Es wird niemals Privatgeld geben

Phoenix5, Donnerstag, 17.09.2020, 21:16 (vor 1310 Tagen) @ Miesepeter6477 Views
bearbeitet von Phoenix5, Donnerstag, 17.09.2020, 21:25

Hallo Miesepeter

Wirtschaften ohne Zins ist machbar, nämlich als Wirtschaften auf Befehl.


Was ja Sozialismus ist. PCM hat hier immer diese feine Unterscheidung zwischen Wirtschaften (Mehrwert erwirtschaften im Kapitalismus) und Produzieren (Sozialismus/Feudalismus/Stamm) getroffen.

Nein, prinzipiell nicht. Das gesetzliche Zahlungsmittel wird immer qua Verschuldung emittiert und der Zins ist der Preis dafür, zukünftige Steuerforderungen in die Gegenwart geholt zu haben. Frei nach Trosinette: "Es kommt vom Staat (bzw. der Notenbank) und muss bei der Steuerzahlung wieder dorthin zurück."


Das muss aber nicht so bleiben. Man könnte die Geldausgabe auch privatisieren. Wichtig ist nur, dass es ausreichend Zwang gibt, welcher jeden Kreditnehmer dazu verpflichtet, Leistung zu erbringen, und Kredite wieder zurückzubezahlen.


Da will ich einhaken. Wirtschaften mit Geld gibt es überhaupt nur, weil das Geld nachgefragt werden muss und nachgefragt werden muss es, weil hinter jedem gesetzlichen Zahlungsmittel und hinter jedem Giralgeld ein Schuldner steht, der zum Termin seine Schulden durch Stellen eines Angebots am Markt begleichen muss (weshalb auch Hyperinflationen, weil die Menschen "plötzlich" erkennen, dass ihr Geld nur aus Papier besteht, nur in den feuchten Träumen libertärer Gold-Horter vorkommen). Soweit sind wir wohl d’accord.


So und jetzt stellen wir uns private Geldemittenten vor. Warum sollte deren Geld nachgefragt werden (ergo Geld durch Kredit erschaffen werden), wenn

a) es kein gesetzliches Zahlungsmittel ist
b) man darin nicht seine Steuern zahlen kann
c) es kein Gewaltmonopol gibt, dass dich zur Rückzahlung zwingt bzw. kein Rechtssystem (oder soll das dann doch der Staat übernehmen? Am besten kostenlos?)

Wie man es auch dreht und wendet. Irgendwo muss da ein Gewaltmonopol sein, dass die Einhaltung von Verträgen garantiert und das verursacht Kosten, die durch Steuern abgedeckt werden müssen. Außerdem kannst du schon lange selbst privat Geld schöpfen – durch das Wechselgeschäft, nur eben lautend auf gesetzliches Zahlungsmittel. Ich wüsste auch nicht, auf was privates Geld auch anderes lauten sollte. Wie stellst du dir privates Geld mit freien Wechselkurs zum gesetzlichen Zahlungsmittel vor? Am Ende geht es doch immer um bewertbare Sicherheiten als Aktiva und worin werden die bewertet? In gesetzlichem Zahlungsmittel? In deinem Privat-Geld? Und warum sollte es dann einen Unterschied im Wechselkurs geben. Das kommt ja aufs selbe heraus. Und wenn du den Staat ganz abschaffen willst: Soll sich dann jede Privatbank ihre Privatarmee zur Einhaltung der Verträge leisten? Wer zahlt die dann? Und warum sollte ohne Staat überhaupt jemand Kredite aufnehmen, wenn es doch keinen Abgabenzwang gibt?

In der Zwischenzeit vergeht Zeit und die kostet Geld.


Das sieht nach einem willkürlichen Axiom aus. Zu heutigen, unsicheren Zeiten erhalten Schuldner, denen man die Rückzahlung mit grosser Sicherheit zutraut, Geld mit Negativzins. Dem Kreditgeber ist die Sicherheit mehr wert als der Zeitverlust. Dieser muss auch überhaupt kein Kostenfaktor sein. Wenn ich nicht vorhabe, meine zehnte Million in den kommenden 5 Jahren auszugeben, und auch sonst keine Verwendung für das Geld habe, dann habe ich keinerlei Oportunitätskosten und die 5 Jahre kosten mich effektiv nichts. Wenn mir jemand also zusagen kann, mir meine Million für 5 Jahre sicher zu verwahren, dann bi ich womöglich sogar bereit, dafür zu bezahlen.


