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Zum (künftigen) Silberstandard - Mutmaßungen + Historie

Geschrieben von dottore am 20. Juni 2004 16:37:23


Hi,

würde zu Silber als STZM/GZ zurückgekehrt, geschähe dies nicht aus dem Nichts heraus, sondern in eine Parität zum derzeitigen STZM/GZ, wo immer sie liegen mag. Die bisherige currency in circulation würde durch Silbermünzen bzw. zu 100 % durch Silber gedeckte Noten ersetzt.

Aus dem Nichts heraus ist das nicht vorstellbar, da die Geld-Emittenten für die Einrichtung eines Silberstandards über Silber verfügen müssten, was ausweislich der sog. "staatlichen" oder "strategischen" Bestände nicht oder kaum noch der Fall ist.

Also müsste in einem ersten Schritt ein entsprechender Silberschatz in öffentlicher Hand angesammelt werden, was den POS gemessen in aktuellen currencies entsprechend in die Höhe treiben würde. Hinzu käme, dass solche "Vorbereitungen" nicht unbemerkt über die Bühne gingen. Eine Silber-Hausse wäre die mutmaßliche Folge.

Dass sich alles Silber in der Hand der "Währungsbehörden" sammeln würde, ist ausgeschlossen. Denn diese würden ihre Aufkäufe nach Erreichen eines bestimmten, von ihnen als "Erstausstattung" avisierten Quantums einstellen und mit der Ausmünzung beginnen bzw. die Fabrikation der Barren, die dann als "Standard" in ihren Tresoren lagern müssten, starten. "Intern" müsste jedenfalls irgendeine Parität zum Soll gesetzt werden.

Ob sich diese künftige Parität geheim halten lässt, ist eine weitere offene Frage.

Nun startet zum Tag X die neue Silberwährung, tunlichst weltweit. Nehmen wir als Parität z.B. zum Euro an: 1000 Euro = 1 Kilo Silber, dann würden zur 100-%-Deckung des Bargelds (ca. 450 Mrd Euro) 450.000 Tonnen Silber benötigt, was nach meiner Kenntnis des frei verfügbaren Silbers nicht darstellbar wäre. Der angebliche US-Silberschatz lag unter Bush noch bei ca. 22.000 Tonnen. Die Jahresförderung soll bei knapp unter 20.000 Tonnen liegen. Als Reserven im Boden werden 280.000 Tonnen geschätzt.

Eine Parität 10.000 Euro = 1 Kilo Silber erschiene schlüssiger. Das würde aber bedeuten, dass die ZBs, angenommen es sind die für den "big bang" zuständigen Währungsbehörden, (gerundet) weitere Mrd Euro usw. an Banknoten ausgeben müssten, um das Silber am Cash-Markt zu beschaffen. Wie diese gesamten Noten dann wiederum zu 100 % mit Silber gedeckt sein sollten, ist auf den ersten Blick nicht nachvollziehbar. Bereits ausstehende Noten verwandeln sich nicht "von selbst" in Silber.

Vermutlich müssten die ZBs letztlich einen Silberschatz ansammeln, den sie teurer einkaufen müssten als dann die Parität sein würde. Oder anders: Man hat immer mehr Banknoten passiv als das Silber aktiv bewertet werden kann, sofern das Niederstwertprinzip eingehalten wird. Was sich aber ändern lässt, siehe die Bewertung der Goldposition, die aber grundsätzlich durch einen gleichhohe Passivposition "bilanzneutral" gehalten wird. Was sich auch ändern lässt.

Dies würde die ZBs in einer Verlustposition auf ihrer Aktivseite zwingen, die sich (formal) bilanziell nicht überstehen könnten. Was sich inedes auch erledigen ließe.

Entsprechendes gälte aber definitiv für den Markt, der am Niederstwertprinzip nicht vorbeikommt - es sei denn auch dies würde geändert und man ginge zu völlig freien Bewertung dann auch aller anderen Aktiva über. Die Silberhalter hätten (höchstwahrscheinlich) zunächst einen höheren Silberpreis in ihren Büchern als er dann - via neue Parität - realisierbar wäre. [Das Ganze sind fiktive Spielereien meinerseits, wobei mir die wirklichen oder möglichen Zahlen schlicht nicht geläufig sind sowie die Absichten, falls überhaupt vorhanden, der Gesetzgeber].

