und woher kommen die Investoren?

Weiner, Montag, 25.10.2021, 18:22 (vor 886 Tagen) @ solstitium1839 Views

Denn in einer Gesellschaft mit Investoren, passiert das immer und immer wieder!

Hat der Debitismus darauf eine Antwort? Oder ist er diesbezüglich indifferent und neutral - weil Überschüsse, Akkumulationen und Mehrwerte, die eventuell sogar kriminell, wenigstens aber unethisch erlangt wurden, im Debitismus einfach kein Thema sind?

Neulich war Michael Hudson im Gespräch mit Thomas Piketty (letzterer gehört eigentlich zum Establishment) über genau dieses Thema der Akkumulation bei den 1% "Reichen". Anlass für die Diskussion war der Todestag von David Graeber, Autor von "Zins - die ersten 5000 Jahre". Ich habe die Transkription des Gespräches übersetzt und stelle sie hier nachfolgend ein, der Länge wegen verteilt über zwei weitere Folgebeiträge.

MfG, Weiner

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Die nachfolgende Diskussion zwischen Michael Hudson und Thomas Piketty fand am 23. September 2021 statt und ist auf YouTube verfügbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=GWT0uvBLDbo

Das Transskript findet sich auf: https://michael-hudson.com/2021/10/piketty-vs-hudson/. Es wurde mit 'google.translate' übersetzt und die maschinelle Übersetzung wurde hernach frei - aber hoffentlich sinngemäß und richtig - ‚überprüft‘.

Die Diskussion wurde von Lynn Parramore moderiert und von David Graebers Witwe Nika eingeleitet.

Nika: Hallo, ich bin Nika. Ich bin Davids Frau. Dies ist eine Veranstaltung zu Ehren des ersten Todestages von David Graeber, eine Veranstaltung auch gegen den Ungeist seiner Ablehnung durch arrogante Akademiker, und eine Veranstaltung wegen der für uns so dringenden Notwendigkeit, aus der Krise, in der wir uns befinden, herauszukommen. Dafür haben wir dieses gemeinsame Projekt ins Leben gerufen, und hiermit also an alle: Willkommen zur ersten Veranstaltung dieser Reihe!

Heute sprechen wir über die Frage „Was sind Schulden“. Bei der nächsten Veranstaltung wird es um die Natur des Geldes gehen. David war wahrscheinlich der berühmteste Anthropologe unserer Zeit und der meistverkaufte Autor. Trotzdem hat er seinen Computer - er nannte ihn seinen "Alptraum" – nun zusammengeklappt, in den er alle Belege, bürokratischen Papiere, Rechnungen und Unterlagen über seine akademischen Arbeiten eingespeichert hatte. Er betrachtet die Idee des isolierten Individuums als Mythos. Was David viel mehr interessierte, war der Dialog. Er glaubte, dass nur im Dialog, im Aufeinanderprallen der Meinungen Antworten gebildet werden und menschliches Bewusstsein geboren wird. Wir Menschen, so David, sind das Produkt unserer sozialen Beziehungen. Deshalb war es ihm so wichtig, in Situationen eingebunden zu sein, in der Menschen kollektiv denken und handeln.

Die David-Graeber-Stiftung wird denselben Weg gehen. Wir haben mehrere Projekte geplant, von der gemeinsamen Bearbeitung seiner Archive bis hin zur Veröffentlichung von „The Anthology of The Fight Club“, beginnend mit der ersten Debatte zwischen David Graeber und Peter Thiel. Als offizielle Cheerleaderin des ‚Fight Club‘ fordere ich unsere Kämpfer auf, emotional, provokativ und mutig zu sein. Denn die Fragen, die wir diskutieren werden, gehen uns alle an. Wenn genug von uns die Art und Weise ändern, wie wir über Schulden denken, dann ändert sich damit auch das soziale Design unserer Gesellschaft. Dies ist so, weil eine Revolution, wie David es beschrieben hat, eigentlich eine Veränderung des gesunden Menschenverstands und der kollektiven Vorstellungskraft ist. David argumentierte, dass die wichtigste Errungenschaft der Pariser Kommune trotz ihrer Niederlage darin bestand, den gesunden Menschenverstand in Bezug auf unser Zusammenleben verändert zu haben. Das meiste, was wir mit unseren öffentlichen Verkehrsmitteln, Straßenbeleuchtung, öffentlichen Schulen, Überstunden, Arbeitstagen erreicht haben – oder auch noch nicht erreicht haben, etwa gleiches Entgelt für Frauen und Männer, das alles hat seinen Ursprung in der Pariser Kommune. Sie galt damals als sozialer Wahnsinn.

