Ich habe mir mal die ganzen Argumente im EWF und DGF zum Handel angeschaut

Silke, Mittwoch, 03.04.2019, 19:33 (vor 1847 Tagen) @ Centao3001 Views
bearbeitet von Silke, Mittwoch, 03.04.2019, 20:10

weil ich solche Fragen zumindest für mich so beantwortet haben will, dass ich dann guten Gewissens nörgeln kann.[[zwinker]]

Lieber CenTao,

können nicht auch "scheinbare" Ausnahmen zur Festigung des debitistischen
Weltbildes dienen?

Unbedingt.
Das schrieb ich aber auch...

Inwiefern sich die Industal-Ziv-Entwicklung genauer
einordnet, obliegt eben mal noch dem Erkenntnisprozess, zu mindestens bei
mir.

Zumindest sind ja alle hier wohl einer Meinung, dass aus relativ friedlichen und gewaltärmeren Strukturen (Gemeinschaften) irgendwann relativ kriegerische gewalttätige Strukturen (Gesellschaften) werden...werden müssen, wenn sie unter den schwankenden Umweltbedingungen nicht aussterben wollen wie all jene, die eben diesen Schritt nicht gegangen sind.

So einfach kommst Du mir aber nicht davon, auch wenn die Logik der
Entstehung des Handels aus unserer heutigen Sicht klar und zwingend für
mindestens begleitende ZM-Strukturen für royal merchants / privateers
spricht..<img src=" />

Das sind sämtlich die von @dottore und Co. vorgetragenen Argumente, die ich bloss aus meiner tiefen Überzeugung heraus verteidige gegen die weltfremden Darstellungen der Elfenbeinturmbewohner.
"Die Details entscheiden und nicht irgendwelche schlank dahingeworfenen"Handelgibt'sheute - alsohatesihnschonIMMERgegeben"-Thesen"
@dottore
Das dazu zusätzlich gelesene Material kann man intepretieren indem man zwei Arbeitshypothesen formuliert:
1. Handel ist ein primär privates Phänomen, dass von der ZM gekapert wurde, oder
2. Handel ist ein ZM-Phänomen, dass sich die Privaten zu Nutzen machen (Machtzession) um davon zu profitieren.

Zu 1.
- Wozu und was sollten die Partner handeln?
- Wie sollten sie dabei Wertverhältnisse definieren?
- Wie sollten sie einen reibungslosen Ablauf sicher stellen?
- Wie sollten sie ihre Handelsaktivitäten finanzieren?

