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Real-Enzyklopädie (8/2): Parität - Die Unmöglichkeit einer

Geschrieben von dottore am 21. Juli 2001 17:18:30


Guten Tag!

Die Probleme von Einheit und Parität sind die Probleme der Geldgeschichte bis heute.

Dieses ist sofort klar, wenn wir uns in der Natur vorkommende "Einheiten" vergegenwärtigen. Es gibt ein Schaf, einen Baum, eine Henne, usw.

Schwieriger wird es schon, wenn wir uns eine Herde, einen Wald, einen Hühnerhaufen vorstellen sollen. Wenn wir genau hinschauen, sehen wir ein Mehrfaches einer Einheit (der Zahl 1). Dieses Mehrfache können wir uns "merken", solange es nicht eine bestimmte Summe übersteigt (siehe Teil 1). Geht das Mehrfache darüber hinaus, können wir es uns nur merken, indem wir es notieren. Dies geschieht mit Hilfe von Ziffern.

Diese Ziffern waren in den frühen "Zählsystemen" zumeist identisch mit den Buchstaben, also "alpha" = 1, "beta" = 2, usw. , was wir hier nicht weiter verfolgen müssen, zumal wir sonst in eine weitere Diskussion abschweifen müssten, nämlich der, ob der Buchstabe, der einen Laut symbolisiert, in der Geschichte vor dem Buchstaben, der eine Ziffer ist (und diese wiederum eine Zahl bzw. ein Mehrfaches dieser Zahl vorstellt) erscheint oder umgekehrt.

(Logischerweise kommt immer die Ziffer zuerst, da nach 1 zwangsläufig 2 kommt, während es keinerlei Zwang gibt, auf das A ein B folgen zu lassen, es könnte genauso gut ein M oder Z sein. Dazu als weiterführende Literatur: Denise Schmandt-Besserat, "Before Writing, vol. I. From Counting to Cuneiform" (1992), eines der scharfsinnigsten Bücher, die ich kenne).

Extrem schwierig wird es, wenn wir es nicht mit von der Natur begrenzten Einheiten zu tun haben, sondern mit Materialien, die durch ihre Existenz (Wasser) oder ihre Produktion (Metall) in nicht als "Einheit" abgrenzbarer Form existieren. Man kann sich weder ein Wasser noch ein Metall vorstellen in dem Sinne, dass wir uns damit eine Einheit ("1") vorstellen könnten.

Daher erleben wir in der Geschichte den - per se - hoffnungslosen Versuch, nicht in Einheiten darstellbare Materialien doch in einer Einheit darzustellen. Das kann nicht aus sich heraus geschehen, sondern immer nur mit Hilfe anderer Einheiten.

Wir haben das schon beim römischen As (= wörtlich "Einheit") gesehen, das eine Einheit Kupfer darstellen soll, die es aber nicht geben kann. Und das deshalb im Gewicht ganz grotesk schwankte, wie bereits früher ausgeführt.

Wie hilflos die Versuche, eine "Einheit" für etwas zu finden, das keine Einheit haben kann, zeigen noch einmal diese beiden Beispiele aus dem Beginn der römischen Geldgeschichte:



Dies ist offenbar die Hälfte einer Einheit, die von Thurlow/Vecchi, "Italian Cast Coinage" (1979) als AS 1 bezeichnet wird, unter Abbildung eines 1,55 Kilo schweren As (bereits im Forum gezeigt). Das Stück hier wiegt 781 g.



Dies ist - auf wenig später datiert - wiederum ein As aus gleichem Material, wiegt allerdings nur 299 g und lässt sich nicht mehr sinnvoll (über das Gewicht nämlich) in den obigen As umrechnen.

Damit sind wir nicht nur im Problem des Herabsetzens der Einheit, der As erschien schließlich bis ca. 40 g schwer, wobei man, dies als die "übliche" Münzverschlechterung deutend, zu kurz springen würde.

Denn die Einheit kann ich nicht in sich selbst verändern, genau so wenig wie ich sagen kann, ein Ei ist deshalb nicht ein Ei, weil es vielleicht größer oder kleiner als andere Eier ist. Es bleibt immer ein Ei, wenn auch mit Eigenschaften (Größe, Gewicht, usw.), die es von anderen Einheiten Ei unterscheidet.

Damit sind wir vielmehr mitten im Problem der Parität! Wenn ich eine "Einheit Metall" durch ihr Gewicht definiere, wie offenbar im obigen Beispiel dem "Ramo-Secco"-As (ramo secco = trockener Zweig), dann definiere ich die Einheit durch eine andere Einheit, nämlich ein Gewicht. Damit ist aber nichts weiter definiert, da beides, Einheit und Gewicht das selbe sind.

Einen Bezug zu anderen Einheiten außerhalb des Metallbereichs herzustellen, ist unmöglich, also etwa in dem Sinn, dass man für 781 g Kupfer einen trockenen Ast im Verhältnis 1 : 1 hätte eintauschen können. Im unteren Beispiel ist das noch klarer, weil man mit einem 299 g schweren As weder einen Janus- noch einen Hermeskopf hätte erwerben können, also zwei Dinge, die ausschließlich in der Fantasie existieren.

Demnach kann es niemals, und das bis heute nicht, so etwas wie eine Einheit Metall in dem Sinne geben, dass damit eine oder mehrere Einheiten von etwas anderem einzutauschen gewesen wären, auch nicht, wenn sie fixiert gewesen wären.

