Nein, eben nicht.

Morpheus ⌂, Dienstag, 14.03.2023, 12:36 (vor 381 Tagen) @ Mephistopheles4376 Views

Hallo Mephistopheles,

warum wird Gold und Baumwolle auf Haiti zu Geld, was es vorher eben nicht war?

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Zum Erkennen der Funktionsweise von Geld ist ein historisches Beispiel hilfreich: Im Internet ist die folgende Geschichte zu Christoph Kolumbus zu finden, die der Geschichtsschreiber Pietro Martire d’Anghiera so (oder zumindest so ähnlich) niedergeschrieben haben soll. Ob die Geschichte letztlich exakt so stimmt oder nicht, ist eigentlich egal. Wichtig ist nur, dass wir daran erkennen, wie Geld funktioniert und warum es keinesfalls nur ein Medium zum Vereinfachen von Tauschgeschäften ist, wie uns in der Schule fälschlicherweise beigebracht wird.
Kolumbus war als Verwalter von Haiti eingesetzt. Er brauchte Gold aus zwei Gründen:

1. um seine Kosten zu decken und
2. weil er es dem spanischen König versprochen hatte.

Nun wollte er aber nicht selbst nach dem Gold suchen und so stellte sich die Frage, wie er die Haitianer dazu bewegen konnte, ihm das Gold zu übergeben. Die Haitianer hatten Gold nämlich oft nur seines Gewichts wegen verwendet, um ihre Fischernetze damit zu beschweren. Für sie hatte Gold keinen besonderen Wert. Trotzdem sahen sie keinen Sinn darin, ihrem despotischen Besatzer das Gold einfach so zu überlassen.
Also wendete Kolumbus Gewalt an. Jeder Haitianer über 14 Jahren musste eine bestimmte Menge Gold abliefern und bekam dafür eine jährlich wechselnde Münze ausgehändigt, die er um den Hals tragen musste. Wer kein Gold hatte, konnte alternativ 25 Pfund Baumwolle abliefern und bekam dafür ebenfalls eine Münze ausgehändigt. Die Münze garantierte eine zeitlich begrenzte Straffreiheit. Denn wer ohne gültige Münze um den Hals angetroffen wurde, dem drohten drakonische Strafen. Angeblich wurden Hände, Ohren oder Nasen abgeschnitten, die dann statt der Münze um den Hals zu tragen waren.
Geld als Phänomen entsteht bei Abgabepflicht
Was bedeutete das für die Haitianer? Etwas ganz Gewaltiges. Sie waren plötzlich dazu gezwungen zu wirtschaften. Wirtschaften heißt, Leistungen bis zu einem vorgegebenen Termin zu erbringen. Konnten sie vorher in den Tag hineinleben und nur dann etwas zum Essen beschaffen, wenn der Hunger sie quälte, war es plötzlich sehr ratsam, sich rechtzeitig entweder mit Gold oder aber mit Baumwolle einzudecken, um den andernfalls drohenden Strafen zu entgehen. Die Menschen konnten nicht länger nur ihren eigenen Bedürfnissen oder denen der Sippe nachgehen. Sie wurden dazu gezwungen, die Bedürfnisse anderer Menschen außerhalb ihrer eigenen Sippe zu befriedigen, um von diesen entlohnt bzw. bezahlt zu werden (wobei die Bezahlung wie oben erläutert nur gefordert wird, um die Straffreiheit zu erreichen). Denn wer weder Goldfundstätten kannte noch Baumwolle anbaute, musste sich eines von beiden Abgabegütern durch das Erbringen von anderen Leistungen besorgen. Wie konnte der Haitianer das schaffen? Er konnte dafür entweder andere Waren gegen Gold tauschen oder, wenn er keine Waren hatte oder hergeben wollte, musste er Arbeitsleistungen gegen das Abgabegut tauschen.
Dieses Abgabegut bezeichnet man seitens der Machthaber schon immer als Geld. Mit dem Akt der Straf-Androhung durch Kolumbus wurden für die Haitianer in diesem Moment die bisher „nur“ als Rohstoffe behandelte Dinge, also Gold und Baumwolle, zu Geld. Das ist heute mit dem Euro für uns nicht anders. Aber Geld als solches hat nichts mit dem inneren Wert dieser beiden Rohstoffe zu tun.
Geld (damals Gold und Baumwolle, heute Euro) war und ist nur deshalb so wichtig für alle Menschen und Geld bekommt nur deshalb einen Wert, weil für die Beschaffung dieses Geldes gearbeitet werden muss. Es erfüllt keinen anderen Zweck. Um Geld bei Kolumbus abliefern zu können und so der angedrohten Strafe zu entgehen, musste jeder Haitianer sich Geld zunächst beschaffen. Und „Geld zu beschaffen“ heißt nichts anderes als dass man (für andere), die es schon haben, arbeiten muss.
Der Wert von Geld entsteht durch die erzwungene, wiederkehrende Nachfrage
Nach dem zweiten Weltkrieg wurden mangels eines stabilen Geldes oft Zigaretten als Ersatzgeld verwendet. Warum waren Zigaretten dafür so gut geeignet? Weil sie von Nikotinsüchtigen stets aufs Neue nachgefragt wurden. Jeder, der Zigaretten sammelte, konnte sich sicher sein, dass es eine ständige Nachfrage geben würde. Mit „echtem“ Geld ist das nicht anders. Die Haitianer mussten jedes Jahr wieder Baumwolle oder Gold abliefern. Damit verschwand es aus dem Besitz der Haitianer und sie mussten anfangen, sich wieder neues Geld zu besorgen. Geld verhält sich also genauso wie Nahrung und muss genau wie Nahrung beschafft werden.
Geld entsteht aus unter Zwang geforderten Abgaben, aus nichts anderem. Geld ist ein beliebiges Gut, das vom lokalen Machthaber ausgewählt wird und das von dessen Untertanen unter Androhung von Gewalt beschafft und an ihn abgegeben werden muss. Auf diese Weise schafft die Einführung von Geld einen Arbeitszwang, und dieser wiederum ist es, der Geld seinen Wert gibt: Geld ist wertvoll, weil der, der es nicht hat, es nur durch Arbeit bekommen kann.

