Die 68er-Revolte hat eine Wächtergeneration hinterlassen.

nereus, Donnerstag, 22.11.2018, 07:39 (vor 1985 Tagen)5600 Views

Das ist die lesenswerte Überschrift eines Interviews aus dem Jahr 2008 mit dem Philosophen Peter Furth.

68 hat eine Wächtergeneration hinterlassen; man darf als jemand, der einmal als dazugehörig betrachtet wurde, nicht glauben, dass heute irgendetwas unbemerkt geäußert oder auch nur gedacht werden könnte.
..
Ich glaube, es sind meine Hypothesen über die Rolle des Antifaschismus, den ich heute untersuche, wie ich in meiner Doktorarbeit in den fünfziger Jahren den Rechtsradikalismus untersucht habe.

Meines Erachtens ist der Antifaschismus ein moralisches Herrschaftsmittel, das der Ausgrenzung von Andersdenkenden dient.
Ein so erfolgreiches Instrument lässt man natürlich nicht so ohne Weiteres kritisieren. Die Achtundsechziger sind es schließlich gewohnt, kultureller Hegemon zu sein. Das macht dumm.
..
Als Kulturrevolution hat 68 gewonnen, ihr Siegespreis ist die politische Korrektheit, die allenthalben zu einer semantischen Politik geführt hat. Nach ihrem Sieg haben sich die Achtundsechziger zurückgelehnt. Sie glaubten, nichts mehr dazulernen zu müssen. Ihr Problemstand kennzeichnet sich durch den inflationären Gebrauch der Vorsilbe Neo, eine Feindbezeichnung, die alles beim Alten lässt; überall Neoliberale und Neokonservative, bezeichnenderweise aber keine Neosozialisten. Die größere Lernchance in der Geschichte haben wohl eher die Verlierer.

Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/sozialphilosoph-peter-furth-im-interview-die-68er-re...

Es werden Zusammenhänge offenbart, die sonst nur von V-Theoretikern behauptet werden.

Dass der Antiautoritarismus, der Grundzug der Revolte, brutal und destruktiv ist.
Er verfolgt das Ziel, alle vermittelnden Instanzen zwischen dem Individuum und der Gesellschaft - Familie, politische und juristische Institutionen, Traditionen, Ethnien - zu entwerten.
Die Folge ist, dass der einzelne unmittelbar und schutzlos den Kräften des Marktes ausgesetzt ist und nur die Stärksten überleben.

Die Antifanten dienen dem Kapital hätte es dann früher in der Marxismus-Leninismus Schulung geheißen .. oder vermutlich eher nicht.
Sie sind die Vorhut einer ganz anderen Idee.
Und leider erwächst daraus nichts Gutes.

Man kommt nicht umhin festzustellen, dass der Achtundsechziger-Bewegung etwas Totalitäres anhaftete. Man könnte sagen: Wenn das „Dritte Reich“ und der Stalinismus die Tragödien waren, dann war 68 das Satyrspiel, das aber durch konfessionelle Tabuierungen die kathartische Bearbeitung der Tragödien eher behindert als gefördert hat.
Nach 68 kann man sich jedenfalls vorstellen, dass es weiter Tragödien und ihre Satyrspiele geben wird.

Inzwischen kann man sich das sehr gut vorstellen. [[sauer]]

mfG
nereus


gesamter Thread:

RSS-Feed dieser Diskussion

Werbung