Selbst wenn festgelegt worden wäre, dass ein As im Gewicht von 299 g Kupfer der Gegenwert einer Kuh ist, hätte sich diese Parität niemals länger als ein paar Tage halten lassen. Sobald mehr oder weniger Kupfer und / oder mehr oder weniger Kühe erscheinen, muss selbst diese kleine eine Parität platzen. (Von dem Erscheinen anderer Dinge, Waren, Leistungen usw. usw. und deren relativen Preisen gegenüber Kupfer und / oder Kühen ganz zu schweigen).

Irgendwelche Paritäten von etwas in etwas festzulegen ist völlig zwecklos!

Das gilt nicht nur für eine Parität wie 10 Einheiten Hühner = eine Einheit Kuh, also mit in der Natur bereits voneinander getrennt vorkommenden Einheiten. Sondern das gilt auch für vom Menschen künstlich geschaffene Einheiten wie eben Metallstücke oder Münzen.

Metallstück oder Münze definieren sich immer durch ihr jeweiliges Gewicht, wie das Gewicht das jeweilige Metallstück oder die Münze definiert. Eine Tautologie ist aber keine Parität.

Dies beweisen auch die immer wieder gescheiterten Versuche, Metallen untereinander eine Parität zu geben.

Zunächst erschien z. B. in Kleinasien das dort natürlich vorkommende Elektron (Gold-Silbermischung mit ca. 1/3 Gold) in abgewogener Form, einfach als Gewicht und als Unterteilung dieses Gewichts (bzw. ein Vielfaches dieses Gewichts, je nachdem womit man beginnen möchte, mit 1 und ½ davon oder mit 1 und 2 davon). Dies ist links zu sehen:



Dann trennte Kroisos die beiden Metalle in einem extrem aufwendigen Verfahren, seine Münzen sind die mit den Löwen- und Stierprotomen daneben. Die obere Reihe der schwere Standard (ca. 10 g), die untere der leichte (ca. 8 g).

Nun hatte er zwar Gold und Silber, jeweils ziemlich rein, aber er hatte keine Parität! Was also tun? Er nahm jeweils das gleiche Gewicht: die oberen beiden Münzen wiegen gleich viel, die unteren ebenfalls.

Nun musste er natürlich festlegen, wie viel Silbermünzen jeweils einer Goldmünze entsprechen, sonst hätte er sich die Übung mit der Scheidung von Gold und Silber sparen und hätte Elektron zu verschiedenen Gewichten prägen können.

Damit war er buchstäblich tot. Denn es gab nicht nur Gold und Silber, das aus seinem Elektron zu gewinnen war (obendrein in variierendem Verhältnis). Sondern es gab Gold und Silber auch außerhalb seines Reiches , dies allerdings in freier Relation zueinander wie alle Preise aller Waren stets in freiem (Preis)-Verhältnis zueinander stehen.

So musste entweder sein Gold verschwinden oder sein Silber. Und da dies in schneller Folge wechselseitig geschah, verschwand schließlich alles. Gold und Silber.

Dass er vom schweren 10-g-Standard zum leichten (8 g) übergegangen ist, half ihm dabei rein gar nichts. (Möglicherweise sogar umgekehrt, aber das erste ist wahrscheinlicher, weil er im Inneren befehlen konnte, 1 Stück ist 1 Stück und eine auf 100 Stück lautende Schuld, z.B. Soldzahlung, ist immer mit 100 Stück erledigt, egal, wie viel die Stücke wiegen).

Das ist das Geheimnis des Fluches, den ihm das Orakel in Delphi gegeben hatte: "Wenn Du den Halys überschreitest, wirst Du ein großes Reich zerstören." (Der Halys war Grenzfluss zum Perserreich).

Es mag sehr wohl eine militärische Übung gewesen sein (Angriffskrieg) und dass er das "große Reich" falsch interpretiert hat (es war nicht das der Perser, sondern sein eigenes), ist auch vermutlich richtig. Dass die Perser Sold in Gold bezahlten, mag Kroisos überhaupt erst auf die Idee gebracht haben, in eine Gold- und Silberscheide-Anstalt zu investieren.

Aber der Kern seines Untergangs lag darin, dass er sich durch die Festlegung einer Parität zwischen zwei Waren ruiniert hat.

Es kann niemals funktionieren!

Die aktuellste Literatur dazu: Andrew Ramage u. Paul Craddock, "King Croesus' Gold. Excavations at Sardis and the History of Gold Refining," British Museum Press, 2000.

Und da die Festlegung von Paritäten niemals funktionieren kann, ist auch die bis heute gepflegte Vorstellung, von wegen, man könne zwischen "Geld" und "Sozialprodukt" so etwas wie "Stabilität" haben, was ja letztlich auf die Idee von einer Parität hinausläuft (alle Preise - das "Preisniveau" - gemessen in t 2 sind so hoch wie alle Preise - das Preisniveau - in t 1)

kompletter Unfug!

Jeder, der von "Stabilität" spricht oder sie gar ver-spricht, weiß überhaupt nicht, wovon er redet.

Eine Parität ist nur als Zustand zu definieren (alle Preise in t 1 sind alle Preise in t 1, jeweils untereinander gerechnet).

Aber niemals über die Zeit (Zustand morgen geteilt durch Zustand heute = 1)!

Das ist in keinem "Geldsystem" der Welt darzustellen. Schon gar nicht im heutigen Kreditgeldsystem, wo allem "Geld" ein Kredit zugrunde liegt und sich jeder leicht ausrechnen kann, was passiert, wenn in t 2 doppelt so viel auf Kredit gekauft wird wie in t 1 oder nur halb so viel.

Wer das nicht begreifen will, dem kann ich leider nicht helfen.

Gruß

d.