Von welcher Ebene aus betrachten wir das Beispiel? Staatlich oder privat oder beides?

Wenn wir von einem mikroökonomischen Einzelfall weggehen, dann bedeuten Null- oder Negativzins, dass ich in Zukunft kein Wirtschaftswachstum, ja sogar Deflation erwarte und deshalb auf Sicherheit setze. Ich erwarte also, dass der Kapitalismus in Zukunft nicht mehr so rosig funktioniert. Null- oder Negativzinsen sind also nicht der Normalzustand, sondern zeigen einen Kapitalismus im Krisenmodus. Nullzinsen bedeuten, dass keine Mehrleistung mehr erzeugt wird, ergo die Nachschuldner fehlen, ergo der Kapitalismus, wie Mephistopheles so schön sagte, nur mehr von der Substanz lebt, wie der Sozialismus.
Die heute künstlich niedrig gehaltenen Zinsen und die negative Rendite bei Anleihen zeigen doch ganz deutlich, dass wir uns im Rückwärtsgang befinden. Negativzinsen enteignen nicht nur die Besitzer von Staatsanleihen, sondern, von den Banken weitergegeben (und wenn auch nur über das Vehikel "Gebühren") das Bankguthaben, während die Schulden in gleicher Höhe bestehen bleiben. Das ist nichts anderes als eine schleichende Währungsreform per definitionem. Gleichzeitig bläht der Staat die Notenbankbilanzen endlos auf, was uns in ein paar Jährchen eine saftige Inflation bescheren wird. Die Angriffe kommen vom System selbst aus allen Richtungen, weil ein Null- oder Negativzins eben mit "Game Over" gleichzusetzen ist.

Im Prinzip ist es doch einfach:
Die erste Mehrleistung (ergo Zins 1) = Steuer in gesetzlichem Zahlungsmittel
Die zweite Mehrleistung (ergo Zins 2) = Die Steuer auf die Steuer (Notenbankprämie bei der Beschaffung des gesetzlichen Zahlungsmittels)
Die dritte Mehrleistung (ergo Zins 3) = Der Zins, der auf private Kontrakte erhoben wird, die wiederum auf gesetzliches Zahlungsmittel lauten

Jeder Zins ergibt den nächsten. Es fängt alles damit an, dass wir Geld haben MÜSSEN, weil wir den Staat finanzieren müssen. Freiwillig hat noch nie jemand ein Geldsystem errichtet. Ohne Abgabenzwang entwickelt sich alles zurück zu Stammesgemeinschaften.


Nur dort, wo Geld sehr knapp ist, kostet die Zeit Geld. Wenn ich die Luft verknappen würde, würde die auch Geld kosten, ebenso sieht es beim CO2 Eintrag in die Luft aus.

Geld ist immer knapp, solange der Staat nicht Anleihen direkt bei der ZB platziert (am besten noch mit Laufzeit 100 Jahren), weil Geld immer nachgefragt werden muss (Geld hat immer Termin!). Ohne Neukreditaufnahme (über die getilgten Kredite hinaus), gibt´s kein Wirtschaftswachstum, sondern Wirtschaftscrash. Auf staatlicher Ebene muss man überhaupt von dem Gedanken wegkommen, dass der Staat so etwas wie Geld im Überfluss haben könnte. Der Staat hat entweder Handelsbilanzüberschüsse (also Forderungen ans Ausland) oder Handelsbilanzdefizite (Verbindlichkeiten ggü dem Ausland). Er hat aber keine Schatzkiste. Würde er im Goldstandard einfach so (d.h. ohne gleichzeitige Forderung ggü dem Staatsvolk in Form zukünftig höherer Abgaben) Gold ausschütten, gäbe es ebenso einen Inflations-Impuls, wie mit Papiergeld auch. Der Clou, dass Geldmengenwachstum über private Kreditaufnahme auch Wirtschaftswachstum erzeugt, ist ja eben genau der, dass der Kreditnehmer Leistung im Marktwert seines geschöpften Geldes erbringen muss, um von seiner Schuld herunterzukommen.

