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State of the Art beim Metall-Problem (1)

Geschrieben von dottore am 28. Oktober 2002 12:42:47


Hi,

zum Metallproblem ist Einiges mitzuteilen, das die Archäometallurgie inzwischen ermitteln konnte. Dabei ist anzumerken, dass die Ergebnisse der Forschungen ganz neu sind und hier zum ersten Mal mitgeteilt werden, zumal sie sich z.T. auf noch unveröffentlichtes Material beziehen, insonderheit diverse Vorträge international führender Experten beim Anatolian-Metal-Congress in Bochum.

Die Fachwelt verblüfft sich dabei selbst durch ihre Ergebnisse. Sie wurden gewonnen durch Übersetzungen bisher unbekannter Urkunden (Keilschrift) aus diversen Archiven, speziell der Hethiter-Metropole Hatuscha sowie durch Ausgrabungen und Metallanalysen, die in dieser Form bisher noch nicht durchgeführt wurden, was vor allem für die frühesten Münzen gilt, die von P. Craddock (Scientific Examination and Replication of the Lydian Gold Refinery at Sardis), einem der Keeper of the Coins im Britischen Museum durchgeführt wurden (der Autor hatte gemeinsam mit Rammage die hier bereits bekannte große Untersuchung der Raffinerie des Kroisos in Sardeis publiziert und gilt als weltweit führender Experte speziell der Pb-Isotopen-Analysen der ältesten Münzen).

Im Überblick ist zu sagen, dass sich die von mir vertretenen Thesen vollumfänglich bestätigen, wie sich in den anschließenden Diskussionen gezeigt hat. J.G. Dercksen (Universität Leiden) wies darauf hin (Assyrische Texte aus Kültepe und Metallhandel), dass in Kürze eine Monographie erscheinen wird, welche die Abgabengeld-These ausführlich darstellt, wobei die Reihenfolge: Abgabe, danach erst Handel im gesamten vorderasiatischen Bereich zu finden ist. Aus dieser Gegend, wir sprechen von Zeiträumen, die im 5. und 4. Jt. BC beginnen, sind bekanntlich die ältesten Metallfunde in nennenswerten Umfang sowie Metallverarbeitungen und Metallnutzungen überhaupt überliefert.

Einige Highlights der Referate sollen hier in kurzer Form bzw. Stichworten vorgestellt werden und das in lockerer Folge. Überflüssig zu sagen, dass die Forscher sämtlich sog. "vorgefasste Meinungen" (Tauschhandel, privates vor abgabeninduziertes Wirtschaften, Metallgeld usw.) nicht interessieren, da diese in Zeiten entwickelt wurden, als Ökonomen und Sozialwissenschaftler keinerlei Kenntnisse von dem Material (Schriftquellen, Funde in situ usw.) und den Analysetechniken hatten (Dendrochronologie, C14-Datierungen, Spektralunetersuchungen), über welche die moderne Forschung inzwischen verfügt.

Die Experten halten es für ganz und gar unwissenschaftlich, mit ökonomischen Modellen zu arbeiten, die retroprojiziert sind und Vorgänge zu erklären vorgeben, die dann als "plausibel" vorgestellt werden, ohne jeglichen historisch fundierten Unterbau.

Nun zu den ersten Details:

Prof. Esin (Istanbul): Die ersten nachvollziehbaren Machtstrukturen (Assur) basieren auf Eisen bzw. Stahl (Näheres dazu später PD Yalcin, Bochum). Mit dessen Hilfe wurden Abgabensysteme entwickelt, wobei die Abgabenforderung in Form von Metall erfolgte.

Im assyrischen Raum entwickelt sich die erste ausgebildete Händlerschicht, deren Funktion es war, das geforderte Metall zu beschaffen. Der Weg des Metalls war eine Einbahnstraße, die in dem Herrschaftszentrum, der Sackgasse sozusagen, endete.

