Asozial
Mit dem „Solarpaket 1“ beseitigt die Bundesregierung bis Anfang 2024 mehr als 50 Verwaltungshürden – die entsprechenden Beschlüsse vorausgesetzt.
Bislang ist es so, dass sich Betreiber eines Balkonkraftwerks oft umständlich beim Netzbetreiber anmelden müssen. Diese Pflicht soll entfallen. Eine vereinfachte Registrierung im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur soll dann ausreichen. Balkonkraftwerke sollen außerdem mit einem Schuko-Stecker angeboten werden, der in haushaltsübliche Steckdosen passt, was die Nutzung noch einfacher machen würde.
Der Betrieb der PV-Anlagen wird zudem mit herkömmlichen Ferraris-Stromzählern möglich, wenn auch nur übergangsweise. Speist man Strom ein, drehen diese sich rückwärts. Heißt: Die Rechnung fällt kleiner aus.
Nicht zuletzt dürfte die Anschaffung einer PV-Anlage für den Balkon für viele Mieter und Eigentümer durch die Erhöhung der maximal erlaubten Leistung attraktiver werden. Galt bislang eine maximale Leistung von 600 Watt, sollen künftig Solarzellen mit einer Leistung von 2000 Watt erlaubt sein. Die Leistung des Wechselrichters darf jedoch maximal 800 Watt betragen.
https://www.wa.de/wirtschaft/balkonkraftwerke-neue-regelung-pv-anlage-gesetz-solarpaket...
Prinzipiell habe ich nichts gegen Vereinfachungen und die Streichung vieler bürokratischer Hürden. In Belgien und den Niederlanden dürfen die Stromzähler auch rückwärts drehen, das hat auch dort zu einem Boom an steckerfertigen Kleinstsolaranlagen geführt und die dortigen Energieversorger können die vielen kleinen Einspeiser wohl gut managen und - nicht zu vergessen - die Stromkosten sind in beiden Ländern trotz allem erheblich niedriger als bei uns.
Bei mir stellen sich trotzdem folgende Fragen.
Ich habe einen Stromverbrauch von ca. 3.000 kWh pro Jahr und kann mit einem 600 Watt Balkonkraftwerk in einem sonnigen Monat von April bis August 95 kWh Strom pro Monat erzeugen. Hier bei uns im sonnigen Nordosten Deutschlands sind 500 kWh / Jahr für ein 600 Watt Balkonkraftwerk drin. Ein großer Teil der Stromerzeugung erfolgt jedoch an sonnigen Tagen in der Mittagszeit, wo ich jedoch nur eine Grundlast von ca. 200 Watt habe. Unter dem Strich verschenkt man ca. die Hälfte der Stromerzeugung durch einen Zähler mit Rücklaufsperre.
Unzählige Beiträge auf Youtube beschäftigen sich mit der Frage, wie ich den überschüssigen Strom eines Balkonkraftwerks speichern und für mich nutzbar machen kann. Jede dieser Lösungen ist entweder sehr teuer, mit hohen Umwandlungsverlusten verbunden oder im Fall einer Inselanlage unpraktisch. Häufig kommen alle 3 Punkte zusammen.
Das neue Gesetz ist ein riesiger Windfall Profit für Stromkunden mit dem alten rücklauffähigen Ferraris-Zähler. Wenn man sich jetzt statt zwei PV-Modulen nun sechs PV-Module auf das Carport schraubt und statt der erlaubten 800 Watt einen 2000 Watt Wechselrichter oder drei 800 Watt Wechselrichter verwendet (wer kontrolliert das überhaupt), so hat man die Möglichkeit, seine Stromkosten gegen Null zu senken. Nimmt man 1.800 Euro Kosten für eine 2.000 Watt-Anlage mit Modulen, Wechselrichter und Unterkonstruktion an, so hat sich eine solche Anlage bei Stromkosten von 40 ct/kWh bereits nach 1,5 bis 2 Jahren amortisiert.
Man erspart sich mit der neuen Regelung die ganzen Kosten zur Speicherung des Stroms. Man speist den Strom an sonnigen Tagen ins Netz ein, der Zähler läuft rückwärts, man baut praktisch ein Guthaben auf und entnimmt im Winter den Strom aus dem Netz und löst damit sein Guthaben auf. Der Netz ist also der eigene virtuelle Speicher, also die Cloud, in die man einspeist und sich den Strom wiederholt. Für einen Unbedarften die Wasser-aus-Wand-Lösung oder das abgewandelte Baerbocksche Tiefkühlhähnchen-Theorem, also das Netz ist der Speicher.