Die Banken geben das bloß weiter und verlangen noch ein Scherflein mehr, um auch selbst mitzuschneiden. Der Gewinn jedes einzelnen Kapitalisten ist nichts anderes als ein Zins. Jeder will mehr hereinbekommen, als er investiert hat.


Dem widerspreche ich entschieden: Der Gewinn eines Kapitalisten ist nicht der Zins. Der Kapitalist, im klassischen Sinne also Unternehmer, kombiniert mehrere Resourcen derart, dass Gewinn - nicht Zins - abfällt. Das Kapital ist dabei noch der geringste Faktor. Er ist kein Rentier.

Der Gewinn nicht – mein Fehler: Es ist der Gewinn + die laufenden Kosten (Löhne, Betriebskosten, Notenbankprämie, etc.), die er mehr einnehmen muss, als die Bank an Geld geschöpft hat. Der Betrieb arbeitet nach dem gleichen Prinzip. Er muss mehr einnehmen, als er ausgegeben hat. Beide müssen jemand anderen tiefer in die Verschuldung treiben, um Geldüberschüsse zu erwirtschaften.

Stell einen Wechsel aus und du hast Geld geschaffen. Die Banken machen nichts anderes. Alles was du dafür brauchst sind Aktiva.


Oder überzeuge die Wirtschaftsteilnehmer, Bitcoin, Etherum oder sonstwas anstelle staatlich emitierten Geldes an Zahlung statt zu aktzeptieren....

Bitcoins sind virtuelle Assets und KEIN GELD. Sie haben keinen Schuldner als Counterpart, der Leistung erbringen muss. Sie wären als Geld also vollkommen wertlos und können nur in einem funktionierenden Geldsystem in Geldeinheiten bewertet werden, aber nicht selbst Geld sein. Gleiches gilt auch für Gold außerhalb eines Goldstandards.

Inwiefern anders? Banknoten kamen von der Notenbank gegen Zins. Banken schöpften Kredit gegen Zins. Einziger Unterschied, war der Goldbestand der Notenbanken, der je nach Deckung den Zinssatz regelte.


Der einzige Unterschied war, dass der Goldstandard die Emission von Geld beschränkte, weshalb bisher jeder Goldstandard der Geschichte - schon dutzende, wenn nicht hunderte Male durchexerziert - früher oder später aufgeweicht oder ganz abschafft wurde. Wie nannte es Einstein noch, immer das Gleiche zu versuchen, aber ein anderes Ergebnis zu erwarten?

Sehe ich genauso.

So ist es. Es gibt historisch nur zwei Arten von Leistungserzwingung/Wirtschaften: per direktem Befehl & Gewalt, oder per Selbstverpflichtung & Rechtsystem. Der Debitismus erklärt den Ablauf der letzteren Variante. Alternative dazu ist das Nicht-Wirtschaften: Sammeln & Jagen für den Eigenbedarf in der Gemeinschaft.

Zustimmung.


Das sind die bekannten Modelle. Das schliesst nicht aus, dass im Raum des Unbekannten noch weitere Modelle schlummern, die der bisherigen menschlichen Vorstellungswelt nicht zugänglich waren. Um das zu erforschen, braucht es aber ein bisschen mehr als eine Geldreform. Geldreformen sind im Debitismus noch und nöcher beschrieben, und sie werden auch wiederkommen, noch sicherer als das Amen in der Kirche. Nach der Reform ist dann, wie immer, wie vor der Reform. Ein Reset eben.

Mir ist noch keine Möglichkeit bekannt, wie man dieses System anders gestalten könnte. Die von PCM beschriebenen Grundprinzipien lassen sich meiner bescheidenen Meinung nach nicht austricksen.

Beste Grüße
Phoenix5


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