(Geld-Theorie Teil 1)
Definition: Geld ist eine abstrakte Ware, die Menschen unter Strafandrohung an sich wiederholenden Terminen abliefern müssen. Die Eigenschaften und Funktionen von Geld lassen sich ohne die Kenntnis der realen Ware beschreiben.

(Geld-Theorie Teil 2)
Welche reale Sache als Abgabegut zu Geld wird, also von den Untertanen wiederkehrend beim Machthaber abzugeben ist, legt der Machthaber fest. Diese Festsetzung ist immer regional auf den Machtbereich des jeweiligen Machthabers beschränkt.
Auf Haiti waren es zu Zeiten von Kolumbus Gold und Baumwolle gleichermaßen.

(Geld-Theorie Teil 3)
Definition: Gesellschaften sind räumlich begrenzte Zusammenschlüsse von Menschen, bei denen Geld die Menschen in zwei Klassen, die gewaltbereite Obrigkeit und die gehorchenden Untertanen, teilt. Die Obrigkeit fordert Geld, die Untertanen müssen es abgeben. Dieses Schema ist bis heute die Basis aller Gesellschaftssysteme, die historisch betrachtet mehr oder weniger erfolgreich waren.
Geld ist mehr als ein Tauschmittel

Waren oder Gegenstände wurden von Menschen schon lange, bevor es Geld gab, getauscht. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Sobald es Besitz gibt, gibt es auch Tausch. Ein Tausch ist etwas, das auf freiwilliger Basis und zum gegenseitigen Vorteil stattfindet.
Bei Geld hingegen verschwinden in eine Richtung die Freiwilligkeit und der gegenseitige Vorteil. Geld muss beschafft werden, weil die Machthaber die Herausgabe unter Strafandrohung und Termindruck verlangen. Und die Vorteile aus der Abgabe haben primär die Machthaber, nicht die Abgebenden. Denn diese müssen das Geld beschaffen, wie auch immer.

(Geld-Theorie Teil 4)
Geld existiert zum Vorteil der Machthaber. Der sich wiederholende Abgabenzwang erzeugt bei den Untertanen einen Geldbeschaffungszwang.

