Es kommt alles anders, wenn man denkt

Falkenauge, Sonntag, 31.05.2020, 22:19 (vor 1425 Tagen) @ Oblomow1380 Views

"Freie Hochschulen brauchen Kohle, ergo sind sie abhaengig von denen, die Kohle geben."

Das ist doch eine oberflächliche Scheinlogik.
Wenn ich zu der Erkenntnis komme, dass Wissenschaft und Lehre von Staat und Wirtschaft unabhängig und frei sein muss, dann muss ich mir doch Gedanken machen, wie man eine Abhängigkeit vom "Kohlen-Geber" verhindern kann. Hast Du mal darüber selber nachgedacht? Nein. Du plapperst nur nach, was jetzt vielfach stattfindet, dass, wer zahlt, bestimmt.

Die gewonnene Erkenntnis, dass Wissenschaft frei sein muss, wird doch nicht dadurch ungültig, dass Du Dir nicht vorstellen kannst, wie man die Abhängigkeit von freien Hochschulen vom Geldgeber vermeiden kann. Also müsse alles beim Staat bleiben mit all der Korruption wie bisher. Was ist das denn für eine Logik?

Wenn Wissenschaft und Hochschulen frei sein müssen, dann müssen Wege gefunden werden, wie die Freiheit auch gegen die Geldgeber gesichert werden kann. Das kann z.B. dadurch geschehen, dass keine Spenden mehr zweckgebunden und auch nicht einzeln an einzelne Hochschulen oder Wissenschtler gezahlt werden dürfen, sondern in einen großen Topf der Selbstverwaltung des freien Bildungswesens, von wo aus die Gelder an die einzelnen Institutionen verteilt werden.
Die Wirtschaft müsste generell Teile ihrer Gewinne an das Bildungswesen zahlen und es damit finanzieren. Das geschieht ja heute auch per Steuern über den Staat, der damit aber Zahl und Größe der Hochschulen, Zahl und Art der wissenschaftlichen Zweige, Höhe der Gehälter bestimmt und gewaltigen Einfluss nimmt. Es ist etwas anderes, wenn das durch die Selbstverwaltung des Bildungswesens selbst geregelt wird.

"Die staatliche deutsche Universitaet war 1880 weltfuehrend. Alle sind nach Deutschland gekommen. Willst Du mir die freie Uni Witten mit ihrem anthroposophischen Heckmeck als Ideal verkoofen."

Auf den primitiven, unsachlichen letzten Satz gehe ich nicht ein.
Im Kaiserreich bestand gerade eine vom preußischen Kultusminister Wilhelm von Humboldt herrührende Tendenz, der Wissenschaft eine relativ große Unabhängigkeit vom Staat zu gewähren.

So wurde am 11.1.1911 "die ´Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft zur Förderung von Wissenschaft und Forschung` (KWG, heute: Max-Planck-Gesellschaft) als eingetragener Verein unter dem Vorsitz des preußischen Kultusministers August von Trott zu Solz (1855-1938) in Berlin gegründet. Mit der Gründung schloss sich Preußen einem internationalen Trend zur Errichtung staatsunabhängiger Forschungsinstitute an und stieß dabei auf großes Interesse bei Kaiser Wilhelm II.. Dieser gab der überwiegend durch privates Mätzenatentum finanzierten aber staatlich kontrollierten Selbstverwaltungskörperschaft seinen Namen. Ihr Ziel war die Errichtung und Unterhaltung von vorwiegend naturwissenschaftlichen außeruniversitären Forschungsinstituten, welche die Königlich Preußische Akademie der Wissenschaften ergänzen sollten. ...

Die ersten beiden Kaiser-Wilhelm-Institute (KWI) für physikalische Chemie und Elektrochemie sowie für experimentelle Therapie wurden am 23. Oktober 1912 in Berlin-Dahlem eröffnet. Bis 1933 kamen 20 neu gegründete oder übernommene Einrichtungen dazu. Offiziell bestand völlige Freiheit und Unabhängigkeit in der Forschung und die KWG konnte relativ frei über die Verwendung der bereitgestellten Mittel entscheiden."
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/kaiserreich/wissenschaft-und-forschung/kaiser-wilhelm-g...

Das zeigt, dass die großen Leistungen der deutschen Wissenschaft gerade darauf beruhen, dass sich der Staat weitgehend zurückzog!

Diese relativ große Freiheit im staatlichen Rahmen, auch in den Hochschulen, ging, wie gesagt, vor allem auf den preußischen Kultusminister Wilhelm von Humboldt zurück, der aber noch viel weitergehendere grundsätzliche Gedanken hatte, nämlich das geistig-kulturelle Leben völlig aus der Zuständigkeit des Staates auszugliedern und ihm so die volle Freiheit und ungehinderte Vielfalt und Fruchtbarkeit ohne sachfremden Einfluss zu gewähren. Vgl.
https://fassadenkratzer.wordpress.com/2017/06/26/die-grenzen-der-wirksamkeit-des-staate...

"Philosophie an deutschen Unis war schon immer Witz. Die bedeutende deutsche Philosophie ist außerhalb der Uni geschaffen worden und was in der Uni geschaffen wurde, war nicht bedeutend."

Dieses Argument von Dir würde ja gerade nicht für die staatliche Universität sprechen. Aber abgesehen von diesem logischen Purzelbaum stimmt es auch wieder nicht. Dann wären ja Hegel, Schelling und Fichte keine großen deutschen Philosophen, die alle an staatlichen Unis gelehrt haben. Die Philosophen hatten immer die größte inhaltliche Freiheit, da die Philosophie zumeist für praktische staatliche und wirtschaftliche Nutzanwendung nicht zu gebrauchen war.


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