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Real-Enzyklopädie 28: Macht, Zins, Inflation (II)

Geschrieben von dottore am 04. Juli 2002 10:30:54


Man kann es also drehen und wenden wie man will: Der Staat als Abgabenmonopol-Macht plus Macht auf künftige Zwangsabgaben ziehen zu können plus Monopolgeld-Definierer plus Monopol-Notenbank-Eigentümer hat alles in der Hand. Wären alle Zinssätze auf Null, wäre eine wie auch immer ausgestaltetes Zwangsabgabensystem nicht mehr vorstellbar. Die dann einkommenden Null-Steuern könnten dann nur noch durch Konfiskationen bei den Bürgern direkt auf über Null gehoben werden.

Womit wir über ein Naturalabgaben- und dann Eigentumsabgaben-System am Ende im Voll-Sozialismus des 100prozentigen Staatseigentums landen würden. Die viel gerühmte "Re-Privatisierung" von Staatseigentum passt allerliebst ins Bild: Der Staat bedient sich zunächst aus "seinem" Eigentum (Verkauf von Staatsbetrieben usw.) und ist dies weg, muss er sich aus anderem Eigentum bedienen. Die "Privatisierung" ist nichts als Augenwischerei. Denn Verstaatlichung und Konfiskation sind die logische Folge. Es sei denn, der Staat gibt auf.

Da der deutsche Finanzminister nur noch auf zertrümmertem Eigentum sitzt (ich bitte den Kursverlauf der Telekom zu beachten), ist dieses (bzw. deren "Verkaufserlös") nicht mehr in der Einnahmenseite aufzuführen. Die Steuereinnahmen sind ohnehin gg. Vj. um 6 % gefallen.

Es ist absolut klar, dass alsbald der Ruf nach Steuererhöhungen erschallen wird, quer durch alle Parteien. Und da sich die Ertragsteuern aus naheliegenden Gründen nicht mehr steigern lassen (weder in Summa, da Flaute, noch in Sätzen, da sonst gebrochene Wahlversprechen oder allergrößter Volkzorn) wird wieder mal die Mehrwertsteuer der Ausweg sein (ersatz- oder ergänzungsweise eine große Verbrauchsteuer, siehe Ökosteuer schon zur "Finanzierung" der Rentenkassen, weil sich die dort zu erhebenden Zwangsbeiträge nicht mehr steigern lassen, Stichwort "Lohnnebenkosten"). Dies erhöht zwangsläufig die Preise.

Quod erat demonstrandum:

Macht --> Zwang --> Abgaben (Ur-Zins) --> Preise.

Weder Zins noch Preise überhaupt (!) sind ohne Macht zu definieren.

Ein "Tauschgut" selbst hat keinen "Preis". Es lässt sich immer nur gegen ein anderes Tauschgut messen und dann vice versa. Der Preis selbst ist stets die Preisdifferenz. Preise sind nicht zu spüren, sondern nur Preisveränderungen. Gäbe es für eine Menge x stets die gleiche Menge y, die gleiche Menge z, die gleiche Menge a, b, c, usw. käme niemand auf die Idee von einem Preis zu sprechen - wie denn? a = b = c, usw. = x = y = z. Würde aus dieser Endlos-Gleichung (der deutsche Zolltarif allein kennt ca. 2 Millionen "Waren") eine Ware als "Preisware" ausgewürfelt?

Das Wort "Preis" selbst weist uns den Weg: Der Preis ist eben das Besondere (Sieger erhält einen Preis o.ä.) und weil bei allen Menschen, zumindest eines Kulturkreises, die selben Präferenzen vorausgesetzt werden können, die auch sehr stabil sind (angefangen bei Essen, Wohnen, Trinken) muss es etwas geben, was die "Grenznutzen" der einzelnen Waren untereinander deutlich verschiebt. Dies wiederum kann nur der Zwang bzw. ein veränderter Zwang sein. Erst wenn der Zwang Abgaben, eben "Zins" fordert (absolut unelastische Nachfragekurve!) entsteht für das und aus dem betreffende(n) Abgabengut ein Preis. Preis = Aufpreis also.

Oder noch deutlicher: Alle Preise sind letztlich nichts als Zinsen. Der Vorwurf, der "Zinsanteil" in den Preisen sei "schon so hoch" oder "zu hoch" (Creutz, Xsurvivor u.a. "Zinskritiker") ist prima facie korrekt, aber nicht zu Ende formuliert. Nähme man den "Zinsanteil" in den Preisen weg (von 40 bis 50% ist gern die Rede), würde so etwas wie ein "Grundpreis" übrig bleiben. Nur: Wie erklärt sich der? Aus "Arbeitseinheiten" etwa.

Dass die Arbeit (als Leistung in Stunden) nicht "auszupreisen" ist, wissen wir nur allzu gut. Ein Preis-Nominal das "eine Arbeitsstunde" hieße, ist Nonsens.

Auch die berühmte "Realkapitalbildung" (zuletzt wieder ) kann entweder nur als permanente Akkumulation - jeder für sich - verstanden werden oder als etwas, bei dem A einem B hilft. Warum sollte er ihm helfen, wo es doch vorteilhafter für ihn ist, die Akkumulation bei sich selbst voranzutreiben? Siehe den Beginn des Wirtschaftens im Mesopotamien-Beispiel.

