondern spielt sich nur in den Gehirnen der modernen Rechtsphilosophen ab, die vor dem (von ihnen nicht erkannten) Problem stehen, daß die herrschende Ordnung aus sich heraus unmoralisch ist und nicht von einer edelen Elite getragen wird. Nur mit diesem Ausgangpunkte ist es überhaupt notwendig, Gewalt auszugleichen.

2. Spengler ging es in seiner Ausführung gar nicht um das Individuum, sondern um den "Geist der Zeit" bzw. die Seele des Volkes, die durch lange Zeiten ohne Anstrengung (eine ursprüngliche Bedeutung des Wortes "Krieg") verdorben wurde.

3. Was Du unter "Frieden" verstehst, ist eigentlich das Ende allen Lebens. Aus Sicht des aktiven Lebens ist "Frieden" ein "Krieg mit anderen Mitteln", eine Ruhephase, die lediglich der Vorbereitung neuer Wachstums- und Kriegsphasen dient. Dieser Frieden wird dann schädlich, wenn er nicht oder zu spät wieder in Krieg übergeht.

4. "Streben nach Glück" ist eine emotionalisierende Hohlfloskel, die nur den lebensmüden und des Lebenskampfes überdrüssigen Zivilisten als Grundimpuls beeindrucken kann. Aus Sicht des wahren Lebens ist nicht selten Krieg die eigentliche Erfüllung und das wahre Glück und Lebensgenuß. Dies wird durch die Kriegstagebücher junger Kriegsteilnehmer (man denke etwa an Ernst Jünger) eindrucksvoll untermauert.

5. Leben ist immer Leben auf Kosten anderer. Ich meine, dieses Axiom steckt auch in den Fundamenten der debitistischen Lehre. Es ist der Ursprung des Schuldbegriffs.
Sein Wohl nicht auf Kosten anderer suchen zu wollen, ist nichts weiter als ein utopisches Hirngespinst, das schön und moralisch hochwertig klingt, aber nur lebens- und wirklichkeitsfremd ist. Das Recht dient eigentlich nicht dazu, diesen Vorgang zu beschränken, sondern zu kodifizieren.
Selbst die Beobachtung der heutigen Staaten, die eigentlich diese "Gewaltbeschränkung zum Wohle aller" widerspiegeln sollten, zeigt, daß sie in der Tat nur eine komplexe Ausgestaltung des Rechts des Stärkeren sind, deren Ziel nicht der Schutz, sondern die Unterdrückung und Ausplünderung der Bevölkerung ist, die erst in dem demokratischen Staaten entrechtet wurde. Die Alternative heißt nicht, das Recht des Stärkeren (diesmal wirklich) abzuschaffen, sondern es so auszugestalten, daß das Leben nicht auf Kosten des eigenen, aber anderer Völker stattfindet. Irgend jemand muß immer leiden. Das wird sich erst ändern, wenn dieser Planet eine karge Wüste ist, worauf unsere Zivilisation unter dem Gesetze, nach dem sie angetreten, auch hinarbeitet.

Das Recht des Stärkeren ist das einzig moralisch zu rechtfertigende Recht. Das Leben kennt nur das Recht des Stärkeren. Alles andere ist das Recht des Schwächeren und damit lebensfeindlich, weil es bestrebt ist, das Starke und Gesunde auszumerzen um der eigenen Schwäche und Kränklichkeit willen. Man lässt die Pflänzchen stehen, die sich kräftig und gerade entwicfkeln und reißt die kümmerlichen raus.

Als Kulturkritiker finde ich Spengler teilweise brillant. Als Philosophen eher oberflächlich. Als Zyklenhistoriker fragwürdig.

Als Kulturkritiker finde ich Jesus teilweise brillant. Als Philosophen eher oberflächlich. Als Zyklenhistoriker fragwürdig.

Ich habe deinen Text nur ein wenig zur Kenntlichkeit entstellt.

Spengler ist weder von Beruf Kulturkritiker noch Philosoph noch Zyklenhistoriker, sondern Wissenschaftler. Und das Kriterium für Wisssenschaft ist nun einmal, ob seine Voraussagen eintreffen. Bei Spengler tun sie das - und das macht ihn so faszinierend für die, die sich mit ihm beschäftigen - in frappanter Weise.

Gruß Mephistopheles


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