Da bin ich doch dankbar dafür, dass hier in Rumänien die Uhren noch anders gehen

helmut-1, Siebenbürgen, Samstag, 12.10.2019, 05:33 (vor 1651 Tagen) @ Lenz-Hannover2552 Views

Noch gehen sie anders, - die Betonung liegt auf "noch". Da werden die Kühe morgens nach dem Melken auf die Weide getrieben und abends vor dem Melken kommen sie wieder in den Stall. Der Bauer, der z.B. 50 und mehr Kühe hat, der hat seine eigenen (eingezäunten) Weideflächen. Auch in der jetzigen Phase, wo wir eine anhaltende Trockenperiode haben, und kaum mehr was Grünes dort zu finden ist, wird in eine Art Pferch Heu hingeworfen, aber die Kühe bleiben draußen.

Da ich in der Landwirtschaft nicht so versiert bin, kann ich die Logik nicht unbedingt nachvollziehen, wenn die Kühe auf eine ausgetrocknete Weide getrieben werden. Für mich ist denkbar, dass hier zwei Dinge zusammenfallen. Zum einen erspart sich der Bauer ein vermehrtes Ausmisten, wenn die Viecher auf der Weide sind, und dazu düngt er gleichzeitig die Weideflächen mit dem natürlichen Ausscheiden der Kühe. Man kann ja auch beobachten, dass er die eingezäunten Weideflächen periodisch wechselt.

Diejenigen, die nur eine Kuh oder ein paar Kühe haben, werden vom Dorfhirten bedient. Der bekommt eine Art Jahresvertrag, wo zu Beginn der Freisaison festgelegt wird, was er an geldlicher und materieller (Lebensmittel) Gegenleistung bekommt. Das gilt dann in etwa bis zum Beginn der Frostperiode. Die Kühe werden morgens aus dem Hof herausgelassen, gehen auf der Straße spazieren, aber bereits in Richtung Weide. Die wissen das anscheinend schon, in welche Richtung sie sich bewegen müssen.

Der Dorfhirte sorgt dafür, dass während dem Gang zur Weide auf öffentlicher Straße halbwegs Ordnung herrscht, also die Kühe nur auf einer Fahrbahnseite gehen. Trotzdem muss man als Autofahrer meistens Geduld haben, wenn man die Herde antrifft. Der Hirte beaufsichtigt die Herde den ganzen Tag über, weil sie in der Regel auf den nicht eingezäunten Dorfweiden grasen. Wenns kein frisches Grün mehr gibt, dann werden sie auch über abgeerntete Maisfelder getrieben. Abends, rechtzeitig vor dem Melken, kommen die Kühe wieder ins Dorf zurück.

Interessant (für mich), dass die sog. "blöde Kuh" nicht so blöd ist. Die gehen in der Gruppe auf der Dorfstraße, und sporadisch entfernt sich ein Tier aus der Gruppe und geht genau auf das Tor zu, in dessen Hof es "zuhause" ist. Obwohl das Gesetz es schon seit langem nicht mehr zulässt, dass die Kühe auf der öffentlichen Straße gehen, wo auch Autoverkehr existiert, so haben erst wenige Dörfer es geschafft, im Bereich hinter den Höfen (in Rumänien überwiegend Straßendörfer) landwirtschaftliche Wege zu erstellen.

Die Bürgermeister haben meistens das Problem damit, dass hinter den Höfen keine öffentlichen Grundstücke zur Verfügung stehen und ein zwingender partieller Grundstücksverkauf an die Gemeinde in öffentlichem Interesse schwierig ist. Insbesondere in einem postkommunistischen Land, wo das Wort "Enteignung" einen schlechten Nachgeschmack hat und die Rückgaben aus der Zeit der Enteignung immer noch nicht ganz abgeschlossen sind.


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