Hǎi jìn – Seeverbotspolitik und die Einheit des Reiches

Ostfriese, Mittwoch, 05.06.2019, 00:20 (vor 1778 Tagen) @ CalBaer1447 Views

Hallo CalBaer,

die Ereignisse am Tian’anmen-Platz sind nur vor dem Hintergrund traumatischer Erfahrungen der chinesischen Herrschaftsdynastien zu verstehen: der Angst vor dem Zerfall des Reiches.

Diese Angst, die eben bis heute anhält, führte dazu, dass die Hauptstadt von Nanjing nach Peking verlegt wurde.

"Warum verlegte Yongle (1403 – 1424) die Hauptstadtfunktionen schrittweise und dann 1420 – 1421 ganz von Nanjing nach Peking? Er hatte doch, im Gegensatz zu den Mongolen und den späteren Mandschu, jenseits der Mauer im Norden nur Feinde. Aber genau darin liegt der Grund! Denn wenn die Hauptstadt in Nanjing geblieben wäre, hätte der Bestand der Ming vielleicht gesichert werden können, aber nur wie im Falle der Südlichen Song-Dynastie, nämlich unter dem Verlust von Teilen des Nordens. Die Hauptstadtverlegung war also eine Bedingung zur Wahrung der Reichseinheit. Zugleich wurde damit eine Hauptstadtentscheidung getroffen, die es dann den Mandschu in der Mitte des 17. Jahrhundert erleichterte, die Herrschaft über ganz China zu erlangen.
Eine Folge der Hauptstadtverlegung war indessen die Entfremdung der Regierung von der Lebens- und Handelswirklichkeit des Südens, des seit jener Zeit bis zum heutigen Tage prosperierendsten Teils Chinas – ein Problem, das sich am Ende des 20.Jahrhunderts erneut stellt. Mit dem Ende Yong-Ära erfolgte auch, bedingt nicht zuletzt durch Widerstand vonseiten der Nomaden in der Mongolei, ein Rückzug der Ming-Truppen an den Grenzen. Und in der Zeit zwischen 1438 und 1449 kam es sogar zu mehreren mongolischen Angriffen auf das Reich, und nach einer schweren Niederlage des chinesischen Heeres wurde sogar der Kaiser von den Mongolen gefangengenommen. Andere Gefahren an den Rändern traten hinzu, nicht zuletzt das mit zunehmendem Seehandel wachsende Piratentum, insbesondere japanische Piraten, das schließlich zu einer seewärtigen Abschließungspolitik, der sogenannten Seeverbotspolitik führte."

Quelle (Seite 181): https://www.chbeck.de/schmidt-glintzer-china/product/18842

Mit der Seeverbotspolitik wurden die Kräfte auf die Erhaltung des Reiches in den angestammten Grenzen (im Norden die Wüsten, im Westen die Hochgebirge und im Süden und Osten das Meer) gerichtet. Die erzwungene und endgültige Überwindung der Seeverbotspolitik und die Öffnung des Reiches seit Ende des 19. Jh. – von außen und von innen – bedeutet, dass die chinesische Politik ihre Anstrengungen zur Erhaltung der Einheit noch verstärkt.

"Trotz innerer Vielfalt und einer stetigen Ausdehnung des Reiches geling immer wieder die Durchsetzung des Einheitsstaatsgedankens."

https://www.3sat.de/kultur/kulturzeit/uiguren-102.html

Gruß â€“ Ostfriese


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