Naja...

Diogenes Lampe, Mittwoch, 25.09.2019, 20:46 (vor 1646 Tagen) @ Oblomow8065 Views

Hegel und Schopi sind beides Idealisten, nur hier objektiver Idealismus
und dort subjektiver Idealismus. Beide sind Monisten (wie Spinoza) und
behandeln die von Kant aufgegebene Knacknuss des Ding an sich.

Das ist mit Verlaub Quatsch, lieber Oblomow. Monismus und Idealismus sind nicht dasselbe. Für Schopenhauer war die Welt nicht eine Erscheinungsform des Geistes wie für Hegel oder Spinoza, sondern des Willens, womit er nicht nur den individuellen Willen meinte sondern den Weltwillen. Der ist genau das, was Kant als Ding an sich bezeichnet, ein Begriff, den Schopenhauer bei Kant kritisiert hat, weil "Ding" eben etwas vorstellt und so mißverständlich ist. Weder Kant noch Schopenhauer waren "objektive" oder "subjektive Idealisten".

Wo Hegel
aber Teleologe ist, da verweigert sich Schopi.

Nebenbei und mit Ihrer Erlaubnis: Ich finde ihren "Schopi" ein wenig albern. So wie Kanti, Nietzschi o.ä., zu dem Sie sich gottlob bisher nicht hinreißen ließen.

Auf so vertrautem Kosename-Fuß scheinen Sie mit seiner Philosophe jedenfalls nicht zu sein. Im Übrigen verweigert sich Schopenhauer nicht der Teleologie sondern widerlegt sie, wie vorher Kant in seiner Kritik der reinen Vernunft.

Geschichte spielt bei Schopi
keine Rolle,

und ob!

wo sie bei Hegel idealistisch und bei Marx dann
materialistisch dann doch eine zentrale Rolle spielen wird.

Geschichte spielt bei Schopenhauer deshalb eine wesentliche Rolle, weil er mit seiner Philosophie den Optimismus Rousseaus, Fichtes und Hegels als Vorsehungsgeschichte zertrümmert. Das eben läßt ja all die Philosophen, die sich auf Rousseau, Fichte, Hegel, Marx usw. berufen, Schopenhauer meiden wie der Teufel das Weihwasser. Marx hat als Fichteianer (der er mehr war als Hegelianer) die Vorsehungsgeschichte zur Fortschrittsgeschichte ausbaut, also mit seinem "historischen Materialismus" wieder ganz auf den Optimismus - diesmal des "Klassenbewußtseins" - zurückgeführt, um der "Arbeiterklasse" eine "historische Mission" unterstellen zu können.

Die Romantik
jesuitisch herzuleiten ist eine nette Kapriole.

Wenn Sie das so sehen wollen, ist das Ihr gutes Recht. Aber es zeigt mir, dass Ihnen hier wirklich noch zuviel an spannendem Wissen fehlt. Allerdings: Meine Hinweise als Kapriolen ab zu tun, ist sicher leichter als ihnen nachzugehen. Das räume ich gerne ein.[[zigarre]]

Wichtig ist aber vor allem
der protestantische Pietismus und vor allem Rousseau, der zu allem
Überfluss Kant aus seinem dogmatischen Schlummer erweckt hat.

Der protestantische Pietismus als ein Weg der mystischen Kontemplation ist eines der wichtigsten Einfallstore des Jesuitismus in den Protestantismus im Kampf gegen die lutherische Orthodoxie gewesen. Sein katholisches Pendant war der französische Quietismus, der den Jansenismus ausschalten sollte, den Erzfeind des Jesuitismus. Beides war eine schöne Gehirnwäsche nach dem Vorbild der Exzerzitien Loyolas, aber der Quietismus eben auch ein Versuch, am kollektivistischen Hof von Versailles, mitten im Zentrum des Absolutismus etwas Individualismus zu leben. Es waren die frömmsten Kreise um die 2. Frau des Königs, Madame de Maintenon - von der über Versailles der Spruch überliefert ist: "Man stirbt hier in Symmetrie!" - und die Kinder Colberts, die sich mit dem Bischof von Cambrai, Francois Fenelon, der die Mystikern Madame de Guyon bei Hofe eingeführt hatte, im stillen Kämmerchen versammelten. Dieser Fenelon war später ein großer Förderer von Ramsay, der in der Geschichte der Freimaurerei eine große Rolle spielt. Dazu dann mehr in meinem Freimaurertext.

