Was das Tübinger Landgericht (Baden-Württemberg) entscheidet, gilt aber nicht (automatisch) für Saarländer!

Literaturhinweis, Mittwoch, 11.01.2017, 15:11 (vor 2891 Tagen) @ modesto8955 Views
bearbeitet von unbekannt, Mittwoch, 11.01.2017, 15:17

Aus der Entscheidung selbst:

"19
Der Schuldner bestreitet den Zugang; die angefochtene Entscheidung stützt sich auf §§ 41, 43 LVwVfG. Diese Normen sind jedoch gemäß Â§ 2 LVwVfG nicht anwendbar. Insoweit stellt sich die Frage, ob hier eine versehentliche Lücke, eine Unachtsamkeit des Gesetzgebers, vorliegt, oder eine bewusste Entscheidung. Letzteres ist der Fall, was sich aus einem Vergleich der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder ergibt: Es gibt Länder in denen auch im Rundfunkbeitragsrecht das LVwVfG ausnahmslos gilt, einschließlich der Zugangsvermutung. Es gibt Länder wie Baden-Württemberg, in denen die Rundfunkanstalt bewusst ausgenommen ist; es gibt Länder, die auf das Bundes-VwVfG verweisen. Sachsen verweist beispielsweise auf das Bundesrecht mit der Zugangsvermutung durch Postaufgabe, Rheinland-Pfalz wendet unmittelbar eigenes Landesrecht mit entsprechender Regelung an. Hieraus ergibt sich, dass es - zumal nach vieljähriger Gesetzespraxis - als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers anzusehen ist, wenn das LVwVfG ausgeschlossen wurde."

Wie lautet der Juristenspruch? "Es kommt darauf an" ...

Eine Landesrundfunkanstalt ist meines Erachtens eine Behörde, Baden-Württemberg scheint ihr aber nicht dieselben Rechte wie anderen Behörden eingeräumt zu haben, ob mit Absicht oder aus Versehen im Gesetzgebungsverfahren, wer weiß. Ich sagte ja schon, daß das mindestens mehrere Stunden Rechercheaufwand auch für einen erfahrenen Juristen bedeutet, das zu eruieren. Auch Sparkassen werden im Arbeitsrecht nicht unbedingt als Behörden gesehen, schon seit dem spektakulären Poullain-Fall. Der Beispiele gäbe es viele, z.B. die Treuhandanstalt zur Verwertung des DDR-Vermögens war, meiner Erinnerung nach, zumindest ein Zwitter.

Im übrigen geht es bei dem Tübinger Fall nur darum, ob die 'Behörde' Rundfunk direkt, sofort vollziehbar, vollstrecken kann oder irgendeinen Rechtsweg beschreiten muß, wie etwa Zalando und Amazon, wenn sie so doof waren, gegen Rechnung zu liefern. Und davor geht es überhaupt darum, daß sie nicht nachweislich zugestellt haben, und (nur) deswegen in keinem Fall jetzt schon vollstrecken können, da sie erst einen Bescheid erlassen, zustellen und die Widerspruchsfrist abwarten müssten.

Es geht also erstmal darum, ob die 'Behörde' den Nachweis durch "Aufgabe zur Post" führen kann oder nicht:

"23
Die Gläubigerin führt selbst aus, dass sie die Bescheide lediglich zur Post gegeben hat. Damit fehlt - auch nach ihrem eigenen, nicht übergehbaren Vortrag - eine wirksame Zustellung, eine Zugangsfiktion kann nicht eintreten, da deren gesetzliche Basis, die Postaufgaberegelung, im Rundfunkbeitragsrecht des Landes Baden-Württemberg nicht anwendbar ist."

Das Landgericht verneint das. Damit wäre (Post-) Zustellung(surkunde) oder Einschreiben erforderlich gewesen. Im zweiten Zuge steht dann die Frage im Raum, ob in Baden-Württemberg der Rundfunk "Selbsttitulierungsbefugnis" hat und direkt einen Gerichtsvollzieher einschalten darf, oder erst irgendeinen Rechtsweg begehen muß.

Ob das Problem im Saarland ähnlich gelagert ist, habe ich nicht geprüft.

Dem ersten Anschein nach ist die Titulierung (der 'Behörden') in beiden Bundesländern gleich:

http://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=5622.0

aber eben nicht unbedingt die Rechtslage, vgl. die genauen Erläuterungen im LG-Urteil.

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