Dasselbe gilt aber auch für „Occupy“, dessen 10-jähriges Jubiläum wir jetzt feierten, genauso wie wir nun an Davids Leben erinnern. „Occupy“ hat kein Territorium erobert, es hat kein Ohr bei den Regierungen gefunden. Aber es veränderte den öffentlichen Diskurs. Es ist wichtig geworden, über Gleichberechtigung, Armut und Schulden zu sprechen. Nach Occupy haben wir alle die Welt anders betrachtet. In diesem Zusammenhang ist die Position unserer Kämpfer heute radikal anders. Ich möchte Thomas Piketty meinen großen Dank aussprechen, dass er auf meine Email geantwortet hat, obwohl wir uns nicht kannten, und sich bereit erklärt hat, an dieser Debatte teilzunehmen. Ich möchte auch Michael Hudson denken, der die vielen Ideen entwickelt hat, auf denen David Graeber in seinem Buch „Schulden – die ersten 5.000 Jahre“ aufbaute. Ich hoffe sehr, dass diese Debatte unser Denken über die Welt radikal verändern kann - und was könnte je spannender sein! Damit gebe ich an Lynn Parramore weiter, der ich danke, dass sie sich bereit erklärt hat, die Diskussion zu moderieren.

Moderatorin: Nun, es ist mir eine große Freude und es ist wunderbar, alle aus der ganzen Welt begrüßen zu dürfen. Wir teilen einige Gemeinsamkeiten in unserer menschlichen Erfahrung, und eine davon ist, dass wir auf die Welt kommen mit einer Unterkapitalisierung an [00:04:00] an Lebenserfahrung. In gewisser Weise sind die meisten von uns als Schuldner vereint, und deshalb ist es besonders spannend, dass zwei so brillante Denker uns helfen, dieses schwierige Thema aus dem Koffer zu packen, das wir sonst so gerne in den hinteren Teil des Schranks schieben.

Heute freue ich mich sehr, meinen Freund Michael Hudson begrüßen zu dürfen. Er ist ein angesehener Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University von Missouri, in Kansas City. Er ist auch Forscher am Levy Institute in Bard. Er ist ein ehemaliger Wall Street-Analyst und ein häufiger Kommentator zu Wirtschaftsangelegenheiten und historischen Zusammenhängen. Er hat viel über Schulden geschrieben. Wie Sie gerade von Nika gehört haben, war seine Arbeit eine große Inspiration für David Graeber. Er kann Ihnen auch mehr über die alten Sumerer erzählen, als Sie sich jemals erträumt hätten. Hoffentlich können wir heute ein bisschen davon hören. Willkommen, Professor Hudson!

Willkommen auch Thomas Piketty [00:05:00]. Er ist Professor an der EHESS der Paris School of Economics. Er ist auch Co-Direktor des World Inequality Lab. Sie kennen ihn dafür, dass er mit seinen Büchern für Aufregung sorgt und uns erzählt, warum die meisten von uns kein Geld haben. Natürlich ist da zuerst sein Riesen-Hit „Capitalism in the Twenty-First Century“. In jüngerer Zeit auch, was Sie unbedingt besorgen müssen, wenn Sie es nicht gelesen haben: „Kapitalismus und Ideologie“. [00:05:30] Willkommen, Professor Piketty!

Wir beginnen damit, dass jeder von Euch uns seine Hauptgedanken zum Thema Schulden mitteilt - Eure Position zum Thema, und Ihr haben jeweils etwa fünf Minuten Zeit. Ich denke, wir beginnen mit Dir, Michael Hudson.

Michael Hudson: Ich dachte, wir würden Tom den Vortritt lassen. Ansonsten werde ich dem zustimmen, was er [in seinen Büchern] geschrieben hat, um dann festzulegen, wohin ich von dort aus gehe. Also lass ihn sagen, was er geschrieben hat.

Moderatorin: Das ist für mich in Ordnung. Thomas, möchtest du zuerst gehen?