Dieser Beschaffungszwang führt dazu, dass Geld (welche reale Ware es auch immer ist) nicht nur gegen andere Waren eingetauscht wird. Wenn man die Ware Geld beschaffen muss, hat man die Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten:
• durch Sammeln, wenn die Ware in der Natur vorkommt;
• durch Anbau/Kultivierung, wenn die Ware dafür geeignet ist;
• durch Täuschung, Diebstahl oder Raub von einem anderen Besitzer;
• durch fairen und freiwilligen Tausch mit einem anderen Besitzer.

In den ersten beiden Varianten kann jeder Mensch sich das Geld durch Fleiß und Arbeit selbst aneignen. In der dritten Variante wird das Geld zu Lasten eines anderen Menschen auf unfaire Weise beschafft. Die letzte Variante, also sich die Ware Geld durch fairen, freiwilligen Tausch zu beschaffen, ist, was wir heute als Bezahlen bezeichnen. Dabei wird die Ware Geld gegen Arbeitsleistung oder Warenverkauf gesucht und nicht angeboten. Geld muss beschafft werden, also suchen die Menschen nach Möglichkeiten, um Geld zu erhalten. Arbeitsleistung wird dabei freiwillig angeboten, weil es das ist, was jeder Mensch mehr oder weniger gut und ohne große Voraussetzungen leisten kann. Es kann auch Geld gegen zuvor erzeugte Waren gesucht werden. Denn Waren sind nichts anderes als gespeicherte Arbeitsleistung. Geld wird einem Arbeiter stets nach einer Arbeitsleistung überlassen. Dabei wird entweder die Geldmenge der Arbeitsleistung oder aber die Arbeitsleistung der Geldmenge angepasst. Beide Beteiligten an diesem Handel sind da theoretisch sehr frei. Praktisch ist es nicht ganz so, denn hier macht sich die reale Ausprägung der Ware Geld bemerkbar. Bei gutem Geld ist der Freiheitsgrad zwischen den Beteiligten hoch. Bei einer schlechten Form von Geld hingegen funktioniert der Tausch schlecht, z.B., wenn Geld nicht in hinreichend kleinen Stückelungen vorliegt.

(Geld-Theorie Teil 5)
Geld wird durch den Beschaffungszwang zu einem künstlich erzeugten Grundbedürfnis wie Trinkwasser und Nahrung. Es muss genauso beschafft werden.

Zum Beispiel ist die Prostitution eine direkte Folge von Geld. Ohne Geld gab es keine Prostitution. Es gab Geschlechtsverkehr auf freiwilliger Basis. Es gab im Einzelfall Vergewaltigungen, die ebenfalls auf Gewalt basieren. Aber Prostitution beruht einzig und allein auf der Gewalt von Geld. Geld erzeugt einen Beschaffungszwang und damit einen Arbeitsleistungszwang. Frauen, die kein Geld hatten, das sie aber zwecks Abgabe beschaffen mussten, prostituierten sich dafür. Sie wollten ihre Nase behalten und zogen die Prostitution der angedrohten Strafe vor. So entstand das angeblich älteste Gewerbe der Welt. Geld erzwingt Arbeitsleistung. Geld erzeugt Macht über Menschen.

(Geld-Theorie Teil 6)
Nur weil Geld wiederholt unter Strafandrohung und Termindruck zu beschaffen und abzuliefern ist, bieten Menschen ihre Arbeitsleistung an. Sie tun das, um Geld zu erhalten, und sie geben Geld dadurch seinen Wert.

Geld wird stets als Mittel zur Bezahlung gesehen und definiert, aber niemals als Ursache von jeglicher Bezahlung. Der bestehende Konsens zur Definition von Geld besagt, Menschen bezahlten Leistungen, weil sie Geld haben. Wir haben aber verstanden, dass Menschen Geld als Bezahlung verlangen, weil sie Geld brauchen, um es an die Machthaber abgeben zu können. Geld wird gegen Waren getauscht, weil Waren nichts anderes sind als gespeicherte Arbeitsleistungen.