Nur, wenn alle das so machen:
Wer bezahlt dann eigentlich die Bereitstellung des Stroms, wenn die PV-Anlagen nichts liefern? Eigentlich müsste doch der Preis für Haushaltsstrom explodieren.
Wie händeln Belgien und die Niederlande dieses Problem? Sie haben ja nachweislich niedrigere Stromkosten als wir.
Wie sieht das ganze juristisch aus? Stromkunden mit Ferraris-Zählern werden gegenüber Stromkunden mit Zählern mit Rücklaufsperre erheblich besser gestellt.
Werden jetzt in aller Eile die Ferraris-Zähler gegen moderne Messeinrichtungen getauscht? Sind die EVU dazu überhaupt in der Lage?Prinzipiell bin ich für einen unbürokratischen Zugang zu Balkonkraftwerken. Insbesondere deshalb, weil es das Bewusstsein in der breiten Masse schärft, den eigenen Stromverbrauch in Zeiten mit hohem Stromangebot zu verschieben. Dieser Effekt entfällt jedoch bei rücklaufenden Ferraris-Zählern.
Weiterhin braucht es Regelungen bzw. Lösungen für Mehrfamilienhäuser, wo es sinnvoller und optisch weniger störend ist, eine zentrale PV-Anlage auf dem Flachdach zu installieren als wenn ein jeder sich zwei PV-Module an seinen Balkon hängt.
Mal sehen, was die Gesetzesänderung letztendlich bringt. Wie so vieles in der Ampel sehe ich handwerkliche Mängel, das ganze ist nicht zu Ende gedacht und letztendlich ideologiegetrieben, also praktisch die Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand Politik.
Mir liegt auch immer noch keine endgültige Energiebilanz für Photovoltaik vor.
Ist die dezentrale Stromerzeugung tatsächlich umwelt- und ressourcenschonender als z.B. ein Kern- oder Gaskraftwerk? Schließlich wird zur Erzeugung von relativ wenig Strom viel Material und Fläche benötigt.
Wie gestaltet sich das Recycling von PV-Modulen und Eisen-Phosphat-Speichern?
Gibt es ab einer bestimmten Dichte an PV-Modulen auf Dächern und Balkonen einen negativen Effekt auf das Stadtklima?
Kann die Bedeckung von städtischen Gärten mit PV-Modulen untersagt werden?
Vom Frevel, unbebaute Grundstücke für Solarparks zu nutzen, will ich erst gar nicht sprechen.Gruß Plancius
Hi @Plancius,
danke für Deine Arbeit. Meine Meinung habe ich hier in vielen Beiträgen als EltIng. gesagt (auch und vor Allem zu den volkswirtschaftlichen Folgen), siehe Betreff.
Du bringst die Bedenken in Auflistung. Gut!
Dass es noch Zähler ohne Rücklaufsperre gibt, schrieb ich hier kürzlich verwundert (in Thüringen gesehen).
Übrigens ist "Ferrariszähler" die Bezeichnung für die Dinger mit der Induktionsstrom-Drehscheibe, die man im Fenster sich drehen sieht, wenn. Die gibt es eigentlich nur noch mit Rücklaufsperre, wenn es sie überhaupt noch gibt! - weil der Gesetzgeber Austausch (Fristen) gegen programmierbare rein elektronische vorgibt (nachrüstbare Fernsteuer und Abfrage-Schnittstellen, Zählerplatz: Platz vorgehalten dafür).
Die Spitzel in spe sind für die Zukunft vorgeschrieben, beschrieb ich alles schon hier. Wegen des Auf-Den-Kopf-Stellens der Marktwirtschaft (statt Nachfrage bestimmt Angebot, Dumme sagen: Kommunismus kommt) - vulgo "Energeiwende" - muss das technisch so sein zukünftig, bis zur uralt bekannten Rundsteuerung mit Lastabwurf werden sie machen, schrieb ich ja alles hier.
Mir kam da ein Gedanke:
Mit dem Gesetz (es ist noch nicht durch?) verhält es sich wie mit dem Heizungsgesetz: Es ist m. E. in jeder Beziehung nur Dreck.
Aber im Gegensatz zu dem geplanten Wärmepumpenzwang, wo der Michel sich ans private Geld gegangen fühlte und das mag er ja gar nicht, wird bei dem PV-Drecksgesetz der Michel begeistert mitmachen und dann sich wundern. Über die volkswirtschaftlichen Schäden, die ihm jetzt noch egal sind.
Wahrscheinlich ist genau das der Plan.
Gute Nacht
H.
PS: Zähler sind beschriftet, weil geeichte Verrechnungsmessgeräte (geht um Geld dabei) wie Waagen und so. Das Symbol für Rücklaufsperre ist ein Sperrhaken wie beim Zahnrad an einer Handwinde