Schopenhauer: "Zum Denken sind wenige Menschen …

Ostfriese, Freitag, 06.06.2025, 13:10 (vor 198 Tagen) @ heller3842 Views
bearbeitet von Ostfriese, Freitag, 06.06.2025, 13:15

Hallo heller

Mir persönlich hilft dieses Forum
und dafür bedanke ich mich bei den Organisatoren und bei denen, die Beiträge im obigen Sinn
verfassen.

Exakt

Während dottore im 1. Teil seines Beitrages

https://archiv.dasgelbeforum.net/ewf2000/forum_entry.php?id=295565 Re: Es läuft EXAKT wie 1929 ff. - Gute Reise allerseits! verfasst von dottore, 11.10.2004, 14:07,

die heutige ökonomische Situation mit jener der Weltwirtschaftskrise in Beziehung setzt …

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→ Hi,

Das ist der Schlüsselsatz:
Je weniger Konkurrenz desto höher der Preis.
Wir dürften inzwischen Quasi-Monopole im Bereich der Automobilindustrie, Telekommunikation, Müllentsorgung, Pharmaindustrie sowie Energieerzeuger haben.

Ja, die hatten wir 1929 auch. Damals sogar in Kartell-Form. Bis 1930 sind die kartellierten Preise im Deutschen Reich stetig angestiegen und die Zahl der Arbeitslosen hat stetig zugenommen.

Dabei gab's die interessante Konstellation: Je mehr und je länger die Kartell-Preise (Quasi-Monopol-Preise) angestiegen waren oder hoch gehalten wurden, desto mehr Arbeitnehmer wurden in den Quasi-Monopol-Bereichen entlassen.

Dies deckt sich perfekt mit der aktuellen Lage, wo Automobilindustrie und Telekommunikation seit 2000 ca. 15 % der workforce (reingerechnet die Arbeitszeiten) verloren haben, bei den kommunalen Müll-usw.-Betrieb (kommunale Gemeinschaftsdienste) wurden in einem Jahr 25.000 Stellen abgebaut. Bei Pharma darf auf Aventis verwiesen werden (Jobabbau wird um 2000/3000 Stellen befürchtet). Bei den Energieerzeugern finde ich keine Jobzahlen, aber die Produktion ging 2003 um 4,2 nach 3,8 % zurück (EU-Raum). Insgesamt ist die Branchen-Statistik etwas mangelhaft.

Das Verarbeitende Gewerbe und der Bau haben jeweils ca. 0,5 Mio. Beschäftigte verloren.

Nun schauen wir uns die Lage von 1929 ff. (klassische DeDe = deflationäre Depression) an - und entdecken verblüffende Parallelen:

1. Die Industrie forderte zur Erreichung der Vollbeschäftigung vor allem die Senkung der Sozialabgaben (große Denkschrift des Reichsverband der deutschen Industrie = RDI). Wie heute...

2. Die Leistungen der Sozialversicherung sollten erhalten bleiben, aber sich künftig den Grenzen wirtschaftlicher Tragfähigkeit anpassen und nur den wirklich Bedürftigen zukommen (so die Denkschrift). Auch wie heute...

3. Dazu vom Reichsverband der deutschen Industrie gefordert:

- Senkung der Tariflöhne. Wie heute (etwas verklausulierter)

- Lockerung der Tarifbindung. Wie heute (Flächentarifvertrag adieu)

- Privatisierung von Staatsbetrieben. Wie heute (vgl. Bahn, Post, usw., usw.)

- Reform der Krankenversicherung. Wie heute (Unions-Debatte)

- Steuersenkung. Wie heute (teils schon durchgezogen)

- ausgeglichene öffentlichen Etats. Wie heute (mahnt sogar die Buba an)

Als Brüning im März 1930 (die DeDe begann erst zu dämmern) Kanzler wird, beginnt er mit Hilfe der - damals verfassungsmäßig möglichen - Notverordnungen die Forderungen der Denkschrift umzusetzen:

1. Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung wird auf 4,5 Prozent angehoben (Höhe ziemlich genau wie heute).