Thomas Piketty: Ja, egal, schon gut. Lasst mich ein paar Worte sagen. Zunächst möchte ich Euch für die Organisation danken. Als ich Nikas Email erhielt, war ich sehr berührt, denn ich erinnere mich noch gut an die Diskussion, die wir 2013 mit David Graeber in Paris führten, kurz nachdem mein Buch „Capital in the Twenty-First Century“ erstmals auf Französisch veröffentlicht wurde. Es war noch nicht auf Englisch verfügbar, also hatte David es nicht gelesen, aber ich hatte sein Buch gelesen, „The First 5.000 Years“, und das war für mich wirklich eine sehr starke Lektüre. Es hat mich sehr zum Nachdenken angeregt. Da war manches in “Capital in The Twenty-First Century“ nicht so sichtbar, weil ich es eigentlich geschrieben hatte, bevor ich Davids Buch lesen konnte. Für mich war das dann ein wirklich wichtiger Beitrag. [00:07:00]

Was ist damit? Lass mich einfach sagen, dass es in Zukunft wieder eine andere Schuldenkonsolidierung geben wird, eine massive Schuldenkonsolidierung. Es gibt lange Zyklen, worüber David natürlich spricht, wir gehen zurück in die alte Geschichte oder in die sumerische Zeit, an der Michael gearbeitet hat. Wir hatten diese langfristigen Zyklen, aber wir haben auch eine kurzfristigere Geschichte der Schuldenkonsolidierung und eine mittelfristige Geschichte, wenn man so will. Ich denke, es ist sehr wichtig, sich daran zu erinnern, dass es zwei moderne Episoden gibt, die ich besonders bemerkenswert finde, wenn es darum geht, die Schulden wieder auf Null zu bringen, zumindest wenn man einen großen Teil der Schulden bedenkt. Die Französische Revolution ist natürlich ein sehr wichtiges Beispiel. Dies war eine Zeit, in der es dem politischen System im Grunde nicht gelang, diejenigen bezahlen zu lassen, die für die öffentlichen Ausgaben hätten bezahlen sollen. Es gab eine Flucht in die Schulden, weil es den Leuten, die die Steuer hätten zahlen sollen, irgendwie gelang, zu entkommen. Die Lösung war die Französische Revolution, das Ende der Steuerprivilegien des Adels oder die Konsolidierung der Schulden durch teils Inflation, teils durch Besteuerung. Das ist eine moderne Episode.

[Anmerkung des Übersetzers: Man hat außerdem das Vermögen der Kirche in Frankreich enteignet sowie jener Adligen, die ins Exil gegangen waren. In Deutschland folgte ab 1806 derselbe Prozess während der so genannten Säkularisation, hier aber gegen ‚ewige Renten‘, über deren Abschaffung dieser Tage bei uns diskutiert wird].

Die ebenfalls moderne Episode, auf die ich mich beziehen möchte, ist natürlich nach dem Zweiten Weltkrieg - nachdem so 1945, 1950 die meisten reichen Volkswirtschaften Staatsschulden hatten, die enorm höher waren als heute. Sie trafen ihre Entscheidungen, politische Entscheidungen verbunden mit sehr konfliktreicher sozialer Bewegung, mit einem politischen Kampf. Am Ende wurde die Entscheidung gemeinsam getroffen, diese Schulden nicht zurückzuzahlen. Dies geschah auf verschiedene Weise – teilweise durch Inflation. Aber insbesondere in einigen Ländern wie Deutschland, das heute wirtschaftsdoktrinär und ideologisch als sehr konservativ gilt, [das war man] in vielerlei Hinsicht sehr konservativ. Wir werden in ein paar Tagen nach der Wahl es sehen, aber es wird wahrscheinlich auf jeden Fall immer noch ziemlich konservativ sein.

Tatsächlich wurde jedoch nach dem Zweiten Weltkriegs eine Lösung angewendet, um die Schulden der Vergangenheit durch eine Währungsreform und durch eine progressive Besteuerung von Besitzern mit sehr hohem Vermögen loszuwerden, um die Besitzer mit niedrigerem Vermögen faktisch für den Verlust von Werten zu kompensieren, die durch den Krieg zerstört worden waren. Letztendlich war dies sicherlich kein perfektes System, aber im Vergleich zu all den Möglichkeiten, vergangene Schulden loszuwerden, war es sicherlich eine der gerechtesten oder zumindest weniger ungerechten Möglichkeiten, das Problem anzugehen. Ich denke, wir werden auch in Zukunft Episoden wie diese haben, aber niemand weiß, wie es aussehen wird, welche Art von politischer Mobilisierung das sein wird.

Occupy war eine wichtige Episode. Es gibt andere soziale Bewegungen, versuchte Steuerreformen, wenn Sie an die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich vor ein paar Jahren denken, die eine große Steuerrevolte war, um ein meiner Meinung nach sehr ungerechtes Projekt zur Erhöhung der CO2-Steuer loszuwerden, die im Wesentlichen auf die ärmste Gruppe der Gesellschaft abgewälzt werden sollte. Es wird notwendig sein, Klimaherausforderungen, aber auch alle möglichen sozialen und entwicklungspolitischen Herausforderungen anzugehen. Die Gesellschaften müssen Wege finden, ihre Schulden loszuwerden. Im Moment haben wir die Illusion, dass wir Schulden einfach hinnehmen können, also dieses Angebot der Zentralbank - aber vergessen Sie es.

