Ist irrational gleich unvernünftig?

dito, Samstag, 01.05.2021, 09:52 (vor 1084 Tagen) @ Beo25382 Views
bearbeitet von dito, Samstag, 01.05.2021, 09:55

Nur begründet benennbare und abschätzbare Risiken sind (rational) diskutabel. Alles andere ist pure, ideologisch motivierte Spekulation oder realitätsferne Verschwörungstheorie.

Da ich eine ähnliche Diskussion im Bekanntenkreis hatte, hier ein paar Gedanken dazu.

@Beo2:
1. Deinem ersten Satz stimme ich voll zu (aber anders ;) ).
2. Beim zweiten stimme ich dem Begriff "Spekulation" zu.
3. Den Rest empfinde ich als "ideologisch motiviert" und "Verschwörungs[theoretiker]theorie" (deinerseits).

Verstehe mich nicht falsch: Rational abwägen kann man tatsächlich nur, was man "weiß". (Eigentlich gehört auch noch eine Quantifizierbarkeit dazu.)

Du hast allerdings Rationalität mit Vernünftigkeit gleichgesetzt, was problematisch ist. Es gilt nämlich nicht in jedem Fall: irrational = unvernünftig

Ich habe oben "wissen" in Anführungszeichen gesetzt: Wie sieht es in dem (wahrscheinlich häufigsten) Fall aus, dass man nicht alles weiß?

Beispiel Contergan - ich rede von dem Stadium, als man noch nichts über die schlimmen Folgen wusste (Fällt dir auf, dass man "nicht wissen" leichter ohne Anführungszeichen schreiben kann als "wissen"?):

Was war beim Contergan richtig: die rationale Abwägung ("Es gibt keine wissenschaftliche Evidenz ...") oder eine irrationale, unbestimmte Sorge (Typ: "besorgter Bürger")?

Würdest du die irrationalen Menschen, die damals aus irrationalen Gründen auf Contergan verzichtet haben, als "ideologisch motivierte" "Verschwörungstheoretiker" bezeichnen? Wahrscheinlich nicht, aber die Pharmaindustrie hätte es vermutlich getan.

Wie schon angedeutet: Vernunft ist mehr als Rationalität und es gibt auch eine irrationale Vernunft, die spekulativer bzw. instinktiver Natur ist.
Sie ergibt sich aus der pragmatischen Notwendigkeit, in Entscheidungssituationen mit dem, was man nicht weiß, umzugehen.

Erfahrungswerte aus anderen Bereichen dürften dabei ein Rolle spielen (wie heute - korrekt oder nicht - die Erinnerung an die Schweingrippe) oder das vielzitierte "Bauchgefühl"; welches ohnehin im Alltag aus pragmatischen Gründen für unsere Entscheidungen bestimmend ist.

Was kann man einem wünschen, der sich *nur* auf seine Rationalität verlässt?

Viel Glück!

(P.S. Das ist @Zürichsees "Glück auf" [s.o.] :) - wir müssen mit der Unsicherheit der Entscheidungssituation leben.)


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