Thierry Meyssan kennt die Deutschen nicht gut genug

Tempranillo, Mittwoch, 13.05.2020, 13:12 (vor 1443 Tagen) @ Tempranillo1682 Views

Sonst hätte er geschrieben: *Seit 75 Jahren vernachlässigen die Westeuropäer ihre eigene Kultur und haben nur Augen für Washington und Hollywood. Die Deutschen gehören zu denen, die wenige Gelegenheiten auslassen, auf ihre eigene Kultur zu spucken.*

Zu den übelsten Vertretern dieser Richtung gehören Hans Neuenfels, Frank Castorf, Martin Kusej, Claus Guth und Doris Dörrie.

Zur Einstimmung ein kurzes Video mit Georg Holzer:
https://www.youtube.com/watch?v=zypcObqQ0rc

Aus diesem unerhört diffizilen und raffiniert strukturierten Stück macht Doris Dörrie eine von US-Müll übersäte Veranstaltung, die so brutal, stil- und geschmacklos ist wie ein als Weihnachtsbaum bezeichneter Analplug auf der Place Vendôme:

https://www.youtube.com/watch?v=dGbTczkNoXw

So in etwa war es ursprünglich gemeint:
https://www.youtube.com/watch?v=NZYzHdjsXsA

Über das etwas neckische Gehampel bitte ich drüberwegzusehen und sich daran zu halten, daß Wesentliches vermittelt wird: eine Kammerzofe, zwei Damen von Stand, 18. Jahrhundert, Italien, Neapel.

Lorenzo da Ponte widmet der Dienerin sehr elegante und ein wenig malizöse Zeilen: *Viva Despina, che sa servir!* Despina weiß, wie man dient und bedient ... gegen angemessene Bezahlung, versteht sich.

Una donna a quindici anni
Dèe saper ogni gran moda,
Dove il diavolo ha la coda,
Cosa è bene e mal cos'è.
Dèe saper le maliziette
Che innamorano gli amanti,
Finger riso, finger pianti,
Inventar i bei perché.
Dèe in un momento
Dar retta a cento;
Colle pupille
Parlar con mille;
Dar speme a tutti,
Sien belli o brutti;
Saper nascondersi
Senza confondersi;
Senza arrossire
Saper mentire;
E, qual regina
Dall'alto soglio,
Col "posso e voglio"
Farsi ubbidir.
fra sé
Par ch'abbian gusto
Di tal dottrina.
Viva Despina
Che sa servir!

Gegen die Oberfläche eines Stücks zu inszenieren, kann wie im Fall des Bayreuther Rings Patrice Chéreaus zu faszinierenden Ergebnissen führen, wenn dadurch bislang nicht wahrgenommene Bedeutungsschichten freigelegt werden. Aber von 100 Regietheaterexperimenten führen 99 zu grauenhaften Ergebnissen, die das Verständnis dessen, was auf der Bühne geschieht, nicht erleichtern, sondern erschweren, nicht selten sogar unmöglich machen, was für mich das entscheidende Kriterium ist.

Verstehe ich durch eine extravagante Regie etwas besser, entdecke eine neue Bedeutungsebene, die ich vorher nicht wahrgenommen habe, werde ich an Bühnenbild, Kostümierung und Personenführung nicht großartig herumnörgeln, selbst wenn sie das Gewohnte über den Haufen werfen sollten.

Wenn dagegen überhaupt nichts Neues erschlossen wird, man kaum noch merkt, um welches Werk es sich handelt, weiß ich, daß der Regisseur, die Regisseurin wieder nur eine Möglichkeit gesucht und leider auch gefunden hat, unter Vergewaltigung des europäischen kulturellen Erbes die eigenen Neurosen auszuleben, worin DeutschInnen die Größten sind.

Tempranillo

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*Die Demokratie bildet die spanische Wand, hinter der sie ihre Ausbeutungsmethode verbergen, und in ihr finden sie das beste Verteidigungsmittel gegen eine etwaige Empörung des Volkes*, (Francis Delaisi).


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