Die Weitergabe von Metall war in Assur in jeglicher Form verboten, außer beim Zinn (zur Herstellung von Zinn-Bronze unabdingbar), das auf zwei Wegen, zum einen über Kadesch (Ostanatolien) und Mari (irakisch-syrische Route) weiter geleitet werden durfte. Die innere Logik ist klar: Stahlwaffen (Assur) waren Bronzewaffen überlegen, so dass es kein Sicherheitsrisiko gab, zumal die anderen Zentren weit weg lagen (Mittelmeerraum, Zentralanatolien).

Das Zinn kam aus Zentralasien (Usbekistan, Tadschikistan), möglich auch Afghanistan. Die Nachfrage nach Zinn war - wie die Korrespondenz zwischen Assur und Hattuscha zeigt - eindeutig herrschaftliche Nachfrage.

Dies belegen für das Beispiel der Hethiter, des größten anatolischen Machtzentrums, die dort gefundenen Texte, die von Prof. Siegelova (Prag) seit Jahren übersetzt werden. Danach haben die im Herrschaftsraum der Hethiter, die selbst nie eine Händlerschicht entwickelt hatten, geltenden Abgabenvorschriften den sensationellen Befund erbracht, dass dort (!) Zinn (An-Na) als Abgabe erhoben wurde, obwohl es in diesem ganzen Großraum überhaupt nicht vorkam bzw. nirgends abgebaut wurde.

Die von den Hethitern zur "Zinnsteuer" gezwungenen Gebiete, die Rede ist von fünf Sub-Zentren, die bisher noch nicht mit Sicherheit lokalisiert werden konnten, mussten sich ihrerseits also das Zinn beschaffen, was wiederum zum Eintauschen von Zinn und damit der Ausbildung eines Fernhandels zwang.

Ähnliches dürfte für Kupfer gegolten haben, das ebenfalls Abgabengut war. Dabei wurde die Abgabe nicht in Barren geleistet wie offenbar bei Zinn (ein Zinnbarren wurde in dem berühmten Wracke von Bulu Gurum gefunden), sondern in Form von Beilen, Äxten und Sicheln aus Kupfer, deren Gewicht sämtlich auf zwei Minen geeicht war (1 Mine = ca. 1 Pfund). Es wurde streng nach dem Shekelstandard nachgewogen. Diese nach Gewicht standardisierten Metallabgaben waren ein Mal im Jahr zu leisten.

Die Abgaben wurden im Palast ("Oberstadt") gehortet und von dort dann zur Verarbeitung weiter geleitet.

In diesem Zusammenhang ist weiterhin bemerkenswert, dass niemals Bronze abgegeben wurde, sondern beide Metall (Cu, Sn) getrennt. Das Abgabenmetall wurde danach an die Palasthandwerker ausgegeben und zwar ebenfalls getrennt und nicht als Bronze.

Das Endprodukt waren immer Bronze-Waffen, die ausschließlich den Garden und Truppen vorbehalten war, Bronze-Gerätschaften für den "privaten" Gebrauch wurden niemals ausgeliefert, auch nicht gefertigt.

In hethitischen Gesetzestafeln sind auch die Metall-Relationen festgeschrieben: Cu / Ar = 160 : 1, Cu / Au = 480 : 1. Das Gold war dabei quasi der Libero, denn wir finden - umgerechnet über gleichförmige Ishtar-Statuen - sogar ein Verhältnis Ar / Au von 2 : 1.

Der Standard war also ein Cu-Standard in den bekannten Formen, siehe oben, der sich wiederum auf eine Shekel-Gewichtsstandard reduzieren ließ, der von der Obrigkeit festgesetzt worden war.

Handel innerhalb des Reiches existierte nicht. Die Versorgung der Bevölkerung, die von der (offenbar um -2000 oder kurz danach als Eroberer eingefallenen oder als Machtusurpatoren aufgetretenen) Oberschicht in Abhängigkeit gehalten wurde, geschah über die bekannten Depots (in Boden eingelassene und versiegelte Großkeramik), die ihrerseits nicht über Abgaben, sondern über Direktbezug aus den Ländereien der Herrschaft, die sämtliches beackerbares Gebiet umfassten, gefüllt wurden.

Mit der Entwicklung des Stahl-Eisens änderte sich die Lage dann grundlegend. Dazu und zu anderem demnächst mehr.

Gruß!