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OT: Erheiterndes zu Krieg, Embedding und die 1. Pressekonferenz

Geschrieben von dottore am 24. Juli 2005 15:14:45


Hi,

nicht erst seit dem embedded-Phänomen im letzten Irak-Krieg macht man sich, zumal als Medien-Heini so seine Gedanken über das Phänomen „Krieg (und oder Gewalt) und Medien“. Im Gutenberg-Jahrbuch 2005 hat der Mainzer Publizistik-Professor Jürgen Wilke dazu Interessantes zusammengetragen (Kriege als Antriebsmomente der Mediatisierung: Historische Traditionen).

Vorweg sei vermerkt, dass ich vor Jahren schon in einer Ausstellung („Auch saget man warlich...“ AS 1996) über frühe Zeitungen (Zeitung = Nachricht) darlegen konnte, dass die ersten Zeitungen sich mit Hingabe Gewaltphänomenen widmeten, z.B. der Eroberung der Neuen Welt, den Bauernkriegen, dem „sacco di Roma“ (1527; mit dem ältesten derzeit bekannten Zeitungs-Ms.: „Neue Zeitung, dass sich der Papst mitsamt 8 Kardinälen in der Engelsburg verschanzt hat...“), der Enthauptung des Thomas Morus, der Eroberung des aufständischen Münsters (1535), der von Kopenhagen (1536), usw. usw.

Wilke nun: „Die Ausbreitung moderner Massenmedien ist durch Kriege vorangetrieben worden.“ Umgekehrt haben Medien sogar Kriege entschieden. Beispiel 1870/71: Moltke erfuhr aus Zeitungen vom Schwenk der französischen Armee, die er dann bei Sedan vernichtend schlagen konnte.

Nun geht es nicht nur um Berichte aller Art und deren schlaue Rezeptionen, sondern vor allem um die mediale Instrumentalisierung im Kriege. Da „Krieg“ in allen Varianten inzwischen als Dauerzustand etabliert ist (Krieg gegen den Terror, usw.) ist eine Rückschau auf die Geschichte dieser Instrumentalisierung interessant, die sich mit der Geschichte der Presse mehr und mehr zu decken scheint, so dass wir heute fast schon von einer Synomisierung sprechen können.

Beginnend mit Entwicklung in der Neuzeit (die legendären Acta Diurna des Julius Caesar und folgende Herrscher-Propaganda bis zur Ausbreitung der Druckkunst seien weggelassen) haben wir u.a. diese hübschen Vorfälle:

1. Maximilian I. war der erste, der die Öffentlichkeit entsprechend zu beeinflussen suchte. Er ließe diverse Einblattdrucke nach Venedig (Venedigerkrieg 1509-11) schmuggeln, um die Stadt gegen die Signoria aufzuwiegeln (was misslang, der Stadt-Republik die Niederlage dennoch nicht ersparte).

2. Im 30jährigen Krieg mit Massen von „Neuen Zeitungen“, die über das Kriegsgeschehen unterrichteten, wurde u.a. der Ausgang der Schlacht von Nördlingen 1634 (Sieg der Katholiken) von der unterlegenen Seite gänzlich anders dargestellt als er tatsächlich war, garniert noch von den üblichen Mitteilungen über Gräuel, Verheerungen, Verlustmeldungen etc.(gute Monographie von Göran Rystad dazu).

3. Friedrich II. darf dann in den Schlesischen Kriegen als Initiator der Nachrichtenfälschungen gelten. Enttarnt hat diese Fälschungen bereits der bedeutende Historiker Johann Gustav Droysen in den 1870er Jahren. Wilke: „Bemerkenswert (sind) Intensität (und Systematik der amtliche gesteuerten Berichterstattung.“. Fiktive Offiziere erfanden Feldzugs-Lagen, der Außenminister redigierte Berichte, der König selbst (!) verfasste diverse und schreibt geradeaus:

4. „Solche Relation (= Bericht) ist umso zuverlässiger (!), als selbige von meiner (!) Facon ist...“

5. Napoleon stand dem nicht nach und schrieb und redigierte die Bulletins de la Grande Armee in höchsteigener Person.

6. Dem wollte Metternich nicht nachstehen und er offerierte seine „Idee zur Gründung einer Zeitung unter dem Schutz und der Redaction (!) der alliierten Mächte“, was dann in der Feld-Zeitung ab 1813 geschah.

