Russen ADR-Programm soll eingestellt werden, warum?

eesti, Schwedt und Cranz(Ostpreußen), Donnerstag, 07.04.2022, 20:13 (vor 1352 Tagen)4304 Views

Derzeit ist der Handel der russischen Zertifikate auf Aktien an Westbörsen ausgesetzt.
Rußland erlaubt derzeit nicht den Handel russischer Wertpapiere durch Ausländer.

Hintergrund:
Durch den Krieg, die Sanktionen, kam es auch zu einer Aussetzung des Handels russischer Aktien an der Moskauer Börse und daraufhin auch der ADR (Zertifikate auf die Originalaktien) an den ausländischen Börsen, ebenso die Auszahlung von Dividenden, die nun auf ein so genanntes "C"-Konto fließen, also vorerst gesperrt sind, da eine Zahlung an Feindstaatler in Devisen derzeit nicht bzw. nur mit Sondergenehmigung erlaubt ist.
Die russischen Aktien fielen daraufhin aus allen Weltindices heraus, müssen also von den Fondsmanagern, die gezwungen sind, den Index nachzubilden, entgegen aller Vernunft egal zu welchem Kurs abgestoßen werden.
Die Börse in Moskau hat inzwischen wieder geöffnet und steht ebenso, wie der Rubel wieder ungefähr auf Vorkriegsniveau.
Ausländer können von der Kurserholung aber nicht partizipieren, denn der Handel ist für ADR und Ausländer an der Moskauer Börse weiter verboten.
Warum das alles?
Rußland hat durch die Einfrierung der Hälfte der Währungsreserven Befürchtungen, daß durch massiven Kapitalabfluß die Handlungsfähigkeit zumindest für die Zukunft massiv einbrechen könnte.
Daher werden alle Zahlungen aus dem russischen System weitestgehend blockiert.
Die im Ausland lebenden Oligarchen, die bisher die Erträge russischer Firmen oft nahezu komplett ins Ausland verschoben (Dividendenzahlungen in Steueroasen), bekommen nun keine Gelder mehr überwiesen.
Das Geld bleibt im Land.
Man hat dazu noch einen Magneten eingeschaltet, die Anhebung des Leitzinses auf 20%, was doch den einen oder anderen Geldschmuggler animiert, doch etwas Geld im Reich des Bären zu lassen.
Da nun durch die Sanktionen viele Exporte einbrechen, die dann oft nur mit Rabatt an den Mann gebracht werden können, erwartete man Finanzprobleme, die aber aus 2 Gründen ausblieben und zum Erstarken des Rubel führten.
Einerseits gingen auch die Importe zurück, andererseits stiegen durch die ausbleibenden Lieferungen viele Hauptexportprodukte Rußlands deutlich am Weltmarkt, trotz Rabatten und erheblich höheren Transportkosten kam es sogar zu einem Anstieg der Währungsreserven im jetzigen Sanktionsregime.
Die Notenbank ist nun sogar gezwungen Gold am Markt aufzukaufen, um den Rubel nicht auf extreme Werte steigen zu lassen, die die Wirtschaft unnötig belasten würden.
Zurück zu den Aktien:
Um die Not der Indexfondsmanager auszunutzen, die bei Handelsaufnahme verkaufen MÜSSEN, muß der ZB oder andere Fonds des russischen Staates (Wohlfahrtsfonds...) die Gelegenheit gegeben werden, diese Aktien zu den Ausverkaufspreisen aufzukaufen. Diese Chance dürfte einmalig sein.
Da Rußland nicht mit Dollar oder Euro einfach Aktien/ADR im Ausland aufkaufen kann, muß man einen Weg finden, Zugang zu den Aktien zu bekommen, ohne daß der Kaufbetrag beschlagnahmt wird.
Das passiert jetzt folgendermaßen:
Rußland wies an, daß alle ADR-Programme einzustellen sind (Einzelheiten des Gesetzes lassen wir mal weg). Faktisch müssen nun alle (gesponserten) ADR in Originale umgewandelt werden. Diese dürfen aber nur in Moskau gelagert werden, können auch nur an der Moskauer Börse in RUBEL gehandelt werden.
Alle Verkäufer können bei einer Aufhebung der Handelssperre für Ausländer nun nur handeln (die Fondsmanager müssen ja verkaufen), wenn sie selbst ihre Rubel in Devisen tauschen.
Nun kann der russische Staat ohne Beschlagnahmemöglichkeit die von Ausländern, vor allem den Verkaufsverpflichteten Fonds, gehaltenen Aktien einsammeln.
Die hohen Einnahmeüberschüsse können nun zur Rubelschwächung durch Aktienkäufe neutralisiert werden.
Zukünftig zahlen diese Firmen ihre oft sehr hohen Gewinne (in Rußland liegt das Gold auf der Straße!!!) nicht mehr an Ausländer aus, sondern in den russischen Staatshaushalt.
Sicherlich, in Rußland ist immer alles unsicher, aber nach dem Krieg wird das Leben weiter gehen und selbst bei immerwährenden Sanktionen gegen Rußland wird Rußland immer genug Produkte haben, die von den restlichen 100-150 Staaten, die an den Sanktionen nicht teilnehmen, gern mit gewissem Rabatt abgekauft werden.
Deutschland kam nach dem 1945er Kriegsende mit seinen guten Produkten auch zügig wieder auf den Markt.
Indien und China und auch andere große Spieler werden den Wettbewerbsvorteil, der sich daraus ergibt, intensiv nutzen. Zumal in vielen Bereichen Rußlands Exporte (Düngemittel) für die Welt essentiell sind.
Der ökologische Umbau, wie derzeit bei Norilsk Nickel (jetzt Nornickel) durchgeführt, wird vorerst in den Hintergrund treten.
Aber auch Europa wird den Umbau nicht mehr vollziehen können. Es fehlt nun einfach das Geld, denn Europa hat seinen großen Wettbewerbsvorteil, die billigen russischen Rohstoffe nicht nur verloren, sondern zahlt für fast alles nun zusätzliche hohe Logistikpreise, muß mehr bezahlen, als viele Wettbewerber.
Die Folgen sind absehbar.

Warten wir also auf den 1. Tag, an dem auch Ausländer nach der Konvertierung der ADR in Originale wieder frei handeln können!
Fraglich wird sein, wie dann die Abwicklung des Rubelumtauschprozedere ablaufen wird, aber ich denke, da wird schon dran gearbeitet.

--
MfG
LR

Alles ist ein Windhauch.


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