Dort gab es keine Arbeits-"Teilung", sondern Arbeits-Zwang

Ein Helfen im Sinne eines "kostenlos" zur Verfügung Stellens zugunsten eines anderen hat es nie gegeben. Das Helfen innerhalb von Mini-Gesellschaften (Familie, Stamm, evtl. noch Kleinstsiedlung) war immer nur ein Helfen um "Unterschüsse" untereinander auszugleichen, also um die Mini-Gesellschaft zu stabilisieren, sonst wäre sie ohnehin keine.

Gerät die Minigesellschaft unter Zwang (nicht in Not, da diese alle gleichermaßen trifft), muss sie gemeinsam ran und den benötigten, weil von einem anderen abgeforderten Surplus zu erzielen.

Die Abgabe ist der Abgabenzins. Die Beschaffung des Abgabenzinses in der Form, dass das Abgabengut verliehen und geliehen wird ist die logische Folge: Solvenz des Schuldners ./. dessen Liquidität = Abgabengut-Zins. Also der Kontraktzins auf (!) den Abgabenzins. Womit wir bei zinsbewehrten und vollstreckbaren (!) Kredit- und Schuldvorgängen wären.

Auf das Risiko des Erst-Gläubigers (Ur-Herrschers und Ober-Vollstreckers) wurde schon hingewiesen: Lässt er zu, dass sich "unter ihm" Doubletten zu seinem Vorgehen entwickeln, noch dazu unter "Missbrauch" seiner Macht (= Vollstreckungshilfe für die "Untertanen" also!), können sich sehr schnell andere "Mächtige" entwickeln und seine Macht gerät ins Wanken.

Das Spiel zwischen Kaisern, Königen, Fürsten, Grafen, dem Adel usw. ist entsprechender historischer Standard, man schaue nur nach England post 1066, Magna Charta, Rosenkrieg, Cromwell und bis heute.

Sobald sich also ein Abgabensystem etabliert hat und damit fängt Geschichte im Sinne von zunächst Mehr-Produktions- und dann "Wirtschafts"-Geschichte immer an, beginnt auch gleich ein "trickle down-Effekt" nach unten.

Gehen wir weit in die Geschichte zurück, finden wir ganz genau die gleiche Lage: Zinssteigerung vor Preissteigerung, bzw. Abgabensteigerung --> Preissteigerung und Preissteigerung dabei > Abgabensteigerung. Die Landrenten (Bodenzins, Zwangsabgabe) steigen zwischen 1100 und 1250 von ca. 12 auf 24 Gramm Silber ( pro Acker - verdoppelt), die Preise für Land selbst von 50 auf 250 Gramm Silber (- verfünffacht). Quelle: Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter.

Oder für das Jh. der "großen" Preisrevolution: "Returns to capital ... leapt ahead in some decades of the sixteenth century... rents and land prices rose even more rapidly than food and fuel. One study finds that English rents increased ninefold from 1510 to 1640, while grain went up by a factor of four and wages barely doubled." In Belgien: Faktor elf, in Holstein Faktor 14. Quelle: Fischer, Grat Wave.

Zeitgenössisches Zitat (Hales, "Discourse of the Common Weal"):

"I think it is long of you gentlemen that this dearth is, by reason of you enhance your lands to such a height, as men live thereon must need sell dear again, or else they were not able to make the rent." (ibid.)

Die Gentlemen waren just jene Grundherren, welche die Abgabenlast als deren Gläubiger erhöhen konnten nach Gusto. Folge: Inflation.

Wilhelm Abel, der unbestreitbar beste Kenner der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Preisgeschichte kommt zu dem Schluss, das sich eben doch kein Zusammenhang zwischen Getreidepreisen und der "Geldzirkulation" finden lässt, wie von Jean Bodin 1568 behauptet ("Agrarkrisen und Agrarkonjunktur").

Das ist letztlich bis heute so. Das große Loch im Monetarismus ist dort zu sehen, wo zwar die "Geldmenge" steigt, aber die Preise stets "verzögert" steigen, wozu dient das Geld wohl in der Zwischenzeit? Der Ausweg über "Kapazitätsauslastung" ist verbaut, denn wo ist das Geld geblieben, das die Kapazitäten errichtete und das nach dem Sayschen Theorem immer für Markträumung (Kapazitätsauslastung) sorgen soll (Angebot schafft sich seine eigene Nachfrage)? Der Ausweg "Hortung" ist verbaut. Denn würde gleich gehortet, wie könnten dann überhaupt Kapazitäten entstehen?

Oder das Loch auch, wo die Preise trotz starkem Geldmengen-Anstieg (Japan!) schließlich überhaupt nicht mehr steigen, sondern fallen.

Oder wo die ZB-Geldsumme sogar fällt (letztes Jahr der D-Mark) und die Preise dennoch steigen. Bei Preissteigerungen machen Bargeld-Hortungen wirklich keinen Sinn, zumal verzinsliche Alternativen (sogar "steuerfreie") sperrangelweit offen stehen. Und DM-Bargeld beim Umtausch in Euro, zu dem es kommen musste, "deklariert" werden musste - mit allen Konsequenzen, Steuerfahndung inklusive.

Alle diese Versuche, den Nexus zwischen täglich verfügbarem Geld und täglich verfügbarer Ware zu trennen, sind Krücken, um am Grundproblem vorbei zu humpeln. Auch entsprechende "Heilungsversuche" (Enthortungszwang, Zinssenkungen oder gar -verbote) doktern nur am Symptom herum. Sie fassen die offen zu Tage liegende Ursache (den Ur-Sachverhalt) nicht am Kragen: den von der Macht ausgeübten Zwang.

(Folgt Teil III)