Ja, das erscheint wie ein Widerspruch, aber das ist eigentlich gar keiner ...
Das hier:
Was nicht geht, ist individualistisch frei zu sein und dabei einem Clan verpflichtet zu bleiben, freigeistig zu sein und an alten Traditionen zu hängen. Beides schließt sich in der Regel gegenseitig aus, weshalb uns ja Araber und Co auch ziemlich quer im Magen liegen...
Die Araber sind oft das, was man "in Traditionen erstarrt" nennt. Das findet sich auch bei Kirchenchristen, bei allen möglichen Religionen oder auch nur kulturellen Strömungen. Frag mal Durchschnittseuropäer, ob die aus dem Stehgreif wissen, warum sie zu Ostern Ostereier anmalen oder warum Ostern Ostern heißt. Da müssen alle erst im Internet doofeln. Es ist aber eine andere Art von Tradition, wenn einer beim Ostereier bemalen geeeeenauuuestens weiß warum er das so macht und warum das Ornament genau so aussehen sollte und was es zu bedeuten hat und wenn er sich dabei innerlich mit der betreffenden Göttin verbindet, mit ihr spricht, sie auch erreicht (im Gegensatz zum verkümmerten Zivilisationsopfer, für den das alles Glaubenssache und Märchen sind) und mit der zu Ostern quasi einmal im Jahr "telefoniert". Der absolut gleiche Mensch, der da zu Hause also diesen Daueraltar hat, wie es gute alte Tradition in vielen Kulturen ist, hat vielleicht auch in Physik promoviert und empfindet das nicht als Widerspruch. Er hat Familie, weil er das als einen karmischen Auftrag begreift, und fühlt sich seiner Gemeinschaft, sogar vielleicht der Dorfgemeinschaft verpflichtet, geht sogar zu gewissen sehr traditionellen Anlässen wie dem Feuerwehrfest auf der einen und dem jährlichen esoterischen Anthroposophentreffen zu Ostern, Beltane geht er dann mit seinen Kindern woanders auch noch feiern, aber immer weil er weiß warum, wieso, weshalb, immer in innerer, wissender Verbindung zu den jeweiligen Gemeinschaften, mit finanziellen und zeitlichen Opfern, die so groß sind, dass er dafür problemlos auch so gewisse hohle Karrierewege gern dankend ablehnt.
Sorry, lang, ich verstehe und sehe erstarrte Traditionen, z.B. in Waldorfkreisen, und gleichzeitig weiß ich, dass der "individualistisch freie" Weg eigentlich derjenige des 18. und 19. Jahrhunderts ist, da kann man eben Jack London lesen und die Cowboy-Literatur, da kann man halt ins gelobte Amerika ziehen oder auf ewig Erfolgsliteratur lesen, wie man sich selbst verwirklicht. Das ist alles genauso überholt wie die arabischen Familientraditionen.
Ok, also die Zukunft wird aus Sichtweise der Traditionalisten und der Futuristen (Sozialisten) unverständlich sein, denn die Menschen aus der Zukunft werden Traditionen und Individualität widerspruchsfrei verbinden können, u.a. weil sie den Unterschied zwischen Freiheit und Abhängigkeit verstehen: Freiheit ist die Freiheit seine Abhängigkeiten frei wählen zu können. Sie wählen dann immer individuell frei zwischen allen möglichen Strukturen und man kann sich leicht vorstellen, dass das Angebot der modernen Zivilisation nicht eben lukrativ ausfällt (schlechte Zähne und degenerierte Körper, Über-Intellektualismus, eintönige, unterfordernde Jobs, Vereinzelung und Atomisierung sämtlicher Lebensbereiche ohne jedweden inneren Zusammenhang, Ungerechtigkeiten, die mit modernen Rechtsstaaten eher größer und nicht gerade kleiner geworden sind, ... die Liste wäre endlos fortsetzbar ...). Äußerlich wird das dann aus heutiger Sicht interessant aussehen, weil es an vielen Stellen wie das Leben im 19. Jhd. aussehen wird (da ist der Vergleich mit den Amish berechtigt) und andererseits werden die aber Edelstahlschrauben in ihre traditionellen Schuppen schrauben, sie haben vielleicht auch nichts gegen Fahrräder mit Aluminiumrahmen und generell werden sie in Sachen Technik so einiges benutzen, was zeitlos ist, da langlebig, weil also die Lebensarbeitszeit-Gesamtbilanz und Naturverträglichkeits-Generationenbilanz positiv ausfällt, wozu eben auch gewisse moderne Materialien zählen (Edelstahl, gewisse Glaserzeugnisse, bestimmte Kommunikationsmittel). Da wird einiges von der Zivilisation übrig bleiben, keine Sorge. Aber das wird trotzdem kein Sieg der Zivilisation sein, sondern ihr überfälliger Niedergang. Darauf können wir uns menschlich gesehen freuen. Aber genau diese Entwicklung wird extremst bekämpft, darin sehen die aktuellen Eliten eine riesen Gefahr. Denn mit Regieren wäre es dann erstmal vorbei für einige Jahrhunderte.
Naja, vielleicht bleibt das alles ein Wunschtraum, ich weiß nicht, wohin wir in Zukunft steuern, aber sehe diese Impulse aktuell in der Gegenwart verstärkt im Kommen.