Diese Schwierigkeiten ließen sich ausräumen, indem die Staaten zur Zahlung an sie selbst wieder Silber zulassen (ohne überhaupt welches zu haben bzw. nur minimale Bestände), was wiederum nur zu einer ex ante festgelegten und ab dann geltenden Parität zum bisherigen STZM läge.

Diese Parität müsste attraktiv sein, also über jener (z.Zt. schwankenden) des Marktes liegen, um entsprechende Silbermengen in die öffentlichen Kassen zu ziehen, von wo aus sie dann zur hinfort festen Parität wieder verausgabt und wieder vereinnahmt würden, usw. usw..

Aber auch dieses Prozedere ist riskant. Denn niemand kann wissen, wieviel aus dem bestehenden Silber-Stock als hinfort dann kursresistentes Zahlungsmittel "monetarisiert" würde. Da große Mengen Silber - im Gegensatz zu Gold - außerhalb der staatlichen Schatz-Sphäre lagern (wieviel in etwa weiß niemand), kann sich das silberhaltende Publikum vermutlich sehr lange aus seinen Beständen bedienen, um Zahlungen zu leisten. Es greift also auf längst "erbrachte Leistungen" (R.Deutsch) zurück, ohne zeitgleich (oder geringer zeitlicher Verzögerung) selbst Leistungen erbringen zu müssen.

Der Silberhalter kann sich demnach leistungslos "verrenten", jedenfalls so lange, bis seine Vorräte aufgebraucht sind. Weitere Vorratshaltung (Hortung) würde keinen rechten Sinn machen, da man nun genau das hatte, was man wollte, nämlich wieder Silber als "Geld". Dieses kann man allerdings auch nur einmal ausgeben. [Der nächste hat dann nicht die von einem anderen erbrachte Leistung in Händen, sondern den "Gegenwert" seiner eigenen, usw.].

Dass sich dies auf die Preise auswirkt, die entsprechend steigen und den Silberhalter seinerseits relativ verarmen lassen, ist anzunehmen.

Dazu eine interessante historische Parallele aus dem Nahen Osten:

Silber diente zunächst als Herrschaftsmetall, wie Grabfunde in Ur (Südirak) und Berichte über (Tempel- und Palast-)Auschmückungen ab dem 4. Jt. BC belegen ("did not change hands" bei Kaufverträgen, Waren- und Dienstleistungen, vgl. Oppenheim 1964, Powell 1979 sowie Reiter 1997: "wird man bei der Eintreibung von Steuern, Zöllen und anderen Einkünften ... lieber auf Silber als auf Naturalien zurückgegriffen haben").

Im mesopotamischen (a priori silberlosen) Kernland Babylon wurde es dann aber zum klassischen Abgabenmittel mit den bekannten Folgen: Silberleihe, um die Abgaben leisten zu können, wie Klengel 1999 anhand eines "Wucherers" zum Besten gibt, plus anschließender Überschuldungskrise und Niedergang.

Dies war indes nur der erste Durchlauf (sofern hier keine der üblichen Duplizierungen eines einzigen historischen Ablaufs vorliegt). Aus dem "Neu"-Babylonien des 1. Jt. BC haben wir nun lange Preisreihen, meines Wissens die ältesten überhaupt. Diese durchgehend für die sechs wichtigsten commodities (Gerste, Datteln, Öl, Senf, Sesam, Wolle), dazu auch partiell für Salz, Cardamon, Kupfer, Fisch u.ä. Die Preise wurden übrigens von Astronomen festgehalten, stehen dort neben Wetter- und Wasser-Beobachtungen, usw. Der gesamte Komplex wurde von Sachs/Hunger 1988-96 publiziert und von Slotsky 1997 als "Bourse of Babylon - Market Quotations" einer exzellenten Analyse unterzogen.

