Langzeitfolgen

Weiner, Dienstag, 21.03.2017, 12:03 (vor 2587 Tagen) @ Mephistopheles3757 Views

Hallo Mephisto,

Die uns bekannte Apokalypse ist nur ein Werk einer ganzen
Literaturgattung.
Und diese apokalyptische Literatur vergiftete das Wesen der Kultur dann
tatsächlich auf Jahrhunderte hinaus...

Das ist absolut richtig! In die Langzeitfolgen sollte man nicht nur die materiellen Verhältnisse sondern auch die geistig-kulturellen Entwicklungen einrechnen.

Was zu meiner These
passt, dass nicht die "großen Führer" die neuen politischen Formen
machen, sondern diese rekursiv die "großen Führer" erschaffen.

Man könnte es durchaus so ausdrücken, genaugenommen bedingen beide sich gegenseitig wie die Vorder- und Hinterseite einer Münze. Der 'große Führer' muss einmal prototypisch in der Realität verwirklicht werden, um die Form sichtbar zu machen.

In Wirklichkeit ist es so, dass die "Charaktere" sich in
ihrem Umfeld "pathologisch" verhalten müssen (die Banalität des Bösen),
wenn sie ihre Ziele durchsetzen wollen.
Umgebracht werden die Schwächlinge.

Das ist in anderer Formulierung die gleiche und entscheidende Frage, die ich eingeworfen habe. Geht's vielleicht auch ohne UMBRINGEN?

Bei Cicero ist mir das aber nicht bekannt, und er hatte auch keinerlei
Nachwirkung, sondern er war nicht nur physisch, sondern auch ideologisch
erledigt, nachdem die Demokratie endlich gefallen war.

https://de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Tullius_Cicero#Proskription_und_Tod

Cicero hatte in Rom kaum Nachwirkung mehr, aber er hat die literarische Kultur des nächsten abendländischen Kulturzyklus (500 n.Chr. bis 2500 n.Chr.) maßgeblich beeinflußt, desgleichen (darin) die Wiederentdeckung und Renaissance der 'republikanischen Form' bzw. Idee. Eine ähnliche Langezeitfolge also wie die der apokalyptischen Literatur.

Augustus ist normalerweise nicht für Blutrünstigkeit bekannt,
sondern für sein taktisches Geschick. Die besiegten Soldaten seines
Gegners nahm er in seine Armee mit auf und gewährte ihnen genau so Sold
und Pension wie seinen eigenen Soldaten. Leichter und sicherer kann man
politische Gegner nicht demoralisieren.

Die meisten der Legionäre erhielten Landzuweisungen. Die herrenlosen Sklaven hat man wie erwähnt sämtlich aufgehängt (sie waren für etwaige neue Besitzer und den Staat gefährlich, weil sie das Kriegshandwerk kannten ... man hatte Erfahrungen mit Sklavenaufständen ...). Augustus stand politisch hier in der Tradition von Cäsars CLEMENTIA, konnte und musste aber nicht mehr so weit gehen wie dieser. Cäsar hat die republikanische Form extrem überdehnt, und sein politisches 'Verzeihen' bzw. seine Großzügigkeit waren Instrumente der Kompensation. Das nahm teilweise kuriose Formen an: Leute erhielten Dankesschreiben und Belohnungen für Dinge, die sie getan haben sollten, aber von denen sie gar nichts wußten! Propaganda halt ...

Nach seinem Tod hat man sich an die Überdehnung der republikanischen Form sukzessive 'gewöhnt', und innerhalb einer Generation wurde dann die Form des Prinzipats entwickelt (quasi vom Senat anerkannter Diktator auf Lebenszeit).

Details etwa hier: http://www.iulius-caesar.de/seite-5.htmlv

Grüsse, Weiner


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