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John Law und ‚Islamisches Wirtschaften’

Geschrieben von Popeye am 31. Mai 2004 12:34:32


In John Laws vier Rechtfertigungsbriefen(*) über das ‚Neue System der Finanzen’ findet sich im ersten Brief folgender Gedanke:

„Nun gibt es indessen kein sichereres Warnsignal in einem Staat, der nicht gerade wohlhabend ist und der zum Elend neigt, als teures Geld. Es wäre wünschenswert, dass man es [das Geld] immer für nichts leihen könnte oder mit der einzigen Maßgabe, mit dem Verleiher den Profit teilen zu müssen, der daraus erzielt wird. Dies wäre ein Handel, den jedermann machen könnte, ohne Kaufmann zu sein, das wäre auch die einzige Form, Geld zu verleihen, die weder dem Verleiher noch dem Borger schaden würde.“ (John Law, Handel Geld und Banken, Berlin, 1992, S. 259)

Aus dem Zusammenhang heraus bleibt unklar, was Law zu dieser Aussage veranlasst hat. Zwar geißelt Law in diesem Textabschnitt die Bezieher von Leibrenten (rentes constituées)(**) als faul und eigensüchtig, lobt jedoch gleichzeitig jene Kreditgeber, die Kredite an Handel oder Gewerbe geben. Vielleicht war die Bemerkung einfach so dahin geschrieben, vielleicht richtete sie sich gegen arbeitsloses Einkommen aus den Leibrenten oder es war einfach nur eine späte Verbeugung vor dem Zinsverbot des Mittelalters.

Sei dem wie es sei, vom Meister des Kreditgeldes selbst eine solche Bemerkung zu finden, die es als wünschenswert erachtet, die temporäre Hergabe von Kapital nicht durch Zins, sondern durch einen Anteil am Gewinn zu entlohnen, ist schon bemerkenswert.

Fängt man nun an über den Vorschlag des ‚islamischen Wirtschaftens' nachzudenken, wird schnell klar, dass einige unserer, zur lieben Gewohnheit gewordenen Finanzierungsgeschäfte, mangels ‚Profit’ keine Kreditgeber, besser – keine Finanzierungspartner mehr finden würden. Alle konsumtiven Ausgaben, selbst das eigene Häuschen, könnten – mangels Profit - nur durch selbst Angespartes finanziert werden. Wäre das so schlecht?

Wie sähe es beim Staat aus? Macht er Profit? Schwer vorstellbar sofern man nicht die heutige Kreditaufnahme als ursächlich für höhere Steuereinnahmen (= Profit) in der Zukunft betrachtet. Also auch für den Staat keine Kreditgeber (Finanzierungspartner) mehr. Wäre das so schlecht?

Wie sieht es bei den Banken aus? Statt Forderungen hätten die Banken nun Beteiligungen auf der Aktivseite. Naturgemäß ist die Rendite einer Beteiligung vorab schwerer prognostizierbar als die eines mit Pfand unterlegten Kredites mit festem Zinssatz. Entsprechend höher müsste das Eigenkapital der Banken sein. Auch die Einlagen in der Bankbilanz änderten ihre Natur. Kunden-Einlagen erfolgen nur gegen einen Anteil am Gewinn der Bank und müssen evtl. sogar für Verluste haften. Sind diese Beteiligungen bei der Zentralbank refinanzierbar dann nur mit einem erheblichen Sicherheitsabschlag. Wäre das so schlecht?

Bleibt der gewerbliche Kredit. Ähnlich einer Stillen Gesellschaft würde nun also der Unternehmer Kapital gegen die Abtretung eines Gewinnanteils erhalten. Mitspracherechte, Tilgung, Haftung der Kapitaleinlage ebenso wie die Höhe des Gewinnanteils wären im Einzelfall gestaltbar so wie bei einer Stillen Beteiligung auch. Wäre das so schlecht?

Zugegeben, es ist schwer sich eine Wirtschaft vorzustellen, die auf das Instrument des Kredites verzichtet und Kapital nur gegen einen Gewinnanteil bereitstellt. Aber ich kann keine grundsätzlichen Nachteile sehen, die ein Funktionieren verhindern würden. Zusätzlich entfiele der klassische Konflikt zwischen Fremd- und Eigenkapitalgeber und alle Kapitalgeber eines Unternehmens würden an einem Strang ziehen.

Oder gilt doch was Paul C. Martin sagt: Schulden + Zeit = Kapitalismus und der Wegfall des Kredites würde auch das Wirtschaftssystem ändern?

Pfingstgrüße

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Fußnoten

(*) Zu Beginn des Jahres1720 (also kurz vor dem Zusammenbruch des ‚Systems’) erschien dieser Briefwechsel (bestehend aus insgesamt vier Briefen) in einer französischen Zeitschrift, dem ‚Mercure de France’. Es handelt sich um einen fiktiven Briefwechsel, zwischen einem anonymen Befürworter des ‚Systems’ und einer (ebenfalls anonymen) durch Laws ‚System’ betroffenen und besorgten Persönlichkeit. Diesen fiktiven Briefwechsel hat Law selbst verfasst. [Quellen: Daire, E, 1843 Harsin, P., 1934]

(**) Im Gefolge der spanischen Erbfolgekriege und um die Zeit des Tod Ludwig des XIV durchlebte Frankreich eine schwere Wirtschaftskrise; Vauban (1707) hat dies u.a. eindrucksvoll beschrieben. Der Aufwand für die Eintreibung der Steuern belief sich auf 50 Prozent der Steuereinnahmen und diese reichten gerade mal aus um Zinsen und Tilgung der öffentlichen Verschuldung zu bezahlen. Korruption war gang und gäbe. Einträgliche öffentliche Ämter wurden gegen Leibrenten verkauft.