Laut dieser steigen die Preise in Silber ab dem -5. Jh. um durchschnittlich ca. 60 % an und erreichen kurz nach 200 BC ihr ATH. Als Grund dafür läßt sich nur der gewaltige Silberstrom aus dem Westen (griechische Silberminen wie Laureion) und dann die Behebung der thesaurierten Bestände durch Alexander und die danach dort herrschenden makedonischen Diadochen denken. Die Inflation (Silberentwertung) zieht sich über ca. 230 Jahre hin.

Gerade Letzteres wäre eine Vorschau auf das, was einen neu errichteten Silberstandard auch in der Gegenwart erwartet, wo möglicherweise immense Bestände aus "Hortungen" in die "monetäre Sphäre" fließen dürften.

Nach dem damaligen ATH der Preise kommt es freilich zum üblichen deflationären Kollaps, der die Preis-Hausse insgesamt korrigiert, allerdings in einem Zeitraum von ca. 80 Jahren (in geglätteter Darstellung). Die "Ausreißer" in den Slotsky-Kurven zeigen sogar Korrekturen des Preisniveaus um 30 % innerhalb von ca. 25 Jahren. Dass sich die deflationären "Korrekturen" im späten europäischen MA und der Neuzeit auch unter Edelmetallstandards noch schneller abspielen können, zeigen die hier des Öfteren diskutierten Grafiken ex Fischer "Great Wave".

Ob die Entwicklung vor 2500 Jahren Trost parat hält, ist schwer abzuschätzen. Jedenfalls ist ein Übergang, alias die Rückkehr zu einem Silberstandard keine Angelegenheit, die sich mal "eben so" erledigen lässt.

Beim Gold wird es noch verzwickter. Die Kassiten, die das altbabylonische Reich zuerst "unterwanderten", danach vernichteten (ca. 1500 BC) schafften den gerade erst entstandenen Silberstandard ab und gingen zum GS über, aus dem dann nach der Vertreibung der Kassiten wieder der (eben besprochene) Silberstandard wurde.

In den bisher gefundenen Quellen aus vorbiblischer Zeit finden sich nur Goldgeschenke (zwischen Herrschern, hier die Abforderung eines Hethiter-Königs gegenüber möglicherweise Tut-anch-Amun - "Gold ist wie Sand bei Dir" (o.ä.) - ein anderes Mal im herrschaftlichen Tausch gegen Hölzer zu Palastbau, ein weiteres Mal wird den Emissären des Palastes von Ugarit (Syrien) Gold mitgegeben, dazu erscheint es auch im Tausch gegen das für Bronzewaffen-Produktion unabdingbare Zinn, aus Mari (Euphrat), einem "Goldzentrum", falls man überhaupt von so etwas sprechen kann, wird es in Palasturkunden erwähnt, für Bestechungen bzw. Steuern.

Der Preisverfall des Goldes gegenüber dem Silber wiederum ist stupend: Reiter errechnet zwischen 1844 BC und 1758 BC eine Gold/Silber-Relation, die von 10 : 1 auf sage und schreibe 3 : 1 fällt.

Inwieweit dies aus "natürlichen" Gegebenheiten (Bergbau, Goldwäsche usw.) resultiert oder Ergebnis der Einführung des Silbers als STZM in der babylonischen Periode vor den Kassiten und dem daraus resultierenden Beschaffungszwang des Abgabenmittels ist, der sich auch in den unerhört hohen Zinssätzen - bis 30 % p.a.! - niederschlägt, muss einstweilen der interpolierenden Phantasie überlassen bleiben.

Der vorauseilenden Phantasie bleibt überlassen, sich einen Reim auf das derzeitige Verhältnis von 65 : 1 zu machen. Falls man es überhaupt in so etwas wie ökonomische Erwartungs-Kategorien fassen möchte, läuft es mehr darauf hinaus, dass eher auf Gold denn auf Silber gesetzt wird - zu welchem Zweck auch immer.

Schönen Sonntag noch + Gruß!