2. Zwangsgebühr für Krankenscheine wird eingeführt (heute die 10-Euro-Kiste).

3. Beteiligung an den Arzneimittelkosten (davon kann heute jeder sein Liedlein trällern, Brillen, Zahnersatz, usw. usw.)

4. Die Krisenfürsorgeunterstützung (heute: Arbeitslosenhilfe) wird gesenkt und ihre Bezugsdauer verkürzt. Wie heute - man lese Hartz IV nochmals durch

5. Lohnsenkungen, z.B. in der Metallindustrie um 8 %. Wie heute - man erinnere sich an die Hunderte von Millionen, die bei VW (Hartz) und Opel (Bob Lutz - Forster - Demendt) eingefordert werden

6. Die Gehälter und Pensionen der Beamten werden um 6 % gekürzt. Wie heute, nur etwas geringer (noch). Mehr in der Diskussion

7. Grund- und Gewerbesteuern werden gesenkt. Grundsteuern heute (noch) nicht, Gewerbsteuer-Senkungsdiskussion hier schon ausführlich geführt

8. Bier- und Tabaksteuer werden auch erhöht. Wie heute, man ersetze Biersteuer durch Mineralölsteuer und Ökosteuer. Tabaksteuer deckungsgleich!

Die Zahl der Arbeitslosen steigt weiter, auf über 4 Millionen... Dann:

9. Notverordnung zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen mit 10 % Streichung der Arbeitslosenunterstützung. Siehe heute nochmals Hartz IV...

10. Löhne, Gehälter und Renten der Arbeiter und Angestellten im öffentlichen Dienst werden um bis zu acht Prozent gekürzt. Dazu heute Ansätze (siehe eben) und es ist alles auf bestem Weg dahin...

Wie ging's weiter?

- Groß-Pleiten wie Nordwolle-Konzern. Heute bestaunen wir Karstadt...

- Banken zicken. Wie heute. Und: Warte nur, Basel II kommt auch noch...

- Steuern sollen weiter sinken. Heute: Kirchhoff- und Merz-Projekte...

- April 1931 neues RDI-Memorandum zum Thema Lohnkosten (heute zunächst Lohnnebenkosten) immer noch zu hoch. Senkung der Gestehungskosten (aha!) bisher noch nicht in dem Ausmaß und dem Tempo durchgeführt wie es die Wirtschaftslage erfordert hätte. Als ob's aus einem heutigen BDI-Memorandum wäre...

- Sozialversicherungsbeiträge werden erhöht. Tja, irgendwo muss auch heute der Fuchs aus dem Bau...

- Arbeitslosengeld/-hilfe werden von 26 auf 6 Wochen gekürzt. Wie ist das heute nochmals mit Hartz IV?

- Bedürftigkeitsprüfungen werden eingeführt. Schon mal heute jemand den 16-Seiten-Fragebogen für Hartz IV durchgelesen?

- 5 Mio. Arbeitslose. Erwartet heute sogar die BfA selbst für Winter 04/05...

Und die DeDe war vollendet. Rest bekannt.

Wer also genau hinschaut, sieht fraglos mehr Parallelen zu 1929 ff. als - wie Herr Fels von Morgan Stanley - zu 1970 ff..

Dass der übrige Mainstream den üblichen Optimismus verbreitet (nicht mal Stagflation, sondern baldige Wiederaufnahme der störungsfreien, sich am Wachstumspfad ausrichtenden Wachstums), sei ihm von Herzen gegönnt.

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… geben seine Schlusssätze die heutige psychologisch-geistige Verfasstheit aller User des Gelben Forums - mich eingeschlossen - wieder.

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Jeder kann es sich selbstverständlich gern selbst aussuchen, welches Szenario Herz & Gemüt entspricht. Argumente an den Verstand richten bekanntlich nichts aus, was wir schon seit Schopenhauer wissen.

Von ihm auch das:

… geneigt, obwohl alle zum Rechthaben."

Was ich mit Freuden auch auf mich beziehe.

Gruß!

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Gruß - Ostfriese


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