Sie sind nicht weit, nur auf der anderen Seite des Weges.

nereus, Mittwoch, 08.04.2020, 15:11 (vor 1471 Tagen) @ Hausmeister4355 Views

Herzliches Beileid den Hinterbliebenen.

Lassen wir dazu einen gewissen Herrn Strobl ein paar passende Worte finden, auch wenn sie aus dem Jahr 2009 stammen.

Während meines Studiums standen Lehrbuchklassiker wie „Economics" von Samuelson/Nordhaus auf der Tagesordnung und Gott weiß, was ich in meinem Leben alles hätte werden können, wenn ich der lehrplanmäßigen Lektüre die gebotene Demut entgegengebracht hätte. Habe ich aber nicht, denn viel spannender waren die Texte von Marx und Minsky, Kalecki und Robinson, und vor allem die eines deutschen Sachbuchautors namens Paul C. Martin. Der schrieb obendrein frech wie Oskar und goss den Spott in Kübeln über die Weisheiten der reinen Lehre.
So unterhaltsam seine Bücher waren, für das Literaturverzeichnis der Diplomarbeit eigneten sie sich definitiv nicht. „Cash - Strategie gegen den Crash" oder „Der Kapitalismus - ein System das funktioniert" - nur zwei der zahlreichen Titel des ehemaligen Friedman-Schülers Martin, mit denen er seine gänzlich „andere" Sicht der Wirtschaft vehement in die Öffentlichkeit trug.
Immer wiederkehrende Motive bei Martin sind der Staatsbankrott und das finale „Game over" des kapitalistischen Systems - Topoi also, die im Zuge der Krise wieder verstärkt ins Blickfeld geraten sind.
..
Herr Dr. Martin, ist der Kapitalismus ein System, das funktioniert?

Die Essenz des Kapitalismus ist der Kredit. Finden sich genügend Kreditgeber und in entsprechender Höhe Schuldner, funktioniert das System auf der ersten Stufe. Da die Kreditnehmer Zinsen schuldig sind und überdies Gewinne realisieren wollen, bedarf es ab der zweiten Stufe zusätzlicher Kreditgeber bzw. – nehmer, da die von den Unternehmen ausgezahlten Faktorkosten nicht ausreichen, um die Märkte zu räumen. Diese zeitlich späteren „Nachschuldner“ müssen die zu zahlenden Zinsen bzw. zu realisierenden Gewinne finanzieren – und so immer weiter. Damit ist der Kapitalismus ein Kettenbrief. Fallen die erforderlichen Nachschuldner aus, kommt es auf den zeitlich vorgelagerten Stufen zu Krisen und Kollaps.
..
Die großen westlichen Industriestaaten sind zwischen 70 und 100% des BIP verschuldet, Japan mit fast 200%. Wo liegt Ihrer Meinung nach die Grenze?

Es gibt keine „objektive“ Grenze, bestenfalls eine psychologische. Die ist erreicht, sobald die Bürger merken, dass die Staatsschulden nicht mehr zurückgeführt werden können und sich von der Idee verabschieden, dass der Staat als Nachschuldner-Krisen in den „Griff“ kriegen könnte. Schulden lassen sich nicht mit noch höheren Schulden tilgen.
..
Wie geht die aktuelle Krise aus – Aufschwung ohne Ende? Oder Game over?

Aufschwung ohne Ende, sofern die weltweiten Uneinbringlichkeiten sämtlich auf den Staat gebucht werden, alternativ: Bankenverstaatlichung.
Game over, sobald der Schwindel mit der Staatsverschuldung durchschaut ist.
Immerhin hat sich die deutsche Staatsverschuldung seit 1948 verhundertsechzigfacht.
Irgendwann lässt sich nicht mehr länger verheimlichen, dass da etwas nicht stimmen kann.

Quelle: https://blogs.faz.net/chaos/2009/07/06/aufschwung-ohne-ende-bis-zum-bitteren-ende-36/

So weit aus dem Interview unseres ehemaligen Mitschreibers @weissgarnix.

Ruhen Sie sanft @dottore und schauen Sie sich das finale Treiben von oben gemeinsam mit @Tassie, @Euklid und Reinhard Deutsch an.

Sie haben unermüdlich vor diesem Wahnsinn gewarnt - vielen Dank dafür.

[image]

mfG
nereus


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung