Europas Geist zwischen Kathedralen und Spelunken

Tempranillo, Samstag, 20.04.2019, 18:13 (vor 1823 Tagen) @ Tempranillo4204 Views
bearbeitet von unbekannt, Samstag, 20.04.2019, 18:17

Sollte Gott irgendwo seinen Fingerabdruck hinterlassen haben, dann in der
Kunst Europas.

Das gilt für Kathedralen, Kirchen und Spelunken.

Der Niederschlag aus Kneipen und Amüsierbetrieben jeder Sorte zieht sich durch die gesamte italienische Oper, was Richard Strauss in einem Brief an Joseph Goebbels sachlich richtig, aber ein wenig moralinsauer bemerkt hat.

Doch der Geist, auch der eines nicht existenten G.ttes weht, wo er will, selbst in Kaschemmen und Lokalitäten mit rotem Licht in allen Fenstern oder, wie in Theatern und Opernhäusern rotem Samt auf den Sitzen, die man sich nicht als Musentempel wie Bayreuth vorstellen sollte, eher als Amüsierbetrieb mit Parkett, Logen, Separée und Hinterzimmer.

Für derartige Etablissemangs haben die größten der großen Meister ihre Werke geschrieben, zu denen ich auch Gioacchino Rossini zähle, selbst wenn dessen Werke mehr auf die Seite der Unterhaltung neigen, als die des seelischen Tiefgangs.

So what! Meisterwerk bleibt Meisterwerk. Dürer, Michelangelo, Bernini, Rembrandt, Fragonard, Klimt, Schiele und Otto Dix spielen in meinen Augen allesamt in der Champions-League europäischer Kunst.

Aus einem römischen Amüsierbetrieb von 1816:
https://www.youtube.com/watch?v=p97ym1HeCNI&t=2904s

Aus Schwetzingen kommt nicht nur hervorragender und schweineteurer Spargel, 1988 wurde dort eine glänzende Aufführung von Rossinis Barbiere gegeben.

Deutschlands Ruhm und Ehre bestehen vielleicht weniger in geschmacklosen Denkmälern für Bismarck und Kaiser Wilhelm, als eher modellhaften Vorstellungen völlig undeutscher Opern wie Rossinis Barbier von Sevilla.

Die in Rom geborene Cecilia Bartoli, wo es neben dem Vatikan und vielen Kirchen nicht wenige Synagogen gibt, mit einer Glanzleistung, die Italienisch funkeln und sprühen läßt, daß ich mich wieder einmal frage, was alle an dem sch… Englisch so toll finden?

*Una voce poco fa*, 44:38: https://www.youtube.com/watch?v=p97ym1HeCNI&t=2904s

*Dunque io sto, tu non m'inganni*, 1:03:36

* Fredda ed immobile*, 1:30:00.

ROSINA
Freddo ed immobile
come una statua
fiato non restami
da respirar.

ROSINA
Cold and motionless
like a statue.
I have hardly
breath to breathe etc.

Sobald Italiener etwas komponieren und mehr als drei Leute singen, wird es statisch.

Diesen Hang, wenn man gemein sein will, Rückstand gegenüber dem großen Beweger aller Ensembles, Mozart, hat der zu floretthafter Bosheit fähige Rossini im ersten Finale seines Barbiere ironisch, vielleicht auch selbstironisch auf die Bühne gebracht.

Im Barbier von Sevilla geht's auch um Zwangseinquartierung d.h. einen zumindest vorübergehenden Verlust der Eigentumsrechte am eigenen Haus, der eigenen Wohnung. Die Berliner Huren, Stricher, Verräter und Völkermörder scheinen etwas auszukochen, das in diese Richtung geht, nur wird es nicht wie bei Beaumarchais und Rossini in buffonesker Heiterkeit enden.

Tempranillo

--
*Die Demokratie bildet die spanische Wand, hinter der sie ihre Ausbeutungsmethode verbergen, und in ihr finden sie das beste Verteidigungsmittel gegen eine etwaige Empörung des Volkes*, (Francis Delaisi).


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