Einspruch!

nereus, Freitag, 15.05.2020, 09:45 (vor 1454 Tagen) @ Taurec2750 Views

Hallo Taurec!

So einfach ist das meiner Ansicht nach nicht.

Aufgrund des Videoeffekts, der zugleich mit Bildern, Klängen und Sprache auf die Zuschauer einwirkt, überwiegt das emotional und oberflächlich packende Momentum, während das Denken unterliegt. Mein glaubt nur, etwas richtiges und wahres erfahren zu haben.

Nicht unbedingt.
Natürlich wirken Bilder und Klänge auf die Psyche, aber daraus kann man auch nicht zwingend den wahren Glauben ableiten.
Auch in Büchern steht Schmarren und es bleibt dem Konsumenten überlassen, ob er das Geschriebene glaubt oder hinterfragt.

Videos werden in der Regel nicht auf Plausibilität überprüft. Das ist praktisch auch kaum möglich, weil hierzu exzessives Zurück- und Vorspulen nötig wäre. Wer schon mal versucht hat, in einem längeren Video eine bestimmte Aussage wiederzufinden, der weiß, was ich meine. Der zeitliche Aufwand ist unverhältnismäßig, weswegen er zumeist unterbleibt.

Das stimmt wohl, aber das gilt prinzipiell auch für Bücher oder Aufsätze.
Wer macht sich wirklich die Mühe die Fußnoten zu lesen oder gar über die angegebenen Quellen weiter zu recherchieren?
Das machen nur Leute, die es wirklich wissen wollen.
Aber die haken dann auch bei den Videos nach, sofern dort Quellen/Verweise erwähnt werden.

Videos werden in der Regel nur einmal angesehen. Texte könnte man mehrmals und in kurzer Zeit erneut lesen, um darüber in Ruhe nachzusinnen. Videos reichen niemals an die Möglichkeit heran, schriftliche Texte in Gedankeneile zu erfassen.

Auch hier möchte ich widersprechen, weil Videos den unschlagbaren Vorteil haben Dinge anschaulich im größeren Rahmen zu präsentieren.
Es ist nicht das Präsentationsmittel, welches die Dinge vereinfacht, verfälscht oder verfremdet, sondern es sind Sender und Empfänger, die mit diesen Informationen umgehen.

Die hier beschriebenen Effekte sind meines Erachtens eine wesentliche Ursache dafür, daß sich im Internet offensichtlich kernbescheuerte Theorien so rasend schnell verbreiten. Es entsteht eine breite Schicht Denk- und Lesefauler oder Lesens bzw. Denkens gar unfähiger, die nicht in der Lage sind, den Unsinn, den sie passiv konsumieren und aktiv weiterverbreiten, selbst zu überdenken und zu unterlassen, wenn er ihnen auffiele.

Hier verweise ich wieder auf die Empfänger.
Nicht die Präsentation ist das Problem, sondern die Denkfaulheit, auf die Du auch noch selbst hinweist.
Meinst Du wirklich ein Denkfauler zieht sich regelmäßig Bücher mit 250, 330 oder 480 Seiten rein?

Das Internet leistet in dieser Form der Fellachisierung Vorschub.

Das Internet ist eine großartige Sache, die man gebrauchen und missbrauchen kann.
Ohne das Spinnennetz hätte ich niemals von Werken und Meinungen erfahren, die mir zuvor völlig unbekannt waren.
In der größten Bibliothek der DDR, in Leipzig, mußte man einen Giftschein ausfüllen, wenn man an „besondere“ Literatur wollte. Manchmal kam man ran, oftmals nicht
Alle diese Werke habe ich später unter archiv.org und anderswo gefunden.
Nein, so pauschal kann man das nicht sagen.
Es liegt an dem Individuum, wie es mit diesen Dingen umgeht.

Dein Fellachentum – das ich nicht einmal in Abrede stellen will – ist ein Produkt der erzieherischen Wirkung der Macht-Eliten, die über tausend Kanäle das Bewußtsein der Massen unterwandern.
Dazu BEDIENEN sie sich des Internets und aller anderen modernen Kommunikationsmittel.

Das beste Beispiel dafür sind Leute, die nur Staatsmedien konsumieren.
Sie glauben die Fake-News zu 100 % und finden die Art und Weise, wie Mutti die Krise bewältigt, sehr OK.
Kritik daran wird umgehend abgebügelt.

Daran ist aber nicht das Internet schuld oder die beliebten Videos, sondern der Verstand eines jeden Einzelnen und die Lust oder den Willen, die Dinge zu ertragen oder zu hinterfragen.

Was allerdings wirklich massiv zugenommen hat – und was der Vereinfachung Vorschub leistet – ist die Informationsfülle, die fast nicht mehr zu bewältigen ist und wo man zwangsweise vorsortieren muß.
Und da wählen die meisten Menschen eben den "einfachen" Weg.

mfG
nereus


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