So etwas Ähnliches sah bereits Oswald Spengler in "Untergang des Abendlandes" für das seelische Verlöschen des Westens voraus

Mephistopheles, Sonntag, 20.02.2022, 15:40 (vor 815 Tagen) @ Diogenes Lampe3124 Views

Es kann nur einen Fortschritt geben: Den des Individuums in seiner Ethik. Die ist aber kein Ziel, keine Evolution der Geschichte. Geschichte und Ethik sind Antagonismen. Es war dann auch der große deutsche Historiker Ranke, der wusste, dass erst dann, wenn die Idee des Fortschritts aus der Geschichte restlos verbannt ist, eine kritische Geschichtswissenschaft im Sinne Pierre Bayles möglich ist.

[454] Jede Kultur hat mithin ihre eigene Art, seelisch zu verlöschen, und nur die eine, die aus ihrem ganzen Leben mit tiefster Notwendigkeit folgt. Deshalb sind Buddhismus, Stoizismus, Sozialismus morphologisch gleichwertige Ausgangserscheinungen.

Auch der Buddhismus, dessen letzten Sinn man bisher immer mißverstanden hat. Das ist keine puritanische Bewegung wie etwa der Islam und der Jansenismus, keine Reformation wie die dionysische Strömung gegenüber dem Apollinismus, keine neue Religion, überhaupt keine Religion wie die der Veden und des Apostels Paulus,54 sondern eine letzte rein praktische Weltstimmung müder Großstadtmenschen, die eine abgeschlossene Kultur im Rücken und keine innere Zukunft mehr vor sich haben; er ist das Grundgefühl der indischen Zivilisation und deshalb mit dem Stoizismus und Sozialismus »gleichzeitig« und gleichwertig. Die Quintessenz dieser durchaus weltlichen, nicht metaphysischen Gesinnung findet sich in der berühmten Predigt von Benares, den »vier heiligen Wahrheiten vom Leiden«, durch welche der philosophierende Prinz seine ersten Anhänger gewann. Ihre Wurzeln liegen in der rationalistisch-atheistischen Sankhyaphilosophie, deren Weltanschauung stillschweigend vorausgesetzt wird, ganz wie die Sozialethik des 19. Jahrhunderts aus dem Sensualismus und Materialismus des 18. und die Stoa trotz ihrer flachen Verwertung Heraklits von Protagoras und den Sophisten stammt. Die Allmacht der Vernunft ist in jedem Falle der Ausgangspunkt aller moralischen Überlegung. Von Religion, sofern man darunter den Glauben an Metaphysisches versteht, ist keine Rede. Nichts kann religionsfremder sein als diese Systeme in ihrer ursprünglichen Gestalt.
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Spengler,+Oswald/Der+Untergang+des+Abendlandes/Erster...

Gruß Mephistopheles


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