Aber der Quietismus hat sich dann als frommer Individualismus auch gegen die katholischen Gottesdienste und ihre prunkvollen Zeremonien in Versailles gewendet. Er entzog sich somit auch der Kontrolle der Gallikanischen Kirche wie der Jesuiten, weshalb Ludwig XIV. seinen jesuitischen Beichtvater befahl, Molinos der römischen Inquisition zu übergeben. Der schmorte dann bis zu seinem Ende im Kerker.

Das jesuitische Pendant zu beiden war die Herz-Jesu-Frömmigkeit, die im Pietismus wie im Quietismus eine zentrale Rolle spielt. Die Grundlagenwerke des Pietismus - Speners Pia Desideria - wie des Quietismus - Der Wegweiser von Molinos - sind sicher nicht zufällig im selben Jahr 1675 erschienen, als auch der Nonne Margareta Maria Alacoque vom Jesuitenpater Claude de la Colombière eingeredet wurde, aus ihren Visionen einen Herz-Jesu-Kult zu schaffen. Heute würde man sagen, da war eine Kampagne im Gang.

Claude de la Colombière wurde kurz darauf vom Jesuitenorden beauftragt, die katholische Frau des Herzogs von York, des späteren Königs Jacob II., zu bearbeiten, mit dem Ziel, den Bruder von König Charles II. zur heimlichen Konversion zu bewegen. Das gelang dann so erfolgreich, dass Jacob nach der Thronbesteigung aufflog und in der Glorious Revolution von 1688 seine Krone verlor. Aus dieser Episode können Sie entnehmen, dass die politische Verbindung zwischen protestantischen Pietismus und katholische Quietismus nicht aus der Luft gegriffen ist.

Aus dem Quietismus entstand in Frankreich dann nach dem Tod des Sonnenkönigs, den alle inniglich herbeigesehnt hatten, auch der aristokratische wie bürgerliche Liberalismus, der unter der Regentschaft des Herzogs von Orléans (1715-23), einem Freund Englands, durch den Papiergeldschwindel John Laws und den Freihandel wahre Urständ feierte, bis die Pariser Blase platzte.

Rousseau lehnte sich sehr stark an die Mystik Fenelons an. Dessen Erziehungsroman "Telemach" nahm er sich zum Vorbild. Er übernahm das quietistische Leitbild und übertrug es in die politische Sphäre des "Allgemeinwohls". Für dieses Allgemeinwohl sollte das Individuum bereit sein, seine Individualrechte aufzuopfern. Denn der Mensch ist schlecht, die Natur ist gut, also Zurück zur Natur! Das war keine andere Logik als: Der Mensch ist schlecht, Gott ist gut, also zurück zu Gott!

Genau diesen Aspekt haben dann die Jacobiner aufgegriffen, als sie das Individuum samt seinen Rechten über dieses Konzept des jesuitischen Kadavergehorsams, der ja genau auf dieser Logik basiert, im Namen Rousseaus dem jakobinischen Kollektiv um des Allgemeinwohls Willen unterordneten. Man kann das auch schön bei Baron d'Holbach nachlesen. Das ging dann bis zum Terror-Kult, den revolutionären Märtyrerkulten und schließlich zum Kult des Höchsten Wesens, der dann 1794 nicht nur das Ende Robespierres besiegelte sondern auch das der Revolution.

Dass Rousseau dann gerade im protestantischen Deutschland so viele Anhänger fand - genauso übrigens wie Fenelon - lag natürlich auch am gedanklich so kompatiblen Pietismus Speners, wo ebenfalls die Kontemplation des Individuums als Teil eines Herz-Jesu-Glaubenskollektivismus eine wesentliche Bedeutung hatte. Z.B. Bachs oder Telemanns Kantaten und große Passionsmusiken sind historisch nur aus diesem Kontext zu verstehen. Das zeigt sich natürlich vor allem in den schwülstigen Texten, denn natürlich ist die Musik Bachs oder Telemanns weit mehr als die Aufforderung zum Glaubenskollektivismus. Dennoch haben sie viel zu ihm beigetragen.

Also auch diese Geschichte ist viel zu spannend und komplex, um sie so lax abzutun. Ihnen entgeht da viel.

Die Romantik
ist viel zu heterogen und Goethe hat so manches abgelehnt, was er nicht
verstand. Ignoranz gehört wohl zur seelischen Gesundheit eines
Olympiers.[[freude]]

Naja, vielleicht verstehen Sie ja hier Herrn Geheimrat Goethe nicht? Seine Ablehnung der Romantik war jedenfalls alles andere als ignorant. Sie war im Gegenteil sehr fundiert. Mit seelischer Gesundheit eines Olympiers hatte das auch nicht das Geringste zu tun. Eher mit:

Den Teufel spürt das Völkchen nie,
Und wenn er sie beim Kragen hätte.

Herzlich zurück
DL


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