Anekdote dazu

Rheingold, Dienstag, 17.05.2022, 08:01 (vor 711 Tagen) @ XERXES1982 Views

In den 70ern war ich Donaldist, das ist eine Organisation, die sich mit der wissenschaftlichen Erforschung des donaldistischen Universums beschäftigte. DONALD stand für Deutsche Organisation für Nichtkommerziellen Lauteren Donaldismus. Viele junge Professoren aus den verschiedensten Fachbereichen trugen ihre wissenschaftlichen Forschungen dazu bei. Einer beschäftigte sich mit der Schnabelwulst-Problematik der Enten in Entenhausen, andere mit Themen des Rassismus (wieso sind amtliche Würdenträger in Entenhausen und Quackenbrück eigentlich immer Schweine und keine Enten?), der Meteorologe und Klimaforscher Hans von Storch stand seinerzeit dem Verein als PräsidEnte vor und hatte einige Forschungsergebnisse zur Wirkung der Thermodynamik veröffentlicht.

Ich hatte das Vergnügen, den Donaldismus politisieren zu dürfen. Dazu erschien ein Sonderheft, zu dem der seinerzeitige neben Carl Barks berühmteste Donald-Duck-Comic-Zeichner Volker Reiche das Titelbild zeichnete, was für mich als seinerzeit 16jährigem eine große Ehre war.

Hier die Sonderedition
http://artfond.de/donald.htm
(benutzername rheingold, passwort gold)

Interessant dabei war, wie das "Wahlvolk" auf diese off-off-Initiative reagierte, die dem framing, wie Demokratie zu funktionieren habe, ganz offensichtlich entsprach. Sie wählten selbstverständlich die jugendlichen Karrieristen, die eine solche Schülersprecherwahl als Übung für ihre spätere parteipolitische Karriere nutzten und sich bereits einübten, mit gefälligen Wahlversprechen, die natürlich nach der Wahl nicht mehr das Flugblatt wert waren, auf denen sie gedruckt wurden, Erfolge zu meistern.

Interessant empfand ich, mit welchen unfairen Tricks dabei gearbeitet wurde. Ich hatte mich als Vertreter der DONALD politisch beworben und in aller Bescheidenheit meinen eigenen Namen winzig klein auf dem Flugblatt nur einmal erwähnt.

Die Wahlleitung beschloß daraufhin, dass nicht die DONALD auf dem Wahlzettel gedruckt wurde, sondern mein, ein dem Wähler unbekannter Name. So hatte man effektiv verhindert, dass ein Schüler aufgrund des Flugblattes die DONALD wählen konnte, denn DONALD tauchte nirgends auf.

Interessant für mich, wie es ein Jahr weiterging. Bei der nächsten Wahl traten drei Kandidaten an, die aufgrund einer Wahlrechtsreform auch alle drei gleichberechtigt als Schülersprecher fungieren würden. Eine Wahl, bei der sowieso alle gewählt wurden, empfand ich als mit demokratischen Prinzipien nicht vereinbar. Also rief ich in meinem Namen zu einem Boykott der Wahl auf und bat, ungültig zu stimmen.

Auch daraufhin änderte man das Wahlprozedere.
Man setzte einfach ungefragt meinen Namen auf den Wahlzettel, außerdem erstmalig die Rubrik "Enthaltung"
Im Ergebnis sollte sich dann die Schar derer, die meinen Aufruf unterstützte aufteilen.
12% hatten meinen Namen angekreuzt, 24% hatten "Enthaltung" angekreuzt (immer von den gültigen Stimmen aus gerechnet), ungewöhnlich weit über 30% der abgegebenen Stimmen wurden ungültig gezählt.

Kommuniziert wurde dann von der Wahlleitung, dass das blöde Flugblatt ein kompletter Mißerfolg gewesen sei, da nur 12% für diesen Chaoten gestimmt hätte.

So läuft Demokratie, lernte ich als Teenager. :-)


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