Die im Forum angebotenen Argumente sind nach meinem Empfinden erschöpfend.
Stämme (in segmentären Gemeinschaften) mit ihren Unterstämmen funktionieren deshalb, weil sie alles haben, bzw. sich alles verschaffen können, was sie brauchen, ohne sich gegenseitig zu massakrieren - Essen, Trinken, Schutz/ Wohnen, Wärme, Werkzeuge, Waffen, Nachkommen usw..
Beim Erreichen der Dunbar-Zahl erfolgt eine Abspaltung eines Segmentes, eines Unterstammes mit den gleichen Strukturen, Verhaltensweisen, Wertvorstellungen, Ahnenreihen und Gewohnheiten des Hauptstamm, der neues Territorium sucht, aber mit dem Hauptstamm in loser Verbindung bleibt. Das haben U.Wesel und Ch.Sigrist, Evans-Pritchard, Fortes, Durkheim uva. lang und breit beschrieben.
Ein Stamm besteht aus mehreren primären Segmenten, die wiederum aus sekundären und tertiären Segmenten bestehen, welche miteinander mehr oder weniger stark kooperieren und konkurrieren unter Einhaltung bestimmter Tabus (Inzest, vorsätzliche Schädigung anderer Stammesmitglieder) und Gebote (Exogamie, Reziprozität), Gewohnheiten (Wiedergutmachungspflicht) und Verboten (Machtverklumpung wird aktiv bekämpft) usw. usf..
Also was soll man untereinander handeln?
Lebensmittel?
Die verschafft sich jeder selbst auf die gleiche Art, Jagen, Sammeln, Fischen, Ackerbau, Fischen, Viehzucht usw.
Werkzeuge?
Jeder Unterstamm stellt seine eigenen Werkzeuge her weltweit auf die verschiedenste Art.
Waffen oder Waffenmaterial?
Das nun ganz bestimmt nicht privat?
Schmuck und Luxus?
Wozu? Kunst stellt jeder selbst her.
Technologie/Informationen?
Die wird unter den Stämmen weiter gereicht und ausgetauscht durch Heirat/Paarbeziehungen, friedenserhaltende Gewohnheiten und generell hohe Fluktuation der Mitglieder (häufigstes und geeignetes Mittel zur dauerhaften Streitschlichtung in den Unterstämmen).
Am Beispiel der Nuer wurde beschrieben, dass in den Stämmen die Menschen gleichzeitig in
-Ahnenreihen (Lineages)
-Dorfgemeinschaften (regional)
-Altersbünden alt<->jung (Gada)
-anderen Interessenverbänden
organisiert waren/sind und sich untereinander fleissig austauschten und in den verschiedensten Interessenkonflikten standen (Möglichkeit von Rache/Fehde für Fehlleistungen so wie bei den sogenannten Schimpansenkriegen eben auch oder für Hexerei), dass keine Machtzentralisation und -Institutionalisierung möglich war.
Da konnte sich keine ohnmächtige Masse bilden, die den Lügen, geweckten Hoffnungen und gemachten Versprechen eines Charismatiker's erliegen konnte weil Funktionsautoritäten immer nur zeitlich begrenzt akzeptiert wurden, nicht per Wahl sondern per Duldung der Führungsübernahme, bis die Aufgabe erledigt war.
Werte von Handelsgütern sind immer Machtderivate, weil das etwas mit dem "haben müssen" zu tun hat, mit den "Terminen, zu denen sie erscheinen müssen", die durch eine Macht gesetzt werden.
Verhältnisse dieser Werte sind immer Ausdruck der Stärke der beteiligten Mächte - der Stärkste diktiert.
Wo sollen die Handelsplätze der privaten Händler gewesen sein und die Überbleibsel ihrer ganzen Logistik (Warenhäuser, Transport, Silos usw,)
Ein reibungsloser Handel bedarf einer höheren Instanz, die angerufen werden kann zur Schlichtung, die die Regeln vorgibt und Regelbrüche sanktioniert.
Letztlich muss ein Handelsprozess unbedingt vorfinanziert werden (Lohn gibt es es erst bei Handelsabschluss, nicht aber bei Erstellen der Handelsgüter, Transport und Vorbereitung des Handels - Zeit verrinnt, in der Urschuld bedient werden muss). Wenn du mit einem Schiff voll Waren über Wochen unterwegs bist kannst du in dieser Zeit deinen Grundbedarf nicht decken (die Subsistenz) und musst dich gegen Räuber, Hindernisse und Katastrophen verteidigen. Wo soll der Profit herkommen um die Riesenlöcher, die diese Vorfinanzierung reisst, zu stopfen?

Zu 2.
- Erst kommen die Söldner und Pfaffen, dann die Händler und Unternehmer
- Erst werden Tribute erhoben, dann wird gehandelt.
- Frieden ist ruhender Krieg und Handel Machtzession der tributierenden Macht
- Gehandelt wird erst, was Herrscher brauchen (Status- und Machtzeug).
- Dann wird alles gehandelt was unter herrschaftlichen Schutz und unter herrschaftliche Kontrolle einschliesslich Abgabe gestellt werden kann.

Das passt alles viel besser auf Handelsaktivitäten.
Händler/ Agenten ziehen unter dem Schutz des Herrschers und beschaffen, was "des Herrschers Herz erfreut" um daran zu profitieren.
Handel ist ein sehr ineffektives Geschäft im Vergleich zu Raub und Tributierung wenn nicht...
...der Gegenüber genau so bewaffnet und stark ist wie ich, so dass ein Raubversuch mich wahrscheinlich teurer zu stehen kommt als ein Handelsangebot, bei dem die Waffen nur gezeigt, aber nicht benutzt werden.
Möglich wird ja Handel immer erst, wenn davon die Machtstrukturen profitieren (Abgaben, Gebühren, Beschaffen von Luxus- und Machtzeug wie Lapislazuli, Jade, Edelmetalle, Seide, Gewürze wecken von Bedürfnissen, die vorher nicht existierten, nun aber kostspielig befriedigt werden können) und dafür im Gegenzug die Infrastruktur und den Schutz bereit stellt, ausbauen und beschützen (Strassen, Handelsstädte, Zollgrenzen usw.).

