Einblicke aus meinem Alltag

Ashitaka, Dienstag, 15.03.2022, 18:45 (vor 793 Tagen) @ mh-ing3512 Views
bearbeitet von Ashitaka, Dienstag, 15.03.2022, 18:55

Hallo mh-ing,

Für den Baubereich ist eigentlich nur Verwirrung die richtige Umschreibung.

Ja, aber das istja seit Anfang letzten Jahres nichts neues. Die trauen derzeit ihren Augen nicht wenn sie bereits auf die Auftragsbücher 2023 blicken.

Einerseits ist aktuell das Lieferproblem extrem und deshalb fast unmöglich eine Baumaßnahme zu planen. Wichtiger ist aber die Preisschiene. Viele Firmen haben Verträge zu alten Preisen und müssen aber aktuelle Preise bezahlen, d.h. verlieren durch Arbeiten. Das hält kaum einer durch. Die neuen Preise sind exorbitant, um das auszugleichen.

Das hat die Ergebnisse 2021 belastet, ja. Aber mittlerweile behalten sich die Bauunternehmen die Preisanpassungen vertraglich vor. Baunebengewerbe ist es schon üblich, dass das Material mit Auftragserteilung (= Bestelung beim Großhandel) per Abschlag zu zahlen ist.

Die Bauträger haben aber für feste Preise verkauft, jetzt aber kostet die Sache viel mehr als geplant und die Margen sind dahin.

Die besser aufgestellten Betriebe haben da letztes Jahr nachverhandelt und den Kunden die Pistole auf die Brust gesetzt. Die Rohertragseinbrüche kann ich nicht durchgehend bestätigen. Das betrifft ehr die kleineren Betriebe ohne ausreichend Personal im Büro. Mal eben übern dicken Daumen gerechnet ging da letztes Jahr wirklich nichts. Mittlerweile sind Preissteigerungen aber überall eingerechnet, was man vor allem schon bei den sich wegen den KfW-Förderungen zum 01.07. letzten Jahres wiederholenden Ausschreibungsverfahren sah.

Viel schlimmer sind die brutal anwachsenden Vorräte in Form von Halbfertigen Bauvorhaben. Die Hoch- und Tiefbaubetriebe drehen sich mangels rechtzeitiger Lieferungen im Kreis, das Baunebengewerbe leidet enorm unter den Terminverschiebungen aufgrund der Vorgewerke. Die Personalkostenquote steigt durch zunehmend nicht abrechenbare Zeiten bzw. ständig wechselnden Einsatzplanungen. Alle haben volle Auftragsbücher bis ins Frühjahr 2023 und teilweise sogar schon weiter, aber nichts wird mehr in den geplanten Zeiträumen abnahmereif fertiggestellt. Die Halbfertige Arbeiten genau zu ermitteln ist dieses Jahr wichtiger denn jeh. Da werden viele Betriebe Puffer einrechnen um die fehlenden Gewinnanteile (erst mit Abnahme ansetzbar) bereits auszuweisen. Oder sie gehen gleich dazu über einfach den Bauleistungsstand als halbfertige Arbeiten anzusetzen.

Meine Prognose

Kurzfristig:
- Pleiten bei vielen Firmen, da die Preisexplosion und vereinbarte Ausführungspreise die Firmen zermalmen wird.

Das klappt entgegen meiner Erwartungen aus dem letzten Jahr aktuell noch ausgesprochen gut. Viele Betriebe sind letztes Jahr echt über sich hinausgewachsen. Kleinere Betriebe haben sich mit den Kunden verständigen können oder uneinsichtige Kunden an der langen Hand gehalten, größere Betriebe haben es mit Bankenunterstützung hinbekommen ihre Vorräte längerfristig hochzufahren. Die 25% vom Jahresumsatz wurden eigentlich überall von der KfW als Kredit gezogen. Hat ja alles mit Corona zu tun. :-)

- Neuaufträge bleiben aus, weil zu teuer, weil die Kunden Projekte stoppen und die Unsicherheit jedes Neugeschäft blockiert.

Komischerweise ist das bei meinen Mandanten derzeit nicht der Fall. Die sorgen sich um oben genannte Probleme und um die katastrophale Personal- / Ausbildungssituation.

=> Vollbremsung im Baubereich mit fatalen Folgen in der Gesamtwirtschaft

Das passiert gerade im öffentlichen Bau. Die kommen aufgrund ihrer strengen Vorgaben im Ausschreibungsverfahren mit den Preisanpassungs-Vorbehalten der Bauunternehmen nicht klar. Juckt die Bauwirtschaft aufgrund der noch sehr guten Nachfrage von privaten Haushalten / Unternehmen derzeit noch nicht so dolle. Der ZDB will deshalb an den großen Tisch. So kommt es da wirklich zu einer Vollbremsung wenn die Kommunen die Vorbehalte nicht zu akzeptieren lernen.

längerfristig:
- Der Druck im Wohnungsmarkt ist durch die Ukraine-Flüchtlinge sogar noch erhöht. Die Mieten werden weiter steigen und wegen der hohen Neubaupreise noch stärker. Nur, die Zahl jener, die sich das leisten kann, fällt.

Nur wann ist diese Schmerzgrenze erreicht? Freunde bauen mit 100k Jahresbrutto (d.h. Mittelschicht lt. NTV) und 120 TEUR EK ein Fertighaus für 600 TEUR + 250 TEUR Grund, meine ich. Das will niemand abbezahlen, sondern mit Gewinn verkaufen (Äffchen hält sich die Hände vor die Augen).

- Einen Crackup-Boom vermute ich nicht, da wer konnte, schon investierte. Das hat ab 2008 den Baumarkt gut erhalten, aber dieser Effekt dürfte nur gering wenn überhaupt da sein.
=> Wer das überlebt hat, wird weiter Geschäft machen, zwar kleiner, weniger überhitzt, aber es geht weiter. Man muss die Krise aussitzen können.

Die Korrektur. Wir erleiden keinen Abbruch, sondern werden in ein paar Jahren das Wachstum nie geahnter Kreditpyramiden erleben. Die Bedingungen werden nur völlig andere sein, wie wir es im Kapitalismus der letzten Jahrzehnte gewohnt waren. Weder die Kreditstandards gegenüber uns Privaten, noch die Haftungsräume der Staaten werden wir in ein paar Jahren wiedererkennen. Wird alles zu seiner Zeit hier durchdiskutiert ... und uns fassungslos machen!

Herzlichst,

Ashitaka

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Der Ursprung aller Macht ist das Wort. Das gesprochene Wort als
Quell jeglicher Ordnung. Wer das Wort neu ordnet, der versteht wie
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