(Geld-Theorie Teil 7)
Geld wird zum universellen Tauschmittel gegen Arbeitsleistung und Waren, weil es den Geldbeschaffungszwang gibt. Geld wird nicht verwendet, weil es Tauschgeschäfte erleichtert.

Sicher war über lange Zeit in der Menschheitsgeschichte das genaue Gegenteil der Fall. Das von den Machthabern festgelegte Geld war denkbar ungeeignet für derartige Tauschgeschäfte. Machthaber, die solches Geld verwendeten, scheiterten alle schnell. Geld musste erst durch Versuch und Irrtum zu dem werden, was es heute ist, aber selbst unser heutiges Geld ist meilenweit von dem entfernt, was „gutes“ Geld wäre oder wie Geld eigentlich funktionieren sollte. Wie es sein kann, dass etwas, das für diese Zwecke eigentlich völlig ungeeignet ist, sich trotzdem herausgebildet hat und sogar bis heute hält, müssen wir in einem späteren Beitrag erklären.

Warum ist Geld so geeignet zur Bewirtschaftung von Menschen?
Einen Sklaven gefangen zu halten, zu verköstigen und dann auch noch zur Arbeit zu motivieren, ist eine unproduktive Angelegenheit. Da ist es sehr viel sinnvoller, eine Zwangsabgabe von ihm zu fordern und ihn mittels Abgabezwang, aber dafür in Freiheit arbeiten zu lassen.
Der Plantagenbesitzer überlegt, wie viele Stunden der Mitarbeiter im Jahr arbeiten soll. Sagen wir, er kommt auf einen Wert von 2.500 Stunden. Der Arbeitslohn liegt bei 5 Fantasius pro Stunde. Der Arbeiter würde also 12.500 Fantasius pro Jahr verdienen. Wenn er 4.000 Fantasius für seine Unterkunft und weitere 4.000 Fantasius für seine Ernährung ausgeben muss und noch ein Taschengeld von 1.000 Fantasius zur freien Verfügung haben möchte, dann liegen seine Ausgaben bei 9.000 Fantasius pro Jahr. Der Machthaber kann in diesem Szenario also eine maximale Abgabe von 3.500 Fantasius pro Jahr fordern. Diese muss der Arbeiter begleichen, wenn er die gedachten 2.500 Stunden arbeitet:
Einkommen (12.500) – Wohnungskosten (4.000) – Ernährungskosten (4.000) – Taschengeld (1.000) – Abgabe (3.500) = 0
In diesem Szenario bleibt dem der Arbeiter am Ende des Jahres zwar kein Geld übrig, aber er ist immerhin insofern frei, als dass er sich selbst um seine Unterkunft und sein Essen kümmern darf. Je nachdem, was die Alternative wäre – vielleicht Armut und Opfer von Plünderungen – ist es möglich, dass der Arbeiter dem Plantagenbesitzer sogar dafür dankbar ist, dass er für ihn arbeiten darf. Ganz anders also als bei einem Sklaven, der ständig weglaufen will, unmotiviert ist und trotzdem verköstigt und untergebracht werden muss. Gesellschaften, die mit Abgaben operieren, funktionieren wirtschaftlich gesehen besser und sind dementsprechend erfolgreicher als Sklavenhalter-Gesellschafen.
Es müssen allenfalls die eingesperrt werden, die nicht freiwillig ihre Abgaben leisten. Was aber jetzt nur Wenige sein werden und das überwiegend zur Abschreckung. Hätten Sklavenhalter diese Rechnung verstanden, wären sie sicher so vorgegangen. Denn Geld war damals nicht unbekannt. Nur hat seine eigentliche Funktion bis heute niemand so richtig verstanden.

(Geld-Theorie Teil 8)
Geld existiert zum Vorteil der Machthaber. Geld erlaubt die effizienteste Bewirtschaftung von Menschen. Geld schafft Arbeitslager ohne Lager.

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Warum wurden Gold und Baumwolle zum Tauschmittel?
Warum sind Schnaps und Zigaretten so gutes Ersatzgeld gewesen?

Zwei einfache Fragen. Erklär es mir bitte.


Grüße
Morpheus

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Wir - für die unbeschränkbare Freiheit.


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