Die Zustände in der DDR werden Heute viel zu wenig beachtet

Sojemand, Freitag, 26.01.2018, 21:15 (vor 2282 Tagen) @ nereus4957 Views

Hallo Sojemand,

du schreibst: Ich bin gegen Krieg. Egal wann, egal wo.
Wenn sich alle darüber einig sind, worüber diskutieren wie dann?
Für mich selbst würde ich noch anfügen, dass ich niemandem folgen
würde, der mich in einen Krieg führen will.

Wenn es hart auf hart kommt, wünsche ich Dir ganz fest diese
Standhaftigkeit.

Gut, ich kann das leicht sagen, denn ich habe keine Familie auf die ich Rücksicht nehmen müsste.

Ich kann mich auch täuschen, aber ich hab so das Gefühl, die
allermeisten hier stehen im Grunde auf der gleichen Seite und der Streit
dreht sich um semantische Spitzfindigkeiten und philosophische
Interpretationen der eigenen Einstellung.

Nein!
Es ging um die Unterscheidung zwischen Theorie und Praxis.
Gesagt wird viel, wenn der Tag lang ist.

Aber wenn der Staat mit gesetzlicher Vollmacht den Steuerzahler zum Dienst
an der Waffe ruft – aus welchem Grund auch immer – dann wird der
Unterschied fühlbar.
Möglicherweise steht alternativ die Lagerhaft zur Auswahl, was immer noch
besser wäre als die sofortige Erschießung.

Es gibt noch eine dritte Lösung. Einfach gehen, und zwar bevor der Staat sein Gewaltmonopol nutzt um Zwang auszuüben, denn solche Zustände kommen nicht über Nacht. Aber wie gesagt, ich bin da nicht repräsentativ und ich verstehe, wenn jemand, um seine Familie zu schützen, da etwas anders handeln würde.

DARUM geht es, wenn wir die Geschichte rekapitulieren, unabhängig von
allem propagandistischen Beiwerk, welches zu jeder Zeit seine Hoch-Zeiten
feierte.
In die SED waren auch Hunderttausende eingetreten, um ihre Karriere nicht
zu verbauen und ich wurde zu den Grenztruppen kommandiert und hoffte 12
Monate lang (davor war Grundausbildung) das der Kelch an mir vorüber
zieht, ohne jemals die Waffe scharf machen zu müssen.
Bei standhafter Gegenwehr wäre ich in Schwedt gelandet, wo die Zeitungen
Löcher gehabt haben sollen.

Ich habe Kollegen, denen ging es genauso. Über Schwedt hab ich auch viel gehört und allgemein unterhalten wir uns sehr oft über die Zustände in der DDR, gerade weil mich das sehr interessiert. Ich frag dann immer "warum hast du nicht dies oder jenes gemacht?" und immer läuft es darauf hinaus, dass das System so perfekt war, dass augenscheinlich keine Wahl blieb. Besonders schockierte mich, dass in den Planungen der Infanterie, die neben den Panzerwagen laufen sollten, im Gefechtsfall nur etwa 3 Minuten überleben einkalkuliert war. Ich weiß nicht ob das stimmt, würde aber zu dem System passen.

Und ja, Karrieregründe, Famile, Schwedt, das waren alles gute Argumente, aber Fakt ist auch, wer gehen wollte, der konnte es. Sei es über Polen und Tschechien oder über die Ostsee. Allerdings hätte man auch mit den Konsequenzen leben müssen.

Erst in der Praxis beweist sich, was man drauf hat und auf was man
notfalls verzichtet oder gar zu büßen bereit ist, um seinem Gewissen treu
zu bleiben.

Ich hoffe wirklich, alle die hier im Gelben lesen und schreiben werden sich nie solchen Entscheidungen gegenüber sehen. Aber ich bin meinen Kollegen dankbar für ihre Geschichten, denn sie helfen mir, meinen Blick auf mögliche zukünftige Entwicklungen zu schärfen.


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