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John Law an Hans Eichel

Geschrieben von Popeye am 28. Mai 2004 19:28:11


Allgemeine Grundsätze einer angemessenen Verwaltung der Finanzen.

Die Verwaltung der Finanzen hat zwei Ziele: Die Einnahmen und die Ausgaben.

Die Einnahmen bestehen im Erheben von Steuern.

Die Ausgaben haben drei Ziele: Die Schuldverschreibungen, die laufenden Ausgaben und die außerordentlichen Ausgaben. Die Einnahmen wie auch die Ausgaben müssen auf bestimmten Regeln und Grundsätzen beruhen.

Die erste Regel besagt, daß der Gesamtbetrag der Einnahmen mit den Ausgaben übereinstimmt beziehungsweise den Gesamtbetrag der Ausgaben übersteigt. Wenn die Einnahmen geringer sind, dann gerät der Herrscher in die Lage, seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können, oder er muß zu Anleihen Zuflucht nehmen, deren angesammelte Zinsen die künftigen Einnahmen verschlingen.

Die zweite Regel besagt, daß der tägliche Einnahmebetrag der täglichen Betrag der Ausgaben entspricht. Wenn die Einnahme den Ausgaben hinterherhinken, dann wird der Herrscher, ui seine Ausgaben zu finanzieren, um Vorschüsse anhalten, die die gleiche Zerrüttung wie die Anleihen verursachen.

Die dritte Regel besagt, daß die Einnahmen aus den Steuerbeauflagungen nicht zwischen König und Steuerpächtern geteilt werden dürfen, sondern daß das, was an Steuern vom Volk erhoben wird, ungeteilt in die königlichen Kassen fließt.

Die vierte Regel besagt, daß die Steuerbeauflagung übersichtlich sei, daß die Steuern mit geringem Kostenaufwand und m wenig Personal eingezogen werden. Diese Kosten stellen einen reinen Verlust für den König und das Volk dar, und diejenigen Persone die mit der Einziehung der Steuern beschäftigt werden, werden dem Handel, der Industrie und der Bodenbearbeitung entzogen. Es ist ausgeschlossen, daß sich der Herrscher mit Einzelheiten der Steuererhebung befaßt, denn es handelt sich dabei um ein komplizierte Angelegenheit, und die Mißbräuche würden seine Wachsamkeit ohnehin entgehen. Statt dessen sollten die Steuerbeauflagungen übersichtlich sein und auf eine einzige Steuer beschränkt werden, denn dann könnte der Herrscher diese einzig Steuer überblicken.

Die fünfte Regel besagt, daß die Steuerbeauflagungen s beschaffen sein sollten, daß sie dem Handel nicht schaden. Mit der Einfuhrung und der Durchsetzung von Steuern, die den Interesse des Handels zuwiderlaufen, würde man die Basis dessen zerstöre was die laufenden Ausgaben gewährleistet.

Die sechste Regel besagt, daß die Beauflagung mit Steuern fi alle gilt, Ausnahmen und Privilegien sind als Mißbrauch anzusehen, welcher dem allgemeinen Wohl des Staates abträglich ist und welcher sich nicht einmal mit den Sonderinteressen der Begüstigten vereinbaren läßt.

Die siebente Regel besagt, daß die Verteilung der Steuerlasten den Möglichkeiten der Steuerpflichtigen entspreche. Wenn der Arme genauso belastet wird wie der Reiche, dann wird der Arme zuerst unter der Last erdrückt werden, aber der Reiche wird ebenfalls erliegen, weil er genötigt sein wird, die Last des Armen mitzutragen. Wenn man so verführe, dann handelte man, als wenn man eine Last von dreihundert Pfund zwischen einem erwachsenen Mann von dreißig Jahren und einem Knaben von fünfzehn Jahren so verteilte, daß man jedem von ihnen hundertfünfzig Pfund zu tragen gäbe. In diesem Fall bräche zuerst der Knabe unter der Last zusammen, welche dann, dem erwachsenen Mann von dreißig Jahren noch aufgebürdet, auch diesen erdrücken müßte. Hätte man dagegen dem Erwachsenen zweihundert und dem Knaben hundert Pfund zu tragen gegeben, dann wäre es möglich gewesen, die Last zu bewältigen.

Die achte Regel besagt, daß die Verteilung der Steuerlasten nicht willkürlich vorgenommen werde. (Diese Regel ergibt sich aus der vorhergehenden Regel.) Jede willkürliche Beauflagung wird ungleich, ungerecht und ruinös werden, und dies zunächst für denjenigen, welcher überlastet wird, und in der Folge dann ebenfalls für denjenigen, welcher geschont wurde, denn daß der Herrscher die Steuern von seinem Volk erhebt, die für die Unterhaltung des Staates unabdingbar sind, das ist eine unvermeidbare Notwendigkeit. Außerdem sind willkürliche Steuererhebungen der Gefahr ausgesetzt, daß man unsichere Ausstände3 einzieht, deren Betrag ungewiß ist.

Die neunte Regel besagt, daß die Steuerbeauflagung von betrügerischen Machenschaften verschont bleibe. Der Betrug ruiniert diejenigen, die ihn begehen ebenso wie diejenigen, die ihn nicht begehen, und der Verlust der einen wie der anderen fällt dann auf den König zurück.

Die zehnte Regel besagt, daß die Steuerbeauflagung nicht den Verbrauch von Nahrungsgütern verringere, deren Verbrauch notwendig ist.

Die elfte Regel besagt, daß der Herrscher keine Reichtümer anhäufen solle, er muß einnehmen, um wieder auszugeben. Ein Herrscher, welcher nur anhäuft, wäre einem Bodenbebauer zu vergleichen, welcher stets nur Ernten einbringen wollte, ohne noch die Aussaat auf seinem Boden vorzunehmen.

Die zwölfte Regel besagt, daß der Herrscher die Pflicht hat, das öffentliche Vertrauen aufrechtzuerhalten und die Verpflichtungen seiner Vorgänger zu erfüllen.

Die dreizehnte Regel besagt, daß die laufenden Ausgaben des Staates zu festen Terminen, gemäß einem Voranschlag des Etats der Ausgaben, gezahlt werden müssen, welcher ohne Bevorzugungen und besondere Gunsterweise erstellt werden muß. Ferner sollte dieser Etat jeweils am ersten Tag eines Jahres veröffentlicht werden, zumindest aber an jedem ersten Tag eines Monats.

Die vierzehnte Regel besagt, daß außerordentliche Ausgaben auch von außerordentlichen Fonds erhoben werden müssen, und daß die normalen Fonds weiterhin dazu dienen müssen, daß die laufenden Ausgaben getreulich finanziert werden.

Auszug aus: John Law, Abhandlungen über die königlichen Steuern (Mémoire sur le Denier royal, 1719)

Nachzulesen in: John Law, Handel Geld und Banken, Berlin, 1992, S.207ff