Hier liegt die Tagesschau wohl ausnahmsweise richtig

Taurec ⌂, München, Mittwoch, 01.04.2020, 20:03 (vor 1484 Tagen) @ Theo Stuss971 Views

Hallo!

Die Tagesschau schreibt:

"Eine solche Vorhersage von Nostradamus sei nicht überliefert, stellt die Nachrichtenagentur dpa klar."

Und das willst Du widerlegen, indem Du auf eine PDF-Datei auf Dropbox verweist, in der zwar ein paar Sätze "zitiert" sind, aber keinerlei Quellenangabe genannt ist? Du verweist auf den Originaltext ("ohne eine Blick auf den Originaltext zu werfen"), lieferst selbst aber keinerlei Beleg, sondern nur irgendeine zusammengeschusterte PDF-Datei.

1. (Alt-Französisch) "Lor l'an maudyt do dois vinages, vyl mal ao nom da cervoise fera bière aos homes" - Prophétie n°34 - premier alinéa - 1557

Eine Googlesuche nach dem Satz scheint mir darauf hinzudeuten, daß er vor 2020 gar nicht existierte. Dann handelt es sich um den üblichen zeitgenössischen Internetunsinn, der stets entsteht, wenn irgend etwas besonderes passiert.
Aber ich mag mich irren.

Es müßte sich eigentlich um den Jahresalmanach für 1557 handeln. Dieser findet sich hier im Originaltext:

http://cura.free.fr/dico-a/612B-alm1557.html

Die obige Stelle habe ich darin nicht gefunden.

Die Sprache wirkt nicht wie das Mittelfranzösisch, das ich aus Nostradamusoriginaltexten üblicherweise kenne. Die Orthographie scheint (auch hier mag ich mich irren) dilettantisch auf alt zu trimmen versucht worden zu sein, z. B. durch Austausch von "i" durch "y", bzw. allgemein Änderung der Vokale: "deux" zu "dois", "vil" zu "vyl". Wer die Originaltexte kennt, weiß, daß darin in der Regel der heutige Laut- und Orthographiestand in weiten Teilen bereits erreicht ist.

Die Stelle scheint zudem falsch übersetzt zu sein.

"Vinage" gab es im Mittelfranzösischen und heißt "Wein" (und im übertragenen Sinne verschiedenes mit Wein Verbundenes).
Das überträgt der Übersetzer (noch) korrekt in "de deux vins". Dann wird es aber abenteuerlich. In der Deutung wird aus "vins" dann das lautlich identische "vingts" ("Zwanziger"). Dabei übergeht er (mutwillig), daß im (angeblichen) Original eben nicht "vins" steht, sondern "vinages", ein ganz anderes Wort! Er geht also nicht von der Originalsprache aus, sondern von seiner Übertragung. Gleichwohl es "vin" auch im Mittelfranzösischen gab, ist es eine unzulässige Mißachtung des Originaltextes, in dem eben "vinages" steht, also eindeutig "Wein" gemeint ist, nicht "Zwanzig". Um auf 20-20 zu kommen, muß er freilich diese Unterstellung machen. Das ist die typische Art, auf die Betrüger Nostradamus mißbrauchen, um das gewünschte Ergebnis zu erhalten.
Allein dieses Vorgehen deutet aber darauf hin, daß es tatsächlich irgendwo einen Vorlagentext geben müßte. Ein Fälscher hätte sich den Text gleich passend zurechtgefälscht und würde nicht so hanebüchen daran herumdoktoren.

Der Satz lautet höchstwahrscheinlich: "Im verfluchten Jahr der zwei Weine [Weinlesen!], ruchloses Übel im Namen der Cervisia wird den Menschen Bier bringen."

Schon aus dem Zusammenhang (geistige Getränke: Wein, Cervisia, Bier) wird klar, daß hier mitnichten eine Jahreszahl gemeint ist.
Die Bedeutung ist: Offenbar gibt es ein äußerst fruchtbares Jahr, in dem sogar zwei Ernten eingebracht werden. Die Menschen können es allerdings nicht nutzen. Aus irgendeinem widrigen Grunde sind sie statt erlesenen Weines das als geringer erachtete Bier zu trinken gezwungen.

Für weitere Informationen stehe ich zur Verfügung.

Ich bitte darum!
Aber Aufgrund dieses skurrilen Verfälschens von "vinages" zu "vingts" und einer am Original vorbeihehenden Interpretation ist ohnedies nicht davon auszugehen, daß hier 2020 gemeint wäre, selbst falls ein authentischer Originaltext auftaucht (bitte mit Angabe des Druckwerkes aus dem 16. Jahrhundert, idealerweise mit Link zum Faksimile).

Gruß
Taurec

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