Nun ganz so ist es nicht....

ottoasta, Mittwoch, 28.10.2020, 16:34 (vor 1248 Tagen) @ XERXES2068 Views

....hier mal ein Auszug:
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Da galt schließlich, bis Roman Herzog sich der leidigen Sache annahm, der Grundgesetzartikel 139: "Die zur Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus erlassenen Rechtsvorschriften werden von den Bestimmungen dieses Grundgesetzes nicht berührt."

Der Artikel war von Anfang an umstritten. Der Altnazi Seebohm - unter Adenauer Verkehrsminister und berüchtigter Sonntagsredner - wollte ihn weghaben. Theodor Heuss, der 1933 im Reichstag die Hand für Hitlers Ermächtigungsgesetz gehoben hatte, äußerte schon 1949 bei den Grundgesetzberatungen im Parlamentarischen Rat über den Artikel 139: "Ich würde es gerne streichen. Aber praktisch geht es nicht."

Bis Herzog sich im Maunz-Kommentar der Sache annahm, sahen andere Kommentatoren im Artikel 139 die Grundsatzaussage gegen nationalsozialistische und faschistische Staatsauffassungen. Maunz hatte dagegen die "Menschenwürde" des Artikels 1 bemüht. Allein aus der "Überstaatlichkeit und Zeitlosigkeit der Menschenwürde" - so schrieb er 1973 - folge, dass sie - die Menschenwürde - den Entnazifizierungsvorschriften des Artikels 139 übergeordnet sein müsste. Die seien "lediglich staatlich gesetztes Recht vorübergehender Natur".

Roman Herzog macht mit dem Artikel 139 des Grundgesetzes kurzen Prozess

Schüler Roman Herzog, dem Maunz die Bearbeitung des Artikels 139 im Grundgesetzkommentar anvertraute, macht dann das Staatsschiff klar. "Bei seinem Inkrafttreten fand das GG eine beträchtliche Anzahl von alliierten und deutschen Rechtsvorschriften vor, die sich mit der" - so schreibt Herzog leicht angewidert - "sog. Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus, kurz mit der sog. Entnazifizierung befassten."

Und Herzog macht kurzen Prozess: "Mit dem Abschluss der sog. Entnazifizierung ist Art. 139 obsolet geworden." Ganz deutlich wird er mit der Feststellung: "Abzulehnen ist insbesondere der Versuch, ihn als Grundsatzaussage über die Haltung des GG gegenüber nationalsozialistischen und verwandten (z. B. faschistischen) Staatsauffassungen anzusehen und insoweit natürlich fortgelten zu lassen."

An die Stelle einer solchen Grundsatzaussage gegen nationalsozialistische Staatsauffassungen schmuggelt Maunz-Schüler Herzog eine dort so nicht vorhandene allgemeine Antitotalitarismus-Bestimmung ins Grundgesetz ein, die auf einem "Anschauungsunterricht" beruhe, den "das deutsche Volk zwischen 1933 und 1945 von seiten des Nationalsozialismus" und - darauf kommt es an - "seit 1945 aber von seiten des Kommunismus erfahren" habe.

Deshalb erscheine es - so Herzog - "gänzlich ausgeschlossen", dass dieses deutsche Volk "dem Totalitarismus der einen Seite mehr Ablehnung entgegenbrächte als dem der anderen". So komplimentiert der spätere Bundespräsident den Artikel 139 als unzulässige "Sondervorschrift nach rechts" aus dem Grundgesetz heraus und pflanzt die Totalitarismustheorie hinein.
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Ist von hier, sehr schöne Seite!

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https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/stumpf-gegen-rechts

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Otto

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Solange es Schlachthäuser gibt, wird es Schlachtfelder geben.
Tolstoi


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