Funktion (und evtl. Wirkung) des "Notarsiegels", evtl. Kostenbegrenzung und das Problem der sich ändernden Rechtslage

Literaturhinweis, Dienstag, 30.05.2017, 12:35 (vor 2515 Tagen) @ SevenSamurai6860 Views
bearbeitet von unbekannt, Dienstag, 30.05.2017, 13:02

Siehe das aktuelle Buch der Stiftung Wernertest:

Das Vorsorge-Set: Patientenverfügung, Testament, Betreuungsverfügung, Vorsorgevollmacht

Ich kenne weder einen Anwalt noch einen Notar persönlich (oder geschäftlich).

Oh, Elysium!

Wie vermeide ich, von denen abgezockt zu werden?

Die staatstragende Antwort würde nun lauten: gehe nach Baden-Württemberg, dem Land mit den Amtsnotaren. In anderen Bundesländern ist der Notar freiberuflicher Unternehmer, wiewohl beliehener Beamter in seiner Notarfunktion, und oft gleichzeitig Rechtsanwalt, der natürlich geschäftliche Interessen hat wie alle, die gegen Geld tätig werden, auch Angestellte.

sämtliche Immobilien und das komplette Vermögen angeben,

"Als Geschäftswert ist grundsätzlich die Hälfte des vorhandenen Vermögens des Vollmachtgebers ohne Schuldenabzug anzusetzen."

Wer überschuldet ist, gibt sich also besser die Kugel ...

Ach nee, doch nicht:

"Die Gebühr ist auf maximal € 1.735,- begrenzt."

Wie genau weist man das nach? Einfach eine Liste mitnehmen?

Ich kenne das aus ähnlich gelagerten Fällen, daß der Notar da mit Augenmaß vorgeht, zudem kann er nicht Detektiv spielen. Und wer bereit ist, die Deckelungssume zu berappen, ist jeglicher Nabelschau sowieso enthoben.

Nur: wie soll das sonst festgesetzt werden? Hartz-IV-Empfänger, bitte subventioniert mit Bitcoin zu Reichtum gekommene Foristen?

Die nächste Frage ist die des Testaments.

Notarielle Patientenverfügung, aber Laientestament, erscheint mir eine u.U. lange nachwirkende Kombination ...

Damit kann man sich u.U. immerhin dagegen absichern, daß eine habsüchtige nicht verheiratete Geliebte mit einem geschickt gefälschten, angeblich "handschriftlichen" Privattestament aufwartet, nachdem der Erblasser sich dazu nicht mehr äußern kann.

Was uns wieder zum Thema Patientenverfügung und Notarsiegel bringt:

Ich glaube nicht, daß ein "Notarsiegel an sich" einen Sinneswandel bei einem gestandenen Arzt bewirkt.

Man muß zudem zwei Arten der notariellen Handlung unterscheiden:

- die Beurkundung und

- die Beglaubigung.

Bei letzterer leistet man nur seine Unterschrift in Anwesenheit des Notars, so daß klar ist, daß diese nicht gefälscht ist. Ob der Unterzeichner "bei Sinnen" war, besagt dies nicht.

Jedoch sagt eine notarielle Beurkundung mehrere Dinge aus:

a) es ging dem eine rechtliche Beratung nach -so sollte es zumindest sein- neuester Rechtslage voraus.

b) Der Notar "bezeugt", daß der Unterzeichnende im "Vollbesitz seiner geistigen Kräfte" war, als die Urkunde aufgenommen wurde. Das sichert einen gegen diesen Einwand; auf einen Streit, ob der Notar vielleicht eine verkappte Testierunfähigkeit verkannt habe und einen Psychiater hätte hinzuziehen müssen, wird sich keiner einlassen wollen.

c) Da der Notar die gesamte Urkunde verliest (außen in Basel-Land), bevor sie unterzeichnet und gesiegelt wurde, belegt das, daß der spätere Patient wußte "was er tat" und nicht, wie beim Einkauf die AGB, den Entwurf von Nina Hagen gar nicht gelesen hatte.

d) Und nicht zuletzt beweist es dem Arzt gegen jeglichen möglichen Einwand, daß dies tatsächlich das "Original" der bei Bewußtsein erlassenen Anweisungen dessen ist, den er vor sich hat, und nicht etwa eine im Nachhinein von Erbschleichern erzeugtes Dokument, das dazu dient, qua Unterlassen von lebensverlängernden Maßnahmen schneller ans Erbe zu kommen. Auch das kommt vor!

Der Arzt wiederum begeht unterlassene Hilfeleistung oder fahrlässige Tötung, wenn er nicht bis zum Äußersten geht, das Leben seines Patienten zu "retten". Für den, anders als für die ums Bett stehenden schimpfenden Verwandten, steht seine ganze Existenz auf dem Spiel!!!

Und für das Klinikunternehmen steht zudem viel Geld auf dem Spiel.

Der Arzt hat also auch ein Anrecht darauf, daß ein lebensverkürzendes Unterlassen dem "letzten Willen" des Patienten entspricht. Oft hat er oder ihm bekannte Kollegen schon negative Erfahrungen gemacht.

Eine Ablehnung "lebensverlängernder Maßnahmen" allein reicht z.B. nicht aus.

Ist das Leeren einer Bettpfanne nicht vielleicht lebensverlängernd???

Auch der Arzt hat ein Leben, und das muß noch lange weitergehen, er hat Familie und Kollegen, denen er verpflichtet ist usw.

Was ein Problem nicht aus der Welt schafft:

Die Rechtslage ändert sich ab und zu abrupt und gravierend durch höchstrichterliche Rechtsprechung. Ein großer Krankenhausträger hat selbstverständlich seine eigene hervorragende Rechtsabteilung, ebenso wie die Berufshaftpflicht des Arztes.

Einarbeiten ins gegenwärtige Umfeld kann man sich z.B. mit:

Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Sterbehilfe: Rechtssicherheit bei Ausstellung und Umsetzung - Mit umfassenden Mustertexten und Lexikon der medizinischen und pflegerischen Begriffe

oder

Vorgesorgt: Tipps, Formulare, Vollmachten, Checklisten und Verfügungen Taschenbuch

Man müßte also, will man im entscheidenden Moment, da man nicht mehr testierfähig ist, sicher sein, daß die Verfügung noch rechtlich durchführbar ist, sie von einem Rechtsanwalt gelegentlich (jährlich?) auf eine evtl. notwendige Anpassung an die aktuelle Rechtslage überprüfen lassen.

Womit der Zirkus von vorne losgeht.

Desselbe gilt für die meisten Testamente, die nicht berücksichtigen, daß Opa das Haus inzwischen verkauft hat gegen lebenslanges Wohnrecht, und der eine Enkel gegen seine Verpflichtung, Opa zu pflegen, damit er möglichst lange in der Wohnung bleiben kann, die Einliegerwohnung übertragen bekam, nachdem vorher das Haus in Eigentumswohnungen geteilt wurde.

Da diese z.T. grundbuchlich gewahrten Stipulationen nicht von einem Testament beeinträchtigt werden können, sind viele, viele, viele, auch notariell errichtete, Testamente oft teilunwirksam bis gesamtnichtig, mit Folgen bis hin zur Nachlaßversteigerung, wenn nur so "das Erbe auseinandergesetzt" werden kann.

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