Covid: Du verwechselst Sterbefälle mit Sterblichkeit - Erklärung und Rechenbeispiel

paranoia, Die durchschnittlichste Stadt im Norden, Sonntag, 05.02.2023, 20:16 (vor 437 Tagen) @ BerndBorchert4060 Views
bearbeitet von paranoia, Sonntag, 05.02.2023, 20:45

Hallo BerndBorchert,

Teil 1: Sterbefälle und Sterblichkeit

Du machst hier den Fehler, auf die Anzahl der Toten zu gucken. Diese Zahl ist nicht vergleichbar. Schau' mal nach China und guck' auf die Anzahl der gestorbenen 50-Jährigen - das müsste geradezu beängstigend sein... Das ist eine absolute Größe und hat erst einmal nichts mit der Sterblichkeit zu tun.

Wichtig ist es, mit sinnvollen normierten Größen zu arbeiten!

Sterblichkeit ist eine relative Größe und damit für Vergleiche geeignet.
Sterblichkeit findest Du in der Sterbetafel als Sterbewahrscheinlichkeit.

Im Folgenden reduziere ich die Beschreibung des Sachverhalts auf die 50-jährigen. In Wirklichkeit betrachtest Du natürlich alle Altersklassen!

Du multiplizierst die Anzahl der 50-jährigen Bewohner Deutschlands mit der Sterbewahrscheinlichkeit aus der Sterbetafel. Im Ergebnis hast Du die Anzahl der zu erwartenden Toten in der Altersklasse der 50-jährigen. Differenzen aus der wirklichen Anzahl der Verstorbenen und der so ausgerechneten erwarteten Anzahl der Toten stellen eine Untersterblichkeit oder eine Übersterblichkeit dar.

Dividierst Du die wirkliche Anzahl der Toten im Alter von 50-Jahren durch die Anzahl aller 50-Jährigen, hast Du so etwas wie die realisierte Sterblichkeit im Bezugsjahr - im Gegensatz zu einem Durchschnittswert der erwarteten Sterblichkeit aus der Sterbetafel.

Da aber die beobachtbare Sterblichkeit über die Jahre schwankt, ist es sinnvoll zu messen, ob diese Abweichung bedeutsam ist oder nicht.

Unterstellt man, dass die Schwankungen einer Normalverteilung folgen, kann man die z-Scores ausrechnen (was Euromomo tut).

Du berechnest z.B. für die letzen Jahre oder einen auch längeren Zeitraum aus, wie hoch die Sterblichkeit schwankt. Dazu ziehst Du nicht die Anzahl der Toten jedes Jahrs heran, sondern die oben beschriebene realisierte Sterblichkeit.

Du berechnest die Standardabweichung der realisierten Sterblichkeit als Standardabweichung über mehrere Jahre.

Beispiel:

In einer Population habe in der Altersklasse der 50-Jährigen in den letzten Jahren die Sterblichkeit die folgenden Werte angenommen:

0,80%/1,21%/1,05%/0,85%/1,5%/1,10%

Daraus ergibt sich ein Mittelwert von 1,09% und eine Standardabweichung von 0,26%.

Im Folgejahr beträgt die Sterblichkeit 1,85%, was einer Sterblichkeit von 0,77% über dem Durchschnitt entspricht. Diese Übersterblichkeit hat das Ausmaß von 0,77%/0,26%= ~ 3 Standardabweichungen.

3 Standardabweichungen umfassen aber ein Konfidenzniveau von 99,73%. Nur in 0,27% der Fälle (also circa alle 400 Jahre (=1/0,27% =~ 1/0,25% = 400) kann man eine größere Sterblichkeit (bei Annahme einer Normalverteilung) erwarten.

=> Die Sterblichkeit ist vielleicht nicht normalverteilt ODER es liegt ein äußerst seltenes Ereignis vor, dessen Gründe man untersuchen muss.

Teil 2: Auswirkungen einer Covid-induzierten Sterblichkeit auf die Sterblichkeitstabellen

Meiner Kenntnis nach lebt der Bundesbürger seit dem 2. Weltkrieg immer länger.
In der Statistik gibt DEN Bundesbürger nicht, das ist nur eine vereinfachende Beschreibung von mir.
Es gibt Menschen unterschiedlichen Alters, es wird zwischen Männlein und Weiblein unterschieden (ungeachtet der LGBTI-Kampagne, nach der wir doch trotz unterschiedlicher Peripheriekomponenten zwischen den Beinen alle gleich sind, schlimm, schlimm soetwas!) [[top]] [[ironie]]
Des Weiteren gibt es auch noch unterschiedlichen Tabellen für West- und Mitteldeutschland, die mit angeglichenen Lebensverhältnissen ihre Bedeutung verloren haben sollten.

Lädt man sich Sterbetafeln aus dem Internet herunter, sollte zu sehen sein, dass die einjährige Todeswahrscheinlichkeit der x-jährigen über die Jahrzehnte seit 1945 immer weiter fällt.
(manchmal steht da auch nur die einjährige Überlebenswahrscheinlichkeit, die einjährige Todeswahrscheinlichkeit ist dann gleich Eins minus der Überlebenswahrscheinlichkeit)
Zur Erinnerung: Sterblichkeit ist eine relative Größe. Je größer die Altersklasse ist, desto mehr Tote sind auch zu erwarten!

Wenn Bhakdi und andere Doom-Prognostiker (ist jetzt nicht abwertend gemeint) Recht behalten, werden die Todeswahrscheinlichkeiten hoch bleiben und/oder weiter steigen.

Wenn dieser Zustand über mehrere Jahre vorherrscht, dann bestehen berechtigte Zweifel, ob wir mit der alten Sterbetafel aus 2019 oder früher weiterrechnen sollten oder doch besser die Sterbetafel an die Sterbewirklichkeit anpassen. Für sinnvoll halte ich Variante 2. Die Anpassung hat jedoch Auswirkungen!
Rechnet man die z-Scores oder auch einfach mal die Übersterblichkeit in absoluten Personen aus, dann fallen mit Wechsel auf die neue Sterbetafel sowohl z-Scores als auch die Übersterblichkeit!

Was Euromomo da mutmaßlich zwischen dem 13.12.2022 und dem 16.12.2022 klammheimlich gemacht hat, hätte also von einer Pressemitteilung begleitet werden müssen, die eine Vorher-/Nachherrechnung nebst Erklärung hätte beinhalten müssen. Meines Wissens nach ist das nicht geschehen.
Nach meinem persönlichen Eindruck hätte man angesichts der Sterblichkeitsentwicklung auch nochmal zwei Jahre oder längen warten können, bevor man die Sterbetafel anpasst, die die Basis für die Berechnung von Über- und Untersterblichkeit bildet. Leider kenne ich die Regeln der Anpassung nicht - wenn es überhaupt welche gibt...

Aufgeworfen hat Forist Arbeiter das Thema hier:

https://www.dasgelbeforum.net/index.php?id=627060

Gruß
paranoia

P.S.: Habe den Beitrag schnell heruntergeschrieben. Inhaltliche Fehler biete monieren!

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Ich sage "Ja!" zu Alkohol und Hunden.


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