Zentralbankbilanzen nicht überbewerten

Miesepeter, Donnerstag, 22.10.2020, 21:40 (vor 1280 Tagen) @ Amos1829 Views

Hi Amos,

Noch eine Frage: was würde passieren, wenn sie eine Vereinbarung treffen würde, wonach die Staaten ihre Schulden bei der Notenbank begleichen, durch Übergabe von Sachwerten. Ich denke da an Sachwerte wie den Sauerstoff…


Ein klassischer Fall von Fehlallokation und Pareto Optimum.

Dem möchte ich widersprechen. Durch die Bewertung von Sauerstoff und die Aktivierung in der ZB-Bilanz anstelle von Staatsanleihen wird nicht eine einzige Währungseinheit berührt, die Passivsumme der Bilanz bleibt gleich.

Das bedeutet, es findet überhaupt keine Allokation statt, daher auch keine Fehlallokation.

Die Fehlallokation - so es denn eine gab - hat vielmehr schon stattgefunden, als der Staat die Schulden aufnahm und dann die Gelder irgend einem Zweck zuführte. Das ist aber Vergangenheit.

Es liesse sich einzig argumentieren, dass der Staat durch die Begleichung seiner Schulden durch die Aktivierung des Sauerstoffs wieder ein höheres Neuverschuldungspotential erhielte, und daher dann die Gefahr erneuter Fehlallokation zunähme. Diesem Einwand würde ich so begegnen:

1) Ist dies ein separater Vorgang: Neuverschuldung und Allokation. Vielleicht könnte ja ein geläuterter Staat beim nächsten Mal die Mittelverwendung produktiver auslegen.

2) Wenn der Staat oder die Notenbank im hypothetischen Fall einer Krisensituation um das Thema Staatsverschuldung eine Lösung für die dann in den Medien hichgekochte Hysterie finden muss, dann wird man sich nicht an der Frage von zukünftigen Fehlallokationen oder Pareto-Optimi aufhängen. Dann geht es ums Überleben des Systems.

In der Spieltheorie gibt es das Public Goods Dilemma es liegt vor, wenn die bestmögliche Verfolgung der individuellen Interessen der Beteiligten diese in einen Zustand führt, der sie schlechter stellt als Lösungen, in denen auf die beste Handlung zur Maximierung der individuellen Interessen verzichtet wird.

In Spieltheorie bin ich leider maximal imkompetent. Es ist mir zu abstrakt, ich erkenne zwar den Sinn in den gespielten Problemstellungen, aber es schliesst sich immer die Frage an, wie übertragbar sind diese Ergebnisse auf andere Situationen, wo noch viele weitere Parameter mit einspielen. Spätestens da wird es dann für meinen praktischen Geist zu akademisch[[zwinker]]

In der Antwort an Ashitaka habe ich ja bereits etwas zu der Richtung meines Gedankenspiels erläutert. Dottore erwartete immer die Hyperinflation, und den Bankenrun, an dem Tag, an dem Notenbanken begönnen, Staatsanleihen anzukaufen, oder gar gebrauchte Unterhosen. Der Wert des Geldes wird aber nicht von Notenbanken bestimmt, die bestimmen in erster Linie die Menge und orientieren sich dabei an ein paar poltischen Faktoren wie Preisniveau, Wirtschaftswachstum und sicher auch Lender-of-last-resort Problematiken.

Der Wert des Geldes wird aber nicht nur durch monetäre Faktoren bestimmt, und schon gar nicht solche, die nur Leser von Zentralbankbilanzen überhaupt erfahren. Da spielen Angebot und Nachfrage in der Realwirtschaft mit rein, Steuerpolitik, Vermögens- und Einkommenskonzentrationen, Sparquoten, Eigentumsrechte und Rechtssicherheit, u.v.a . Die isoliert betriebene, Geldsummen-orientierte Analyse von Zentralbankbilanzen führt in fast allen Fällen in die Irre, und es haben sich schon viele, selbst die Besten des Fachs, dabei die Finger verbrannt.

Gruss,
mp


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