Ich denke, es wird konfliktreicher und weniger friedlich sein, weil es am Ende immer darum geht, das Machtverhältnis zwischen verschiedenen sozialen Gruppen neu zu definieren, also kann es nicht ganz friedlich sein. Es beinhaltet ein widersprüchliches soziales Interesse. Es umfasst verschiedene Gruppen von Menschen mit unterschiedlichen Agenden. In vielerlei Hinsicht befinden wir uns in einer Situation, die meiner Meinung nach gar nicht anders ist als zur Zeit der Französischen Revolution. Diejenigen, die zahlen sollen, haben es irgendwie geschafft, das Rechtssystem und das politische System so zu gestalten, dass sie sich der Besteuerung entziehen. Gleichzeitig haben die Mittel- und Unterschicht die Nase voll davon, die Rechnung für sie zu bezahlen. Die Lösung sind immer mehr Schulden. Irgendwann muss etwas anderes passieren. Ich denke, es wird ungefähr die gleiche Lösung sein müssen wie vor 200 Jahren, die das Ende der physischen Privilegien einer kleinen Bevölkerungsgruppe bedeutet, die es zu lange geschafft hat, sich der Besteuerung zu entziehen. Das ist die erste Perspektive auf Schulden. Mich würde natürlich sehr interessieren, wie Michael die Diskussion fortsetzt.

Moderatorin: Danke! Nun, Michael, das Rednerpult gehört dir.

Michael: Nun, ich habe das von Thomas veröffentlichte Buch über die Anhäufung von Reichtum und seine Konzentration in den Händen der 1% sehr geschätzt. Ich denke, jeder wusste intuitiv, dass dies der Fall war. Aber Ökonomen akzeptieren etwas erst dann, wenn es in der Statistik steht. Du hast einfach großartige Arbeit geleistet, all diese Statistiken zusammenzuführen und zu zeigen, inwieweit das Vermögen der 1% in jedem einzelnen Land konzentriert ist. Du hast auch den meiner Meinung nach wichtigsten Punkt angesprochen, als Du sagtest: "Was hat das verursacht?" Du hast eine breite Antwort gefunden, der ich zustimme. Du sagtest, dass die finanziellen Erträge die Gesamtwachstumsrate übersteigen, und wenn die finanziellen Erträge die Gesamtwachstumsrate übersteigen, werden die Reichen natürlich immer reicher.

Der Grund, warum ich einen anderen Ansatz habe, liegt darin, wie Du diesen Prozess erklärst. Nun, als Dein Buch herauskam, sagte eine Reihe von Autoren: „Das ist der Marx des 20. Jahrhunderts.“ Du hast gezeigt, dass es 1980 einen abrupten Wendepunkt gab und sich alles änderte. Ich denke, die 1% betrachteten Deine Statistiken als ihre Erfolgsgeschichte. Sie sagten: "Ja, uns geht es wirklich besser als allen anderen." Der Chef von Goldman Sachs sagte: „Das liegt daran, dass wir so produktiv sind“ – also beim Geldverdienen. Ich glaube, Dein Buch wurde im Westen so gelobt, weil Du keine bedrohliche politische Lösung vorgeschlagen hast. Als sie sagten: „Das war das Marx-Buch, der Marx der Neuzeit.“ bedeutete das: „Lesen Sie nicht Marx, lesen Sie stattdessen dieses Buch“. Ich vermute, dass der Herausgeber, nachdem Du all diese enorme und gute Arbeit in die Statistiken zu Vermögen und Einkommen gesteckt hast, wahrscheinlich zu Dir gesagt hat: "Nun, was sind Deine Lösungen?" Nun, Du hast gerade die Lösung gefunden, die im Buch auch gesagt wurde: Einkommen und Vermögen zu besteuern. Dies ist gewiss keine bedrohliche Lösung, denn es gibt keine Möglichkeit, Vermögen zu besteuern, solange es Offshore-Bankzentren gibt, um Vermögen zu verbergen. Solange sie also das haben, was die Ölindustrie vor 100 Jahren eingeführt hat - die faule Ausrede, ihr Einkommen im Ausland in steuerfreien Enklaven zu verdienen.


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