Was ich noch nicht über die Schubumkehr wußte.
Hallo Martin!
Du schreibst: Gäbe es Flieger mit einem Typ-bedingten Problem mit toxischen Gasen, dann würde sich Boeing mit der Information kaum zurückhalten, wenn es Marktanteile wegen seiner eigenen Konstruktions- oder Qualitätsmängel erlebt.
Zudem dürften die vielen Fluggesellschaften der Welt nicht synchron still halten und bei Verdacht eigene Messungen anstellen.
Deshalb halte ich ein verbreitetes Phänomen für nicht plausibel.
Das klingt alles sehr nachvollziehbar.
Aber das Problem verschwindet dadurch nicht.
Es ist existent, es gibt Hunderte von Betroffenen und es läßt sich auch definitiv nachweisen.
Schau Dir die Berichte zum Thema an. Das Spinnennetz ist voll davon.
Was wäre, wenn der Chefpilot gar nicht primär pinkeln musste, sondern sich nur kurz die Beine vertreten und frische Kabinenluft schnuppern wollte, weil er sich gerade nicht wohl fühlte aus dem von Dir vermuteten Grund.
Gut, das Du das ansprichst, weil mir genau der gleiche Gedanke gekommen war.
Und dann hat es eben den Copiloten erwischt. Toxisches Gas im Cockpit könnte dann immer noch ein seltenes Ereignis sein, aber die Wahrscheinlichkeit wäre deutlich höher.
Das hat offenbar auch etwas mit der persönlichen Sensibilität zu tun.
Nicht jeder reagiert gleich und mit denselben Symptomen.
Die Fallberichte bieten eine ganze Palette von Beschwerden mit unterschiedlichen „Antwortzeiten“.
Es müsste dann aber trotzdem auch viele Fälle geben, bei denen der eine Pilot nicht das Cockpit verlassen hat und beide Piloten betroffen gewesen wären.
Diese Fälle gibt es.
Inwiefern das viel ist, wäre wieder eine andere Frage.
Aber, was ich bisher auch nicht wußte ist das hier: Die Zerstaubung kann sehr wohl im Minutenbereich stattfinden.
Hohe thermische und mechanische Belastungen in Flugzeugtriebwerken bedingen eine möglichst reibungsarme Konstruktion der Dichtungen des Ölkreislaufs.
An der Triebwerkswelle wird dies durch den Einsatz von Labyrinth-Dichtungen erreicht, die ihre Funktion berührungslos verrichten. Statt dessen wirkt dem Öldruck auf der einen Seite der Dichtung ein Luftdruck auf der „trockenen“ Seite entgegen.
Durch Schubänderungen kann dieses Gleichgewicht kurzzeitig gestört werden und zum Eindringen von Öl ins Druckluftsystem des Flugzeugs führen.
Jedoch auch bei konstanter Leistung und einwandfreiem Zustand der Dichtungen findet ein anhaltender geringfügiger Übergang von Öl statt.
Die dabei entstehenden Feinstaubpartikel würden sich über die Betriebsdauer in den Rohren und Leitungen des Klimasystems ablagern und bei Änderungen der Temperatur- und Druckverhältnisse, zum Beispiel durch einen Wechsel der Zapfluftquelle von Triebwerk auf APU nach der Landung, innerhalb kürzester Zeit gelöst und dann in erhöhter Konzentration in die Kabinenluft eingetragen werden.
Quelle: https://www.vcockpit.de/newsroom/vc-info/fume-events/
Die Grafik ist spannend, denn hier sieht man An- und Abstieg der Belastung.
![[image]](https://www.vcockpit.de/fileadmin/_processed_/3/a/csm_Feinstaub-Grafik_web_6ebde57b75.png)
Das Team führte Messungen auf vier Kurzstreckenflügen der A320-Familie durch.
Ein erfahrener Flugkapitän platzierte das Feinstaubmessgerät unter einem Passagiersitz und zeichnete die Änderungen der Schaltung des Klimasystems über den Flugverlauf auf.
Auf allen Flügen konnten erhebliche Ausschläge registriert werden, wenn die Zapfluftquelle gewechselt wurde (Triebwerk γ APU; APU γ Triebwerk) oder wenn die Klimasysteme nach einem sog. Packs-Off-Takeoff wieder zugeschaltet wurden. Die Feinstaubbelastung sank dann innerhalb von einigen Minuten wieder auf das Ausgangsniveau.
Daraus folgt: Es können tatsächlich innerhalb weniger Minuten Spitzenwerte erreicht werden, die kurz danach wieder auf Null fallen.
Damit ist es dann wieder doch nicht so unwahrscheinlich, daß es in der Pinkelpause zu einem besonderen Ereignis kam, was ich zuvor auch für sehr selten erachtet habe.
mfG
nereus