7. Lug und Trug erreichten im Krieg 1870/71 einen weiteren, durch Zuhilfenahme der Telegraphie und der Fotografie (letztere zum ersten Mal im Krim-Krieg 1854/56 „eingesetzt“, 1870 entsteht das erste fliegende photographische Atelier des preußischen Generalstabes) gesteigerten Höhepunkt.

8. Der Franzose Albert Robida entwarf 1883 übrigens schon just, was heutige embedded-Reporter als Handwerkszeug haben: Eine Direktübertragung vom Schlachtfeld per Mikrofon (damals noch mit Standleitung) und sogar ein „Telephonoscope“, also das Fernsehen, wie wir es heute direkt vom Kampfgeschehen gewohnt sind. Ein wahres Genie in der Vorwegnahme künftiger Dinge (sein „Krieg im 20. Jahrhundert“ setzte als Datum der Einführung dieser Errungenschaften die Mitte des 20. Jh. an – ein Volltreffer!).

Nun noch etwas überaus Lehrreiches. Heute gelten „Pressekonferenzen“ (PKs) als Alltäglichkeit in Politik und Wirtschaft (von den Show-Fuzzis ganz zu schweigen). Aber wer hat dieses Instrument dieses brainwash eigentlich erfunden?

Wieder sehen wir ein Kriegskind. Die erste PK der Welt stieg am 3. August 1914. Wo? In einem sich bis heute bewährenden Tempel der Unwahrhaftigkeit (pardon: der reinen Lauterkeit, man denke an die sog. „Vertrauensfrage“), nämlich in einem Zimmer im Deutschen Reichstag. Dort bat ein Major (Name: Georg Schweitzer) Vertreter der Presse zu sich, um (so in einem Nachruf auf ihn)

„eine regelmäßige Verbindung (!) zwischen den Militär- und Zivilbehörden und der Presse herzustellen... Schon nach 10 Tagen stellte sich die Notwendigkeit einer Erweiterung heraus, so dass die Einrichtung einer regelrechten Pressekonferenz, zunächst dreimal wöchentlich im Reichstag, beschlossen wurde. Ein besonderer Presseausschuss erhielt die Genehmigungserteilung der Zulassung, für die dann der Generalstab (!) besondere Karten ausstellte... Die Verhandlungen der Pressekonferenz wurden für vertraulich (!) erklärt und die Verwendung der Mitteilungen nur nach bestimmten Grundsätzen (!) gestattet.“

Wilke: „Die Pressekonferenz ... war ein Geschöpf des Ersten Weltkriegs.“

Das embedding, das die Briten ebenfalls im Ersten Weltkrieg betrieben und 6 Korrespondenten der Army an die Westfront schickten, hatten die Nazis dann zu einem riesigen militärischen System ausgebaut. Ab 1939 existierten 7 Propagandakompanien des Heeres, 4 der Luftwaffe und 2 der Marine. Auf dem Höhepunkt sollen 15.000 Köpfe an der „Wahrheitsfindung“ beteiligt gewesen sein.

Inwieweit Peter Scholl-Latour zu folgen ist, der die Praxis unter einer Diktatur der demokratischer Staaten gleichsetzt, was Wilke als „gelinde gesagt leichtfertig“ kritisiert oder ob eine „unabhängige Kriegsberichterstattung“ bei Einbettungen formell unabhängiger Medienvertreter möglich ist, bleibt einstweilen umstritten. Jedenfalls hat sich das journalistische Rollenverständnis gewandelt, vom „Augenzeugen“ zum „Aufklärer“ – was auch immer unter Letzterem zu verstehen ist. Die einschlägigen Ausführungen von Ute Daniel (2004) über den „Gallipoli-Effekt“ konnte ich noch nicht einsehen.

Aber vielleicht amüsiert es den einen oder anderen auch so.

Gruß!