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Real-Enzyklopädie (2): Warengeld als Tauschmittel

Geschrieben von dottore am 13. Juli 2001 20:47:48


Guten Tag!

Isidor von Sevilla (560 - 636) verdanken wir folgende Beobachtung:

"Antiquissimi, nondum auro argentoque invento, aere utebantur" (Etymologiae XVI 18,5).

Deutsch: Unsere ältesten Vorfahren (I. betrachtet sich als Römer) nutzten das Erz, als Gold und Silber noch nicht erfunden waren.

Dieses "Erz" ist lat. "aes, aeris" (AE) im Klartext: Kupfer.

Dieses wurde in Rom als Münzmetall genutzt, bevor es zu Silber- und Goldmünzen kam. Dies lag nahe, da Italien selbst kaum Bodenschätze in Form von Erzen hat. Das AE der Römer könnte aus Etrurien (Toskana) gekommen sein, vgl. dazu den Katalog (engl.) der Etrusker-Ausstellung im Palazzo Grassi, Venedig, 2000/20001, Karte S. 77.

Oder es kam aus der Rom gegenüber liegenden Insel Sardinien, vgl. Lo Schiavo: Early Metallurgy in Sardinia, in: Archäometallurgie der Alten Welt, Bochum 1989, S. 33 ff.

Letztlich kann das niemand mehr klären, es sei denn durch extrem aufwendige metallurgische Untersuchungen.

Jedenfalls sind sich sämtliche Forscher darüber einig, dass das erste "Geld" der Römer aus Kupfer war. Als Standardwerk gilt immer noch Haeberlins "Aes Grave. Der Schwergeld Roms und Mittelitaliens" (2 Bde 1910, Reprint 1968). Dazu kamen Thomsen "Early Roman Coinage: A Study of the Chronology", 3 Bde, Kopenhagen 1957-61 und Crawfords "Roman Republic Coinage" (2 Bde, Cambridge 1974).

Jeder, der das AE-Geld der Römer bestreiten wollte, würde sich lächerlich machen.

Nun haben wir gelernt, dass Geld als "Tauchmittel" erfunden wurde, weshalb es sich empfiehlt, dieses aus AE bestehende erste Tauschmittel der Römer, einer aufstrebenden Weltmacht also, unter die Lupe zu nehmen.

Nach großbarrenförmigen "Vorläufern" mit diversen "Barrenprägungen" wie einem Stier (!), der möglicherweise zu der Missdeutung Anlass gab, der lateinische Name für "Geld" (= pecunia) würde sich von "pecus" (= das vor allem der Milchgewinnung dienende "Vieh") ableiten, wofür es keinerlei stringenten Beweis gibt, kam es kurz nach -300 zu einem nachvollziehbaren "Münzsystem", das mehr als 40 Jahre lang gegolten haben soll.

Das ist das System:



Wir sehen ein Warengeldsystem, das von ca. 17 g schweren Münzen bis 400 g schweren Münzen reicht.

Um sich diesem System in etwa zu nähern, darf die aus der Antike überlieferte Relation zwischen AE und Silber nicht übersehen werden. Sie lag etwa bei 280/300 : 1.

Die schwerste Münze aus der Zeit, da die Römer Warengeld als Tauschmittel entdeckten, das As, war also etwas mehr als 1 g Silber wert. Ein Gramm Silber kostet heute ca. 30 Pfg.

Da es wenig ersichtlichen Grund gibt, etwa an einer relativ stabilen Preisrelation zwischen Silber und anderen Waren über die Jahrhunderte hinweg zu zweifeln ("Preisrevolutionen" hin oder her), sollte ein ca. 280 g schweres As zumindest (!) ausgereicht haben, damals (!) ein Huhn zu kaufen.

Und so sahen die römischen Warengeld-Tauschmittel aus:



Das oberste Stück (Nr. 1) hat einen Durchmesser von knapp 7 cm. Die Nr. 4 ("Quadrans" mit drei Markierungen) von knapp 4 cm.

Da die Römer ihr AE zweifelsfrei importiert haben müssen, konnte sich der Mittelmeer-Marktpreis für AE von dem für AR (oder AU) kaum unterschieden haben. Denn überall sonst am Mittelmeer galt Warengeld in Form von AR oder AU.

Somit stehen wir also vor einem Rätsel. Wie konnte ein so extrem schweres Warengeld jemals als "Tauschmittel" gedient haben? Die römischen Hausfrauen hätten möglicherweise mehr Gewicht zum Markt geschleppt als sie von dort nach Hause brachten.

Das Rätsel ist indes schnell gelöst: Es hat nie ein "Tauschmittel" namens "Warengeld" gegeben. Und niemals ein "Warengeld", das jemals "Tauschmittel" gewesen wäre.

Entweder muss also das Warengeld vom Hocker oder das Tauschmittel. Beides zusammen macht keinerlei Sinn. Schon gar nicht für die ob ihrer Rationalität immer gerühmten Römer.

Gruß

d.