Dazu gehört aber auch eben für eine ordentliche Gegenthese im Mindesten
das Lesen der vom @Weiner angegeben Originalquellen, wobei dies natürlich
subjektivierte Quellen sind. Dazu dann demnächst mehr.

Also die Obsidianhandel-Story (in Europa und Südamerika) ist ja z.B. Fake-News vom Feinsten, die allein an ihrer inneren Logik zusammen bricht und eine typische Spin-Doktorei von ZMS-verseuchten "Wissenschaftlern" darstellt.
Die hat der @dottore mit seinen Quellen damals schon widerlegt.
Für die ZM-These hat er viele Beispiele angeführt.
Für primär privaten Handel gibt es keine guten Beispiele.

Problematisch ist, wie bei der ganzen Machttheorie vs, Tauschparadigma, dass die Systemwissenschaften sich mit immer neuen und stärkeren Falsifikationsversuchen und mächtigeren Simulationen durchsetzen werden (siehe "Verbotene Archäologie" und "Archäologie und Macht") und kritische Leute wie der @dottore und Mitstreiter einfach aussterben oder aufgekauft werden.

Indien ist aber eben auch in vielerlei Hinsicht so völlig anders.. ich
war dort und lassen wir uns überraschen was da noch kommt.

Erst waren mehr oder weniger friedliche und gewaltarme Stämme unterwegs die im Zuge der schwerwiegenden Umweltveränderungen entweder ausstarben, kriegerisch wurden oder von anderen kriegerischen Gesellschaften übernommen wurden.

Kooperative Elemente haben sich überall so lange gehalten, bis sie sich nicht mehr halten konnten.

Wenn man sich mal in die Gedanken von R.Dawkins, D.Dennett und Co. vertieft sind wir sowieso nur "Apes with infekted brains" weil wir Menschen ja sowieso nur die Container für die immer komplexer und widerstandsfähiger werdenden Informationsstrukturen (Gene, Meme, Kulturen, Felder) darstellen.
Wir haben jetzt noch eine gewisse Zeit des Nebeneinander von biologischen und digitalen Strukturen/Personen, bis die biologischen dann nach und nach verschwinden wie die hikikomori in Japan heute schon.

Wenn man sich dem Phänomen "Handel" aus thermodynamischer Sicht nähert geht es um Negentropieverschaffung und die Anergiesenke des @Kurt weil unsere Schulden, Produkte, Müll irgendwohin entsorgt werden müssen, damit wir bei unserer ganzen Entropieproduktion (die entsteht nun einmal bei der Komplexitätszunahme, die wir betreiben - die wir als Lebewesen betreiben müssen) nicht daran ersticken.
Nachschuldner müssen her um jeden Preis.
Am besten solche, die daran fallieren weil nur ausgebuchte Schulden gute Schulden sind.

Schulden verschwinden in den endlosen Ver- und Entschuldungsketten ja nicht durch Konsum, wie hier immer wieder behauptet wird (dadurch werden sie nur erfolgreich weiter gereicht) sondern durch Fallieren von Nachschuldnern, nachdem sich die Altschuldner durch Nachschuldnerstellen erfolgreich entschulden konnten und die Nachschuldner ihrerseits keine Nachschuldner mehr akquirieren können.

Einfaches Beispiel:
Meine Urschuld "Hunger" wird nur dadurch bedient, dass ich einen Nachschuldner zum Fallieren zwinge - ein anderes Lebewesen töte (Hasen schiessen, Fisch fangen, Schwein schlachten, Weizen abmähen, Kartoffeln ausbuddeln, Nüsse pflücken usw.).
Dumm gelaufen für die Nachschuldner (Hase, Fisch, Schwein, Weizen, Kartoffelpflanzen, Nussbaumpopulation) die sich mit den von mir entnommenen Elementen nicht mehr vermehren können, deren Informationsgehalt für die Spezies verloren geht.

Nicht nur Bargeld (auf Metall und Papierträger beurkundete Geldeinheiten) wird den digital beurkundeten GE weichen, auch Informationseinheiten auf biologischer Grundlage (biologische Menschen) werden den viel resistenteren nicht biologisch definierten Informationseinheiten weichen (Meme brauchen vielleicht irgendwann keine Menschen im herkömmlichen Sinne mehr, wie die sumerischen Tontafeln oder komplexe moderne Computerprogramme zeigen).
„Evolution is cleverer than you are“
Orgel's second rule

Liebe Grüße
Silke


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